Kooperation gegen Verschwendung: Tschechische Lebensmittelbanken und die Tafel Sachsen

Foto: Archiv der Tschechische Föderation der Lebensmittelbanken

Wo sich der Staat seiner Verantwortung entzieht, treten andere Akteure in Aktion: so etwa die Tafeln in Sachsen und ihr Gegenstück, die tschechischen Lebensmittelbanken. Vertreter der Verbände tagten vergangene Woche in Prag. Es ging um die gemeinsame Zusammenarbeit.

Karltheodor Huttner  (Foto: Archiv der Tafel in Sachsen)

Die beiden Verbände arbeiten seit über einem Jahr zusammen. Ziel ist es, grenzüberschreitend gegen Lebensmittelverschwendung vorzugehen und Bedürftigen zu helfen. Dabei zeigte sich ein wesentlicher Unterschied zwischen der Tafel in Sachsen und den Lebensmittelbanken in Tschechien. Karltheodor Huttner ist Landesvorsitzender der sächsischen Tafeln:

„Die Lebensmittelbanken haben in erster Linie Organisationen beliefert wie zum Beispiel die Caritas, Altenheime, Kinderheime oder Frauenhäuser. Bedürftige wurden nicht so häufig direkt unterstützt. In langer Diskussion haben wir uns nun geeinigt. Auch die Lebensmittelbanken beginnen nun, ihre Waren direkt auszugeben.“

In diesem Punkt gleichen sich die tschechischen Lebensmittelbanken also dem Vorgehen des Nachbarlandes an. Neben dem Austausch von Konzepten und Erfahrungen hat die Zusammenarbeit aber auch schon ganz konkrete Formen angenommen. Aleš Slavíček leitet den Verband der Lebensmittelbanken hierzulande:

„Uns inspiriert, dass die Tafeln die Lebensmittel direkt verteilen. Wir haben begonnen, unsere Zusammenarbeit ganz konkret zu machen. Unsere grenznahen Banken fahren nach Dresden, um dort Waren abzuholen. Zudem wollten wir uns ansehen, welche Unterschiede bestehen. Während des ersten Jahres haben wir 20 Tonnen aus Deutschland in Tschechien verteilt. Das hat uns sehr geholfen, weil dadurch das Angebot unserer Lebensmittelbanken vielfältiger ist.

Foto: Archiv der Lebensmittelbank Prag

Überschüssige Waren aus den Tafeln in Sachsen gelangen so zu einem großen Teil in das tschechische Grenzgebiet.

„Wir haben festgestellt, dass in den großen Städten eine Vielzahl von Discountern Lebensmittel spenden. Sie haben also weniger Bedarf als kleine Kreise oder Kreise im grenznahen Gebiet“, so Dietmar Haase, Co-Vorsitzender der sächsischen Tafeln.

Huttner wird da noch genauer:

„Wir unterstützen gerade die grenznahen Foodbanks: zum Beispiel in Leitmeritz (auf Tschechisch Litomerice, Anm. d. Red.) Liberec, Ústí nad Labem oder Karlsbad (auf Tschechisch Karlovy Vary, Anm. d. Red.). Diese Lebensmittelbanken kommen einmal in der Woche nach Dresden, wo wir ein großes Logistikzentrum haben. Dort bedienen wir dann diese Tafeln.“

Foto: Archiv der Tschechische Föderation der Lebensmittelbanken

Seit Jahresbeginn 2018 müssen in Tschechien Einzelhandelsmärkte mit einer Verkaufsfläche von mehr als 400 Quadratmetern einen Teil der unverkäuflichen Lebensmittel spenden. Geschieht das nicht, drohen hohe Geldstrafen. Ganz nach dem Motto: „Eigentum verpflichtet“. Dietmar Haase hält so ein Gesetz in Deutschland aber nicht für nötig.

„Wir brauchen das nicht. Die Discounter spenden die Ware ohnehin an die Tafeln. Es bedarf dazu keiner gesetzlichen Regelung.“

Die Coronakrise war auch bei den deutschen Tafeln und ihrem tschechischen Gegenstück, den Lebensmittelbanken, deutlich spürbar. Věra Doušová leitet die Lebensmittelbank in Prag:

„In Tschechien hatten wir sehr viel mehr Klienten. Zu den normalen Abnehmern kamen noch alle Stadtviertel Prags und viele Dörfer hinzu, die sich um ältere Leute gekümmert haben. Die Prager Lebensmittelbank gibt aber auch Pakete an Einzelpersonen aus, die das Sozialamt empfiehlt.“

Věra Doušová  (Foto: Elena Horálková,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)

In der tschechischen Hauptstadt würden normalerweise 30 Pakete pro Tag verteilt, so Doušová. In der Corona Zeit hat sich diese Zahl verzehnfacht. Zugleich wurde mehr gespendet, daher konnte der Bedarf gedeckt werden. Es kamen beispielsweise Lebensmittel von Schulküchen, Gaststätten und Cafés dazu.

Während in Sachsen zum Höhepunkt der Corona-Pandemie nur fünf von 44 Tafeln geschlossen waren, habe die Krise auch fast schon kuriose Auswüchse gehabt, erzählt Huttner.

„Wir hatten durch dadurch natürlich eine Überproduktion von Lebensmitteln. Es bleibt viel übrig, wenn die Gaststätten und Betriebskantinen schließen. Nur ein Beispiel: Corona hat am 10. oder 11. März Deutschland erreicht. Im April war Ostern. Die Kreuzfahrtschiffe und die deutsche Lufthansa hatten natürlich schon ihre Ostereier und Osterhasen eingekauft. Dann ist alles abgesagt worden. Für das nächste Jahr konnten die Süßigkeiten nicht aufbewahrt werden, also ginge sie an die Tafeln.“