Tschechisches Zentrum Wien: Neuer Direktor Martin Krafl über Programm und Pläne

Martin Krafl

Das Tschechische Zentrum in Wien hat einen neuen Leiter. Es ist Martin Krafl, früherer Mitarbeiter des verstorbenen Ex-Präsidenten Václav Havel und vorheriger langjähriger Leiter des Tschechischen Zentrums in Berlin. Im Interview für Radio Prag schildert Krafl seine Pläne für das Programm in Österreich.

Martin Krafl
Herr Krafl, Sie sind neuer Leiter des Tschechischen Zentrums in Wien und haben auf diesem Posten Taťjana Langášková abgelöst. Planen Sie, die Arbeit ihrer Vorgängerin fortzusetzen oder gibt es bei Ihnen Änderungen?

„Ich möchte auf jeden Fall an die tolle Arbeit meiner Vorgängerin anknüpfen. Meine vier Jahre in Berlin waren aber auch sehr inspirierend, abwechslungsreich und man kann auch sagen: ziemlich erfolgreich. Wir haben in der Zeit rund 500 Veranstaltungen in der bundesdeutschen Hauptstadt auf die Beine gestellt. Dadurch habe ich viele Erfahrungen gewonnen. Und ich hoffe, dass ich gerade diese Erfahrungen als Direktor des Tschechischen Zentrums Wien anwenden kann. Ich möchte eigentlich tschechische Kultur gerne in größerem Umfang auch in den Regionen präsentieren, vor allem in Ober- und Niederösterreich. Im Februar beginnen wir zum Beispiel in Linz mit einem Konzert des Organisten und Pianisten Pavel Kohout – am 26. Februar in der evangelischen Kirche Linz-Dornach.“

Pavel Kohout  (Foto: Archiv von Pavel Kohout)
Sie haben ja bereits im Sommer in Berlin aufgehört. Vielleicht haben Sie das vergangene halbe Jahr auch bereits nutzen können, um Pläne für Ihre neue Arbeit zu schmieden. Schweben Ihnen bestimmte Schwerpunkte für dieses Jahr vor?

„Auf jeden Fall. Einerseits war es Bedingung, sechs Monate in Prag zu verbringen. Andererseits habe ich das auch als gute Gelegenheit empfunden, um mich wieder mehr der aktuellen tschechischen Kunst anzunähern. Ich habe viele Theatervorstellungen, Ausstellungen und Filme angeschaut und mich mit vielen Künstlern getroffen. So konnte ich in Ruhe das Konzept meines Programms in Österreich vorbereiten.“

Das Februarprogramm steht ja bereits. Wenn ich mal nicht chronologisch vorgehe, sondern den Namen nach, da sticht natürlich Miloš Forman hervor. Der tschechische Oskarregisseur wird im Februar 80 Jahre alt. Was ist in Wien geplant, um an ihn zu erinnern?

Film ‚Černý Petr’ – der Schwarze Peter
„Wir planen eine Retrospektive mit dem Titel ‚Forman 80+’, mit der wir das österreichische Publikum auf den Geburtstag des Regisseurs aufmerksam machen wollen. Die Retrospektive besteht aus einer Ausstellung von Filmplakaten, einer Filmreihe und einer Lesung über das Schaffen des Regisseurs. Den Auftakt bildet im Februar Miloš Formans erster abendfüllender Film ‚Černý Petr’ – der Schwarze Peter, mit Schauspielgrößen wie Jan Vostrčil, Vladimír Pucholt oder Josef Abrhám. ‚Černý Petr’ ist ein Mosaik aus unbedeutenden Erlebnissen eines 16-jährigen Lehrlings und eine schrille, psychologisch und soziologisch wertvolle Generationenstudie.“

Eben-Trio  (Foto: Archiv des Eben-Trios)
Forman ist also ein Schwerpunkt. Was haben Sie noch Weiteres im Programm?

„Wenn wir im Februar bleiben, dann möchte ich unsere Ausstellung moderner Kunst erwähnen. Die Vernissage der Ausstellung findet am Dienstag, 7. Februar, um 19 Uhr statt. Die Ausstellung wird durch den tschechischen Botschafter in Wien, Jan Koukal, eröffnet und heißt ‚2 Frames’. Sie ist Karel Štědrý und Karel Písařík gewidmet. Diese bedeutenden tschechischen Gegenwartskünstler der 1990er-Jahre- und 2000er-Jahre-Generation teilen sich seit drei Jahren ein Atelier im Industriegebiet des Bahnhofs im Prager Stadtteil Žižkov und setzen sich auf unterschiedliche Weise mit dem urbanen Raum Prag auseinander. Im Bereich Musik werden wir im Februar - neben dem Konzert von Pavel Kohout in Linz – auch in Wien ein Konzert anbieten: der Auftritt des Eben-Trios. Es ist ein Festkonzert anlässlich meines Einstandes in Wien, wird von der Botschaft und dem Tschechischen Zentrum organisiert und vom tschechischen Botschafter Jan Koukal eröffnet. Zu Ende des Monates haben wir für unser Publikum noch einen literarischen Abend vorbereitet. Jiří Holý wird dabei sein neues Buch über die tschechische Literatur zwischen den Jahren 1945 und 2000 vorstellen.“

Bisher gab es ja auf Deutsch noch keine zusammenhängende Darstellung der tschechischen Literatur nach dem Zweiten Weltkrieg…

„Das stimmt. Darstellungen der tschechischen Gegenwartsliteratur nach 1945 sind auf dem deutschen Buchmarkt kaum zu finden. Mit dem ergänzten deutschsprachigen Gegenstück zu seinem englischen Titel ‚Writers under Siege’ schließt Jiří Holý nun diese Lücke und bietet einen historischen Abriss der wichtigsten literarischen Tendenzen sowie umfassende Autorenporträts unter anderem von Václav Havel, Milan Kundera, Bohumil Hrabal, Ivan Klíma, Arnošt Lustig und Michal Viewegh.“

Und wenn wir über den Februar hinaus ein bisschen in Zukunft schauen: Gibt es da Veranstaltungen, auf die Sie vielleicht schon jetzt hinweisen wollen?

„Auf jeden Fall. Zum Beispiel in Klosterneuburg bei Wien stellen wir Rahmen einer Konzertreihe junge hoffnungsvolle Musiker der tschechischen Klassik vor. Im März wird dabei der 14-jährige Pianist Matyáš Novák aus Hradec Králové auftreten. Und zu Sommerbeginn auch das Ehepaar Jamník: der Cellist Tomáš Jamník und die Violinistin Eva Jamníková, die in Tschechien sowie international schon Erfolge gefeiert haben. Dann organisieren wir im ersten Halbjahr 2012 auch sechs Ausstellungen. Im Rahmen des Projekts ‚Czech Arts Meets the (V.I.E.N.N.A.) Streets’ veranstalten wir in Kooperation mit dem Verein BonArt zwei Ausstellungen mit drei tschechischen KünstlerInnen, die beim Festival Soho im Wiener Stadtteil Otakkring Streetart und im Tschechischen Zentrum Wien Galeriekunst miteinander kombinieren werden. Des Weiteren beteiligen wir uns an der Europäischen Nacht der Literatur mit einem Abend zu Karel Hynek Mácha, bei dem die bekannte tschechisch-österreichische Schauspielerin Zdenka Procházková-Hartmann auftritt. Das erste Halbjahr beschließen wir dann mit der Projektion des Films ‚Alois Nebel’, unter Teilnahme von Mitwirkenden inklusive Jaroslav Rudiš. Und vielleicht noch eine Überraschung für den Herbst, über die ich schon jetzt sprechen kann: Nach einigen Jahren wird es zu einer Veränderung der Räumlichkeiten des Tschechischen Zentrums in der Herrengasse 17 kommen. Das Zentrum erhält nämlich einen neuen Anstrich nach dem Entwurf des Designers Štěpán Malovec.“

Autor: Till Janzer
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