München: Videoinstallationen, Hundertjährige und Jaroslav Seifert

Foto: Archiv des Tschechischen Zentrums München

Nach dem Jahreswechsel läuft das Programm im Tschechischen Zentrum in München an. Markéta Kachlíková hat mit dem neuen Direktor des Zentrums, Ondřej Černý, über die Veranstaltungen gesprochen.

Videokunst von Jakub Nepraš  (Foto: Archiv des Tschechischen Zentrums München)
Herr Černý, das Jahr hat begonnen und schon im Januar finden in München gleich mehrere Ausstellungen tschechischer Künstler statt. Im Rahmen der ersten deutschen Kunstmesse für Neue Medien und Videokunst, der UNPAINTED media art fair, hat sich in der vergangenen Woche einer der bekanntesten jungen tschechischen Künstler, Jakub Nepraš, in München präsentiert. Können Sie diesen Künstler kurz vorstellen? Wie würden Sie sein Schaffen charakterisieren?

„Jakub Nepraš ist ein Medienkünstler. Er schafft Bilder und Visionen, maschinenartige und urbane Landschaften und Gebilde, die von organischen Formen durchzogen sind. Es ist eine Kombination von Natur und starken innovativen Installationstypen, die meist digital und durch Medien vermittelt werden. Jakub Nepraš war gleich zweimal in München vertreten. Einerseits findet seine Ausstellung im MaxmiliansForum statt. Das MaxmiliansForum ist eine Passage für interdisziplinäre Kunst. Es ist eine spezialisierte Galerie eben für ganz spezielle Installationen. Und man kann durchaus sagen, dass es eine sehr prestigeträchtige Adresse für diese Kunstrichtung ist. Deswegen sind wir sehr froh, dass Jakub Nepraš dabei ist. Außerdem war er hier beim ersten Jahrgang der neuen Kunstmesse mit dem Namen ‚media art fair unpainted‘ vertreten.“

Fotoausstellung Hundertjährige  (Foto: Archiv des Tschechischen Zentrums München)
Ein weiterer junger Künstler hat momentan eine Ausstellung direkt in den Räumlichkeiten des Tschechischen Zentrums in der Prinzregentenstr. Es ist der Fotograf Jan Langer, seine Fotoausstellung heißt "Hundertjährige". Was steckt hinter diesem Namen?

„Jan Langer hat Gesichter von Menschen fotografiert, die hundert Jahre alt sind. Daneben kann man Gesichter dieser Menschen aus der Zeit ihrer Jugend sehen. Dadurch lässt sich die Entwicklung dieser Personen recht gut verfolgen. Diese Ausstellung wirkt wirklich sehr emotionell. Als ich das erste Mal die Fotografien gesehen habe, habe ich gedacht, dass man auf Grund dieses Vergleichs die Dichotomie der Jugend und des Alters sehr gut sieht. Man kann die verschiedenartige Schönheit des jungen und des alten Gesichts wahrnehmen. Die Gesichter tragen das hundertjährige Leben in sich, man kann es in einem Augenblick miterleben. Und natürlich ist auch der Tod präsent. Trotzdem wirkt die Ausstellung aber eigentlich sehr optimistisch und die Gesichter sind voll vom Leben.“

Fotoausstellung Hundertjährige  (Foto: Archiv des Tschechischen Zentrums München)
Wie viele Personen wurden für die Ausstellung porträtiert?

„Es wurden 15 Leute porträtiert. Die Ausstellung ist Teil eines umfangreicheren Projekts von Jan Langer. Er macht lange Gespräche mit den Menschen und fotografiert eigentlich für eine Datenbank von Menschen in diesem Alter. Das Projekt hat auch einen soziologischen Aspekt. Langer hat versucht festzustellen, was die Menschen in diesem Alter erleben, weil wir eigentlich auf eine so lange Lebensspanne nicht vorbereitet sind. Es ist auch für die beteiligten Menschen sehr bedeutend, da der Fotograf als Psychotherapeut funktioniert.“

Sabine Kohler vor einem Bild von Marc Chagall  (Foto: Archiv des Tschechischen Zentrums München)
An diesem Dienstag fand ein Abend zwischen Literatur und Malerei bei Ihnen im Zentrum statt. Sie haben bei einer Lesung Erzählungen von Jiří Langer mit Bildern und Texten von Marc Chagall kombiniert. Aus welchen Büchern wurde dabei gelesen und bei welchem Anlass?

„Diese Veranstaltung fand eigentlich aus Anlass der neuen Ausgabe der deutschen Übersetzung des Buchs ‚Neun Tore‘ (1937) von Jiří Langer statt. An jenem Abend wurde aus eben diesem Buch gelesen. Außerdem haben wir Passagen aus dem neuen Buch von Marc Chagall ‚Grenzgänge zwischen Literatur und Malerei‘ gehört. Es war ein Abend mit zwei Übersetzerinnen: Sabine Kohler ist Professorin für slawisch-jüdische Studien an der Universität Regensburg und Christine Kallert arbeitet in Regensburg als freie Übersetzerin. ‚Neun Tore‘ist ein ganz einzigartiges Buch. Der Autor Jiří Langer ist ein Bruder von František Langer, der eigentlich berühmter war. Jiří ist erst durch das Buch ‚Neun Tore‘ mit Erzählungen über die Chassidim weltweit berühmt geworden.“

Jaroslav Seifert  (Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Auch bei einer weiteren Ausstellung, die Anfang Februar in München beginnt, steht die Literatur im Mittelpunkt. Die biographische Ausstellung „Všechny krásy světa“ (Alle Schönheiten der Welt) ist dem tschechischen Dichter Jaroslav Seifert gewidmet. Aus welchem Anlass findet sie nun in München statt?

„München ist eigentlich nur ein Stop auf dem ziemlich langen Weg dieser Ausstellung durch Deutschland. Vorher war sie bereits in Berlin, Tübingen und Freiburg zu sehen. Jaroslav Seifert ist der einzige tschechische Literaturnobelpreisträger und seine Werke sind in Deutschland sehr populär. Die Ausstellung ist nicht nur für Erwachsene, sondern auch für die Jugend bestimmt. Alle wichtigen Punkte seines Lebens werden dort präsentiert, und natürlich auch seine Bücher.“

‚Erotikon‘ von Gustav Machatý
Wo ist die Ausstellung über Jaroslav Seifert zu sehen?

„Man kann diese Ausstellung ab 3. Februar bis Ende März in der Bayerischen Staatsbibliothek sehen, und zwar im Eingangsbereich zum Ostlesesaal.“

Das sind die Schwerpunkte des Programms im Februar. Gibt es noch etwas, worauf Sie hinweisen möchten?

„Wir bereiten für Ende Februar und Anfang März eine Präsentation des Nationalen Filmarchivs Prag vor, es feiert das 70. Gründungsjubiläum. In diesem Rahmen präsentieren wir im Filmmuseum München vier historisch wichtige tschechische Filme. Es sind ‚Erotikon‘ (1929) von Gustav Machatý, ‚Der Fluss‘ (1933) von Josef Rovenský, ‚Der weite Weg‘ (1949) von Alfréd Radok und ‚Wer will Jessie umbringen‘, ein bekannter Film von Václav Vorlíček aus dem Jahr 1966. Bei dieser Gelegenheit wollen wir auch an den langjährigen Direktor des Filmarchivs, Vladimír Opěla, erinnern. Er ist auch in Deutschland als ein Matador der Filmarchivbranche bekannt.“

Ondřej Černý  (Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Danke für die Programmtipps. Herr Černý, Sie haben ja jetzt gerade Ihre Arbeit in München begonnen. Haben Sie bereits konkrete Pläne für das laufende Jahr? Gibt es einige Themen oder Jubiläen, die vielleicht für alle Tschechischen Zentren im Ausland gemeinsam wichtig sind und auch in München reflektiert werden?

„Ich bin eigentlich seit 14 Tagen hier und bereite nun das Konzept für Ende dieses Jahres und hauptsächlich für die nächsten drei Jahre vor. Wichtig ist, und das gilt für alle tschechischen Zentren, das man seinen Prioritäten folgen soll, dabei aber sehr stark den lokalen Kontext im Blick halten muss. Die Aufgabe der Tschechischen Zentren in der ganzen Welt ist es, den guten Ruf der tschechischen Kultur zu verbreiten. Das kann man auf verschiedene Weisen machen: Eine Möglichkeit ist, hervorragende tschechische Kulturpersönlichkeiten zu präsentieren. Dabei muss man in diesem Jahr zweifelsohne über Bohumil Hrabal oder Franz Kafka sprechen. Denn Franz Kafka war ein böhmischer Deutscher, und man soll ihn auch im tschechischen Kontext besprechen. Eine Priorität gilt bestimmt für alle tschechischen Zentren: wir sollen und wollen die Kreativität in allen Bereichen des tschechischen Lebens präsentieren und uns vor allem den jungen Künstlern widmen.“