"Transparenz nicht Trade Mark von Tschechien"

Adriana Krnacova

Im Vergleich zu anderen EU-Ländern steht die Tschechische Republik bei der Ausschöpfung der Strukturfonds an vorletzter Stelle. Seit dem EU-Beitritt bis heute wurde schon dermaßen viel Miss¬brauch getrieben, dass sich die Organisation Transparency International veranlasst sah, aktiv zu werden: Im Rahmen einer Analyse wurden die Schwachpunkte im System der Vergabe von Struktur¬fonds erhoben und Maßnahmen zur Schaffung von mehr Transparenz ausgearbeitet. Das Ergebnis liegt nun vor und soll helfen, dass die für die Periode 2007 bis 2013 veranschlagten 26 Milliarden Euro auch wirklich zweckgebunden verwendet werden. Sandra Dudek hat sich mit Adriana Krnacova, Direktorin von Transparency International Prag, über die wichtigsten Punkte der Analyse und über das Phänomen Transparenz in Tschechien unterhalten:

Adriana Krnacova
Transparency International wurde in letzter Zeit häufig im Zusammenhang mit Korruption genannt. Nun haben Sie ein ziemlich umfangreiches Konvolut zur Ausschöpfung der Strukturfonds herausgegeben. Gibt es dafür einen konkreten Anlass?

"Wenn man über Transparency redet, dann redet man nicht vorwiegend über Korruption, sondern über den Mangel an Transparenz und die ist natürlich bei der Ausschöpfung der Strukturfonds vorhanden. Das ist keine Besonderheit der Strukturfonds, sondern des Rahmens, in den die Strukturfonds eingebettet sind, das heißt, wenn in diesem Land oder in anderen Ländern mangelnde Transparenz herrscht, dann kann man davon ausgehen, dass auch bei der Ausschöpfung der Strukturfonds mangelnde Transparenz herrscht."

Ist diese mangelnde Transparenz nun ein typisch tschechisches Spezifikum oder gibt es das Problem auch noch in anderen EU-Ländern?

"Es gibt es bestimmt auch in anderen EU-Ländern, wie der Slowakei oder Ungarn oder auch Polen, aber die Tschechische Republik ist, würde ich sagen, so ein kreatives Spezifikum. Wenn in anderen Ländern etwas nicht geht, dann ist in Tschechien sicherlich eine Möglichkeit vorhanden, wie man es bewerkstelligt. Die Kreativität, Möglichkeiten zu erfinden, wie man etwas umgehen kann, ist dermaßen ausgeprägt, dass man es schon als Kunst betrachten kann."

Wenn Sie von Kreativität sprechen: An wen konkret richten sich denn diese Empfehlungen, wer ist denn so besonders kreativ?

"Die Münze hat zwei Seiten. Es sind nicht nur die Ämter oder die staatlichen Institutionen oder die Länder, es sind auch die, die Anträge stellen oder Institutionen, die dem Antragsteller behilflich ist. Die größte Intransparenz herrscht natürlich bei der Auswahl und bei der Auswertung der Projekte und bei der politischen Ingredienz in diesem Prozess. Die Politiker sind maßgeblich darin eingeschaltet, es gibt sehr viele Interessenskonflikte, es gibt natürlich ein Informationsvakuum in manchen Fällen und das alles zusammen bildet eine kreative Mischung, eine explosive Mischung, wo natürlich auch Korruption entstehen kann, aber meistens geht es um die schlechte Verwendung der öffentlichen Finanzen."

Stichwort Interessenskonflikt. In Tschechien gibt es jetzt ein neues Gesetz. Wo liegen die speziellen Reibungspunkte, was ist im Zusammenhang mit den Strukturfonds an diesem Gesetz falsch?

"An und für sich ist an diesem Gesetz nichts falsch. Die Applikation dieses Gesetzes ist natürlich nicht sehr erstrebenswert. Wir werden sehen, wie sich dieses neue Gesetz gerade in diesem Punkt der Ausschöpfung der Strukturfonds bewährt oder nicht bewährt, denn es gibt auf Landesebene Situationen, wo das Land der Antragsteller ist und zugleich auch der Antragauswerter und das ist ein massiver Interessenskonflikt, den man ausräumen muss und darauf wurde in diesem Gesetz nicht gedacht."

Hier sprechen Sie die Politiker an und die Gesetzesgebung. Gibt es abgesehen von der Gesetzesgebung und dem Gesetz über Interessenskonflikt auch noch andere Bereiche, die mit den Empfehlungen direkt angesprochen werden sollen oder andere Punkte, die ein Problem in diesem Zusammenhang darstellen?

"Speziell bei der Offenlegung der Projekte, sagen wir mal, der Informationsvolatilität. Die Informationsvolatilität ist hier in diesem Lande ein wenig begrenzt, denn wenn es darum geht, Informationen über die ausgewerteten Projekte zur Verfügung zu stellen, dann hapert es an der Bereitschaft. Das ist auch eines der Indizien, dass etwas nicht stimmt in dieser Situation. Die Argumente dagegen sind manchmal sehr lachhaft, wie zum Beispiel, dass man an Wirtschaftsgeheimnisse kommt oder weiß der Kuckuck was. Und das ist in Tschechien leider nicht der Fall, denn Transparenz ist nicht die Trade Mark von Tschechien."

Gibt es abgesehen von der Gesetzesgebung und diesem so genannten Informationsvakuum hinaus auch noch andere Punkte, die wichtig wären?

"Die Fähigkeit, gute Projekte einzureichen, damit man das Volumen der Strukturfonds ausschöpfen kann und damit es auch wirklich dazu dient, wofür es bestimmt wurde. Das ist auch ein Problem, das ist wiederum die Kapazität der Antragsteller. Es hängt auch damit zusammen, dass der ganze Prozess, der administrative Prozess dermaßen kompliziert ist, dass viele der Antragsteller nicht motiviert sind, sich um diese Strukturfonds zu bewerben. Noch dazu herrscht ein Informationschaos, die Terminologie ist nicht einheitlich, das heißt also, Institutionen benennen die selben Sachen anders und dann kann man sich vorstellen, wie sich in diesem Informationstohuwabohu, wie sich der Antragsteller so fühlt. Mir kommt es so vor, als ob ein Hightech-Raumschiff hier landen würde und wir können mit den Insassen nicht kommunizieren und wenn, dann kommunizieren wir falsch und wir können eigentlich die Technologie nicht nutzen, weil wir die Kapazität dafür nicht haben. Meiner Meinung nach wäre es wirklich sinnvoll, wenn man den Prozess vereinfachen könnte, mehr Transparenz in das System bringen und die Kontrollmechanismen verbessern und vereinfachen würde. Vereinfachen und verbessern, denn je mehr Transparenz man hat, umso weniger muss man kontrollieren und die Öffentlichkeit hat eine Möglichkeit, es zu kontrollieren und das nicht nur über die Kontrollinstitutionen. Und dann müssen wir natürlich die Politiker bei der Abstimmung über die Projekte aus dem Spiel bringen, Interessenskonflikte begrenzen und anfangen, transparenter mit den Budgets umzugehen."

Es handelt sich bei diesem Projekt um Empfehlungen. Werden Sie in absehbarer Zeit eine Art Kontrolle machen, ob diese Empfehlungen umgesetzt worden sind bzw. wie wird Ihre weitere Vorgangsweise diesbezüglich aussehen?

"Wir werden mit diesem Projekt im nächsten und übernächsten Jahr weitermachen, weil es offensichtlich ein Problem ist und wenn man nicht schnell und etwas Sinnvolles macht, dann wird es wirklich zu einem großen Problem bei der Möglichkeit und bei der Kapazität der Ausschöpfung kommen. Nach den Empfehlungen kommt die Diskussion. Wir diskutieren immer mit dem kontaminierten System oder mit denen, an die wir diese Empfehlungen richten, meistens sind das staatliche Institutionen oder die Regierung oder auch die Länder, alle diese Stakeholder-Groups. Dann kommt es eben zur Diskussion und bei einem Runden Tisch werden wir sehen, was möglich ist und was gleich möglich ist und was einen größeren Zeitraum braucht. Mal sehen, jetzt ist es neu, jetzt ist es frisch, auch die Empfehlungen umfassen 40 Seiten, sind kompliziert, es ist nicht einfach und man kann absehen, dass man wirklich umdenken sollte, wie man die Strukturfonds handhabt, weil ich sonst wirklich Probleme sehe. Das gilt auch für das Feld der Korruption, denn je komplizierter ein System ist, umso mehr Möglichkeiten gibt es, es auszunutzen."





Folgende Hinweise bringen Ihnen noch mehr Informationen über den Integrationsprozess Tschechiens in die Europäische Union:



www.integrace.cz - Integrace - Zeitschrift für europäische Studien und den Osterweiterungsprozess der Europäischen Union

www.euroskop.cz

www.evropska-unie.cz/eng/

www.euractiv.com - EU News, Policy Positions and EU Actors online

www.auswaertiges-amt.de - Auswärtiges Amt