Globalisiertes Einerlei

Einkaufszentrum Zlatý Andel, Nový Smíchov

Prag gehört heute zu den beliebtesten europäischen Touristendestinationen. Und es hat einiges zu bieten für die, die gerne einkaufen oder shoppen, wie man heute sagt. Prag ein grosses Einkaufszentrum also. Mit allen positiven und negativen Konsequenzen. Dazu im folgenden Feuilleton ein paar nachdenkliche Überlegungen von Alexander Schneller.

Prag, die altehrwürdige Stadt, hat sich in den letzten Jahren mächtig gewandelt. Von einer immer schon schönen, geheimnisvollen, archtektonisch überwältigenden, aber zu sozialistischen Zeiten doch eher düsteren, miefigen Stadt, zu einer pulsierenden, vitalen und farbigen Metropole. Und hatte man früher Mühe, Restaurants zu finden, deren Speisekarte auch hielt, was sie versprach, oder Geschäfte, deren Sortiment z.B über zwei verschiedene Paare Winterschuhe hinaus ging, hat der Kapitalismus diesbezüglich natürlich die Wende gebracht und Prag in ein Konsumentenparadies verwandelt. Und so bekommt man hier praktisch alles, was das Herz begehrt, und das im Überfluss. Sofern man über das nötige Kleingeld verfügt, wohlgemerkt.

Mit atemberaubender Geschwindigkeit werden vor allem an der Periferie der Stadt ein Megagigahypereinkaufszentrum nach dem anderen hochgezogen. Im Zentrum wachsen vor allem Klamottenläden und Glaswarengeschäfte, aber auch Bars und Cafés sowie Restaurants wie Pilze aus dem Boden. Vor allem, was die Restaurants angeht, kann man sagen, dass Prag kulinarisch tatsächlich inzwischen zu den Spitzenreitern in Europa gehört.

Einkaufszentrum Zlatý Andel,  Nový Smíchov
Aber alles hat, wie wir wissen, seinen Preis. Wenn ich heute z.B. durch die Einkaufsmeile "Na príkope" (Am Graben) schlendere oder mich in einer der unzähligen Einkaufspassagen aufhalte, dann beschleicht mich immer häufiger die Frage: "Wo befinde ich mich eigentlich? Bin ich wirklich in Prag, oder könnte das nicht ebenso Berlin, Paris, Mailand oder New York sein?" Noch bedrängender wird diese Frage in einer der Einkaufszentren am Stadtrand, in Zlicín, in Cerný most, in Hostivar und wie sie alle heissen. Überall dieselben Geschäfte internationaler Couleur, überall dasselbe Design, dieselben Trends. Globalisierte Einkaufswelt eben. Die Unverwechselbarkeit des lokalen Kolorits verschwindet so zunehmend. Damit meine ich natürlich nicht die Grossartigkeit des ewigen Prag mit seinen suggestiven Szenerien. Auch nicht die vielen originellen Geschäfte und Restaurants, die es gibt, zum Glück immer noch gibt. Auch der Charme altpragerischer Kneipen ist davon ausgenommen. Aber zunehmend nimmt, quasi als Pendant zur sozialistischen Tristesse von einst, ein globalisiertes Einerlei überhand, das zwar schrill, farbig und laut, aber auf die Dauer eher langweilig und vor allem uncharakteristisch, auswechselbar ist. Zum Glück gibt es in Prag nach wie vor viel Originales und Originelles, Eigenständiges, Unverwechselbares. Und so können wir vor allem ausserhalb des Zentrums, z.B. in den Quartieren Vinohrady, Zizkov oder Smíchov, echte Prager Atmosphäre erleben. Es ist zu hoffen, dass das noch lange so bleibt.