Drogenproblem macht vor der Grenze nicht halt: Zukunftsfonds fördert die Prävention

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Der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds hat die grenzüberschreitende Zusammenarbeit bei der Drogenprävention zu seinem Schwerpunkt-Thema des Jahres 2014 erklärt. Dazu stellt er in diesem Jahr mindestens 250.000 Euro für rund 40 gemeinsame Projekte von deutschen und tschechischen Partnern bereit. Besonders Crystal Speed ist eine extrem gefährliche Droge, die sich seit mehreren Jahren im Grenzgebiet zwischen Deutschland und Tschechien stetig ausbreitet. Im Folgenden mehr darüber und über den Kampf gegen die Drogen.

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Crystal Meth – Speed – Pervitin – Partydroge: Gleich mehrere Namen gibt es für das äußerlich gefährliche Betäubungsmittel, das in der letzten Zeit immer beliebter geworden ist. Schon der einmalige Konsum könne eine Überdosierung bedeuten und sehr schnell zu einer psychischen Abhängigkeit mit schweren körperlichen Schäden führen, warnen Experten. Seit einigen Jahren steigen vor allem im tschechisch-deutschen Grenzgebiet der Handel und der Konsum der Droge Crystal stetig an. Sie wird zumeist in Tschechien hergestellt und über die Grenze nach Deutschland geschmuggelt. Gerhard Krones ist Leiter der Fachambulanz für Suchtprobleme bei der Caritas in Weiden:

Gerhard Krones  (Foto: Archiv der Caritas)
„Seit ungefähr 2011 haben wir einen rasanten Anstieg von Crystal-Konsumenten. Ein Großteil dieser Substanzen, die in Deutschland konsumiert werden, ist zunächst einfach auf der tschechischen Seite besorgt worden. Aber, und das ist eine ganz wichtige Information: Die Konsumenten, mit denen wir heute in Kontakt kommen, berichten häufig davon, dass sie bereits seit zehn Jahren Crystal konsumieren. Das bedeutet, dass es bereits in dieser Zeit in Deutschland auch Produktionsstätten gegeben hat. Das ist eine wichtige Information, die auch berücksichtigt werden muss.“

Der Drogenschmuggel zwischen Tschechien und Deutschland war zunächst eine individuelle Sache, beschreibt Krones. Wegen einiger Maßnahmen auf der deutschen Seite habe sich die Lage aber verändert:

„Die erste Zeit war es tatsächlich so, dass ein Großteil der jungen Menschen wirklich mit minimalen Euro-Beträgen in Tschechien auf Asia-Märkten eingekauft hat. Aber auf der deutschen Seite ist durch die Schleierfahndung und die Interventionen der Staatsanwaltschaft mit Untersuchungshaft sehr viel Abschreckung betrieben worden, so dass sich der Handel neu aufgestellt hat und organisiert hat. Das heißt, dass einfach Dealer mit größeren Mengen von Tschechien nach Deutschland herübergekommen sind. Wir stellen jetzt fest, dass der Transport nun nicht mehr nur im Grammbereich, sondern im Kilogrammbereich ist. Das ist eine ganz andere Dimension.“

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Ein Vergleich der Preise für Crystal auf beiden Seiten der Grenzen spricht bisher eindeutig für den Einkauf in Tschechien.

„Bisher war es natürlich eindeutig günstiger, diese Droge in Tschechien zu kaufen. Beim ersten Mal war es oft auch eine geschenkte Menge, und dann hat sich der Preis in einer Dimension von 10 bis 20 Euro für einen Gramm eingepegelt. In Deutschland bezahlt man auf dem Schwarzmarkt 100 bis 110 Euro für ein Gramm.“

Doch Gerhard Krones unterstreicht, dass es vereinfacht wäre, den Crystal-Konsum nur anhand jenes Bildes zu beschreiben: Produktion in Tschechien, Konsum in Deutschland:

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„Wir müssen überhaupt davon ausgehen, denke ich, dass die Herstellung von Crystal und dessen, was in Deutschland auf den Markt kommt, nicht ausschließlich aus irgendwelchen tschechischen Drogenküchen kommt. Diese Kleinküchen haben gar nicht die Möglichkeit, in dieser Dimension zu produzieren. Wenn man einfach die Liefermärkte in Europa anschaut, muss es größere Einrichtungen geben, die für einen Markt produzieren. Und man muss davon ausgehen, dass sich hier auch mafiaartige Strukturen etablieren.“

Der Experte nennt gleich mehrere weitere Regionen, aus denen Crystal nach Deutschland geliefert wird. So wird das Metamphetamin auch aus Afrika, China und Litauen eingeführt. Das Problem habe also nicht ausschließlich eine tschechische oder eine deutsche Dimension, sondern eine europäische, betont Krones.

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Doch die Herstellung von Crystal ist eine Sache, die Suchtprävention eine andere. In der Oberpfalz ist nun eine Initiative namens „Need no Speed“ entstanden. Sie vernetzt Suchtberatung, Jugendarbeit und Polizei. Man müsse vor allem die Prävention stärker strukturell und finanziell verankern, sagt Gerhard Krones. Und das ist auch das Ziel des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds. Er hat das „gemeinsame zivilgesellschaftliche Engagement von Tschechen und Deutschen in der Drogenprävention“ zum Thema des Jahres 2014 erklärt. Akteure der Bürgergesellschaft und des Bildungsbereiches in beiden Ländern werden aufgefordert, bei der Drogenprävention grenzüberschreitend zusammenzuarbeiten. Ihre Projekte werden seitens des Fonds bis zu 70 Prozent der Gesamtkosten gefördert. Wichtig seien dabei auch der Informationsaustausch und die gründliche Analyse des Problems, sagt Geschäftsführer des Zukunftsfonds, Tomáš Jelínek:

Tomáš Jelínek  (Foto: Archiv des Zukunftsfonds)
„Es geht uns in erster Linie auch darum, dass man gerade gemeinsam eine tiefere Analyse des Problems vornimmt. Darauf können dann Projekte aufbauen, die sich mit Drogenprävention beschäftigen und die Prävention auch anwenden – und zwar innovativ und überzeugend aufgrund der vorherigen Analyse. Denn viele Modelle funktionieren nicht mehr, wie wir festgestellt haben. Also Prävention und gemeinsame Analyse sind eigentlich die zwei wichtigsten Punkte.“

Welches sind laut Tomáš Jelínek aber nicht funktionierende Präventionsmodelle?

„Das sind Modelle, die auf die Zielgruppe nicht richtig eingehen, die die Schule und die Eltern nicht einbeziehen, die keine durchdachte, komplexe Herangehensweise bieten, sondern die ganze Problematik eher oberflächlich angehen.“

Foto: ČT24
Der Experte Gerhard Krones betont, man müsse in die Jugendzentren gehen, Schüler und Eltern aufklären und Fachkräfte für die Prävention ausbilden. Ohne eine stärkere Zusammenarbeit mit den tschechischen Partnern sei der Kampf gegen den Drogenmissbrauch aussichtslos.

„Die ideale Prävention von der Vorstellung her ist noch nicht wirklich in meinem Kopf, aber auf der deutschen Seite sind wir jetzt im Moment dabei, die Kräfte zu bündeln, um die Prävention neu aufzustellen und zu verankern. Das heißt, wir werden als Erstes wieder eine Art Beirat gründen. Wir werden Vertreter aus Wissenschaft, aus der Praxis, aber auch, wenn es irgendwie möglich ist, aus beiden Staaten in diesen Beirat hineinnehmen. Meine Vision ist im Endeffekt, dass wir vielleicht eine grenzübergreifende Präventions- und Koordinationsstelle schaffen, die dann auf der Grundlage einer Analyse der Situation Modelle und Konzepte entwickelt und evaluiert, die möglicherweise hilfreich sein können.“

‚Need no speed’
Dabei bestehen schon jetzt grenzüberschreitende Erfahrungen. Man sucht nach Kontakten in Tschechien, die man künftig noch intensivieren will:

„Innerhalb dieses Jahres, wo wir als Initiative ‚Need no speed’ aktiv sind, hat sich einiges zumindest im deutsch-tschechischen Erfahrungsaustausch ergeben. Wir haben doch schon einige Veranstaltungen auf deutscher Seite organisiert, an denen auch Gäste aus Tschechien teilgenommen haben. Darauf aufbauend hat sich jetzt der so genannte Deutsch-Tschechische Dialog zwischen Bayern, Sachsen und Tschechien entwickelt. Vertreter der Polizei, der Drogenbekämpfungsorganisationen, Therapeuten, Präventionsfachkräfte und Menschen aus der Jugendarbeit nehmen daran teil.“

Im April fand bereits der dritte Deutsch-Tschechische Dialog statt, erstmals in Tschechien. Dabei wurde in Prag erneut darüber diskutiert, wie eine sinnvolle Drogenprävention aussehen könnte.


Dieser Beitrag wurde am 28. November 2013 gesendet. Heute konnten Sie seine Wiederholung hören.