Mission possible für den Schauspieler Ivan Shvedoff

Ivan Shvedoff (Foto: Archiv von Ivan Shvedoff)

Er kam aus Petersburg, wo schwarze Schafe weiße Raben sind, und hat einen der wichtigsten deutschen Film- und Fernsehpreise, den Grimme-Preis eingeheimst: der Wahl-Prager Ivan Shvedoff. Christian Rühmkorf hat ihn in seiner Prager Lieblingskneipe getroffen. Und Ivan Shvedoff spricht überraschenderweise perfekt Deutsch.

Ivan Shvedoff
„Weißer Rabe. Alle Raben sind schwarz, und ich bin ein weißer Rabe in unserer Familie. Nein, ich weiß nicht, ich bin einfach Schauspieler.“

Ein Schauspieler mit Erfolg. Vor kurzem kam er aus Dubai zurück, bald bricht er nach Kanada auf: Dreharbeiten mit Tom Cruise. Mission possible für Ivan Shvedoff. Der 41-jährige, schmächtige und unscheinbare Russe ist viel unterwegs. Aber die Hälfte seines Lebens hat er in der kommunistischen Sowjetunion verbracht, in Leningrad - St. Petersburg.

„Trotzdem ich war total glücklich. Und manchmal vermisse ich diese Zeit.“

Ivan Shvedoff  (Foto: Archiv von Ivan Shvedoff)
Als Sohn eines Kapitäns der zivilen Schifffahrt und einer Innenarchitektin gehörte Ivan Shvedoff nach damaligen Maßstäben zur oberen Mittelschicht in Russland. Wenn sein Vater nach mehreren Wochen von der See zurückkam, brachte er Westartikel mit. Alles, was Ivans Klassenkameraden nicht hatten: Kaugummi, Musik, Jeans – und Kapitäne auf Heimaturlaub sollten ihrer Familie etwas bieten können:

„Jeden Abend Theater, Kino und so weiter, und wir kriegten immer Karten auf den besten Plätzen“, erzählt der Russe mit kleinen aber wachen blauen Augen im Hinterzimmer seiner Prager Lieblingskneipe.

Ob daher der Wunsch rühre Schauspieler zu werden? Ivan Shvedoff setzt das Weinglas ab und überlegt. Als Kind habe er viele Berufe im Kopf gehabt. Aber Schauspieler zu sein, hatte einfach einen unschätzbaren Vorteil:

Ivan Shvedoff  (Foto: Archiv von Ivan Shvedoff)
„Wenn Du ein Schauspieler bist, dann du kriegst das alles: Du kannst ein Kosmonaut sein oder in einem Helikopter fliegen oder mit dem U-Boot ins Meer gehen, also alles Mögliche.“

In der heißen Perestroika-Phase Ende der 80er Jahre lernt Ivan Shvedoff sein Fach an der Staatlichen Theaterakademie in Petersburg. Aber als er 1991 die Abschlussprüfungen hinter sich hat, ist auch die sowjetische Filmindustrie zusammengebrochen.

„´Ladies and Gentlemen, everthing is easy, alright!? And the next tag is…´ So habe ich das gemacht. Aber auf Russisch natürlich. Megaphon und Zigarre. ´And now, Ladies and Gentlemen, please give a big round of applause to Leonid Agutin!´”

Der Mime hält sich als Conferencier eines großen Petersburger Nachtclubs über Wasser. Ein russisches High-Society-Milieu. Es war gut, das kennenzulernen – und es war ebenso gut, nicht wirklich Teil davon zu sein.

David Copperfield
„Ne, ich werde das nie vergessen, weil ich hab so viele interessante – ich sage nicht gute! – ich sage: interessante Leute getroffen. Und natürlich, das wirkt sehr gut für meine Schauspiel-Erfahrung.“

Diese Erfahrung nutzt Shvedoff, als er Ende der 90er Jahre als schauspielender Übersetzer mit dem Magier David Copperfield auf russischen Bühnen steht. Zu dieser Zeit hat er schon kleinere Rollen gespielt. Vor allem russische Mafiosi waren damals gefragt:

„Ich habe nichts dagegen, einen Mafioso oder einen Kriminellen zu spielen. Aber das muss eine Figur sein, ein Charakter. Wenn es aber nur eine Funktion ist, wie ein Nagel in einem riesigen Gebäude, dann interessiert mich das nicht.“

Ivan Shvedoff im Film „England“  (Foto: Archiv von Ivan Shvedoff)
Ein in Tschernobyl verstrahlter Ukrainer, der in England sein Glück sucht – 2001 feiert Ivan Shvedoff seinen Durchbruch mit dieser Hauptrolle in Achim von Borries sensiblem Debütfilm „England“.

Zu dieser Zeit lebt er schon mit seiner Frau Alisa, einer russischen Journalistin, in Prag. Prag war für den Schauspieler die Brücke zwischen Ost und West. Von hier aus schafft er auch den Sprung in anspruchsvollere Produktionen. Als ukrainischer Flüchtling Kolya im Film „Lichter“; als schüchterner Deutschrusse Mitja im Film „Zuckerbrot“.

Ivan Shvedoff im Film „Zuckerbrot“
Die Entscheidung Petersburg zu verlassen, hatte Ivan Shvedoff seiner Zukünftigen damals mit dem Heiratsantrag präsentiert. Die kleine Tochter Daniela liest mit ihren drei Jahren schon russische Kinderbücher, spricht Tschechisch, ein bisschen Englisch und auch Deutsch, erzählt der Vater stolz:

„In einer normalen Familie ererbt das Kind die Schönheit der Mutter und die Intelligenz vom Vater. In unserer Familie ererbt unsere Tochter alles von der Mutter – Schönheit und Intelligenz.“

Ivan Shvedoff  (Foto: Archiv von Ivan Shvedoff)
Ivan Svedoff gibt sich bescheiden – 2003 erhält er den begehrten Grimme-Preis für seine Rolle in „Zuckerbrot“.

„Ich erinnere mich an dieses Telefongespräch: ´Guten Tag, wir rufen Sie an, um Ihnen zu sagen, dass Sie einen Grimme-Preis kriegen.´ Und dann kam eine Pause, und ich habe gesagt: ´Danke! Und was ist das? Ist das ein wichtiger Preis?´ Schon wieder eine lange Pause: ´Das ist der wichtigste Preis in Deutschland!´“

Shvedoffs Agentin in Berlin war fassungslos, seine Frau in Prag auch. Alisa ist für ihn die Zentrale, wenn er in Europa auf Dreh ist. Ist der 41-Jährige zu Hause, dann geht die Arbeit trotzdem weiter:

Ivan Shvedoff  (Foto: Archiv von Ivan Shvedoff)
„Wenn unsere Tochter im Bett ist, dann haben wir Zeit, etwas zusammen zu entwickeln.“

So ist das Drehbuch für einen Weihnachtskinofilm entstanden. Alles dreht sich um einen Karpfen – ganz nach böhmischer Art. Das passt: In Prag fühlt sich Ivan Shvedoff zu Hause. Fast – denn Heimat ist für ihn vor allem:

„Wo meine Frau und mein Kind sind. Das reicht für mich. Und es ist egal, in welchem Land das ist.“