Tschechien und Deutschland feiern:15 Jahre Zukunftsfonds und Gesprächsforum

Der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds fördert Projekte, die helfen, dass sich die Bewohner beider Länder besser verstehen. Entstanden ist der Fonds im Dezember 1997, doch es dauerte ein paar Monate, bis er seine Arbeit auch wirklich aufnahm. Deswegen wird erst jetzt, im Mai und Juni, das 15-jährige Jubiläum gefeiert. Geburtstag hat zudem auch das Deutsch-Tschechische Gesprächsforum, das vom Fonds gefördert wird und in den Anfangstagen entstanden ist. Das Forum bietet die Basis für breite Diskussionen von Politikern, Wissenschaftlern und Vertretern von Vereinen und Verbänden aus Tschechien und Deutschland. Wie es sich gehört, wird sowohl in Berlin als auch in Prag gefeiert. Am Dienstag fand der Festakt in Deutschland statt.

Max Stadler  (Archiv der FDP-Fraktion)
Es war eine Feier, der ein tragisches Ereignis vorausgegangen war. Der deutsche Vorsitzende des Gesprächsforums, Max Stadler, war am Sonntag plötzlich und unerwartet verstorben. Der bayerische FDP-Politiker hatte sich sehr für die tschechisch-deutsche Verständigung eingesetzt. Noch vor kurzem sei Stadler in Prag gewesen, erinnerte der Senator und tschechische Vorsitzende des Gesprächsforums, Luděk Sefzig, bei der Feier in Berlin:

„Wir haben uns vergangene Woche zu Gesprächen in Prag getroffen und uns von Max Stadler mit den Worten verabschiedet: bis nächsten Dienstag. Leider weilt Max nicht mehr unter uns. Wir hätten hier gemeinsam die Veranstaltung eröffnen sollen. Er hat sich nicht nur als Co-Vorsitzender des Gesprächsforums für die tschechisch-deutschen Beziehungen engagiert, sondern hatte auch großen Verdienst daran, dass alle Opfer des Nationalsozialismus und ehemalige Zwangsarbeiter entschädigt wurden. Wir werden Max niemals vergessen.“

Luděk Sefzig  (Foto: Archiv von Luděk Sefzig)
Auf Sefzigs Aufforderung legten die geladenen Gäste eine Schweigeminute ein für Max Stadler, der auf einem Golfplatz einen plötzlichen Herztod erlitten hat.

Insgesamt waren rund 150 Politiker und Engagierte aus Tschechien und Deutschland in die Räume der Parlamentarischen Gesellschaft Berlin gekommen. Darunter auch hoher Besuch, denn das Gesprächsforum gilt als eine der Schlüsselinstitutionen beider Länder. So sprach zum Beispiel Bundestagspräsident Norbert Lammert zu den Gästen. Er hob hervor, dass eine dreifache Plattform für die Zusammenarbeit entstanden sei:

„Das sind die Beziehungen zwischen den Regierungen, die gut sind, wie sich das gehört. Daneben entstanden eine neue Plattform parlamentarischer Beziehungen, die es vorher gar nicht gab, und eine immer breiter werdende Plattform ziviler, bürgerschaftlicher Aktivitäten. Und dass das eine nicht völlig isoliert neben dem anderen steht, sondern in einer immer vielfältigeren Weise ineinander verzahnt ist, das halte ich für die eigentliche Erfolgsgeschichte dieses Zukunftsfonds und dieses Gesprächsforums.“

Karel Schwarzenberg  (Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Von tschechischer Seite war Außenminister Karel Schwarzenberg gekommen, er hatte zuvor Gespräche unter anderem mit seinem deutschen Amtskollegen Guido Westerwelle geführt. Die Beziehungen beider Länder gelten seit Jahren als hervorragend, die Grundlage entstand bereits 1992 durch den Deutsch-Tschechoslowakischen Vertrag über gute Nachbarschaft und durch die Deutsch-Tschechische Erklärung von 1997. Welchen Anteil an der Entwicklung misst Schwarzenberg als zuständiger Minister aber dem Zukunftsfonds bei?

„Eine gigantische, eine wirklich wesentliche. Regierungen und Minister können Verträge schließen, die zwei wichtigsten waren ja gerade geschlossen worden: Aber das Ganze musste noch mit Leben erfüllt werden, und das wäre ohne den Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds nicht gegangen. Daraus ist auch eine breite gesellschaftliche Diskussion entstanden. Die unzähligen Projekte, die der Zukunftsfonds gefördert hat, waren hier wirklich elementar. Ich wage zu behaupten: Ohne den Fonds und ohne das Gesprächsforum wären die Beziehungen bei weitem nicht so gut wie heute. Sie wären offiziell korrekt. Aber das nahezu herzliche Verhältnis und die hervorragende Zusammenarbeit, die wir heute haben, wären so nicht möglich gewesen. Es hilft alles nicht: Die Zusammenarbeit der Bevölkerung, die Versöhnung und die Bewältigung der Vergangenheit sind eine zu ernste Sache, als dass man sie allein den Politikern überlassen kann.“

Der tschechische Außenminister gibt allerdings zu, selbst „überhaupt keine Rolle“ bei der Entstehung des Zukunftsfonds gespielt zu haben. Er hatte sich zu der Zeit aus der Politik zurückgezogen. Aber Gedanken gemacht, dass hatte sich Karel Schwarzenberg durchaus:

„Es war mir bewusst, dass dieses Gremium eine große Bedeutung haben würde, aber dass es auch einige Zeit bräuchte, bevor das Gespräch wirklich gestartet wäre. Mir war zudem klar, dass es einige Themen gab, die wir bereden mussten – und dass dafür zumindest eine Generation notwendig sein wird.“

Kristina Larischová  (Foto: Archiv der Friedrich Ebert Stiftung)
Gemäß dieser Einschätzung müsste man sagen: 15 Jahre sind erst die Halbzeit. Kristina Larischová steht dem Verwaltungsrat des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds für die tschechische Seite vor. Sie kann auch anhand der Zahlen erläutern, was erreicht wurde. Zugleich bestätigt Larischová, dass es noch genügend zu tun gibt:

„Ich halte die Errungenschaften, die wir vorzeigen können, für phantastisch. Es wurden 7500 Projekte während der letzten 15 Jahre gefördert. Die meisten waren Kleinprojekte, bei denen es darum ging, dass die Menschen einander begegnen. Solche Projekte fördern wir besonders gerne. Die Schlussfolgerung ist die: Wir haben jährlich mehr als 20 Prozent an Anträgen, die von Erstantragsstellern kommen. Das bedeutet, dass der Zukunftsfonds nach wie vor aktuell ist und wir weiterhin ein großes Potenzial zum Ausbau der deutsch-tschechischen Beziehungen haben.“

Foto: creativedoxfoto,  FreeDigitalPhotos.net
Das Spektrum der geförderten Projekte ist im Übrigen sehr breit. Es gehören dazu unzählige Austauschprojekte, wie zum Beispiel die Begegnungen von Schülern von beiderseits der Grenze oder Aufenthalte an Gastschulen. Natürlich sind auch kulturelle Veranstaltungen darunter, so etwa das deutsche Theaterfestival in Prag oder das Festival Mitte Europa. Eines der neuen Vorhaben und ein gutes Beispiel für einen Erstantrag ist der Aufbau eines gemeinsamen tschechisch-deutschen Jugendorchesters. Darüber hinaus gibt es Initiativen zur Aufarbeitung der gemeinsamen Geschichte wie Antikomplex. Aber auch der Sport gehört dazu, so beispielsweise die Deutsch-Tschechische Fußballschule.

Die gute Zusammenarbeit zeigt sich indes nicht nur in den Projekten, sondern auch im Stiftungsfonds selbst. Albrecht Schläger ist deutscher Vorsitzender des Verwaltungsrates des Zukunftsfonds.

Albrecht Schläger  (Foto: Archiv der SPD)
„Ich muss sagen, schon vor zehn Jahren haben die vier tschechischen und die vier deutschen Mitglieder des Verwaltungsrates wundervoll zusammengearbeitet. In dieser Tradition hat sich der Fonds weiterentwickelt. Es gibt nie Abstimmungen, bei denen vier gegen vier stehen, sondern fast immer nur einstimmige Entscheidungen. Und wenn jemand einmal eine andere Meinung hat, dann gibt es halt mal eine. Aber das geht quer durch. Nie stimmen also Deutsche gegen Tschechen ab.“

Der Verwaltungsrat des Fonds kommt viermal im Jahr zusammen und verteilt bei jeder Sitzung in der Regel rund eine Million Euro an Fördergeldern. Diese Gelder kommen vom deutschen und vom tschechischen Staat, wobei Berlin 80 Prozent bereitstellt und Prag 20 Prozent. Auf deutscher Seite genehmigt der Bundestag die Förderung, und zwar immer für zehn Jahre. In den ersten zehn Jahren stand vor allem die Entschädigung von NS-Opfern und ehemaligen Zwangsarbeitern im Vordergrund. In der zweiten Förderphase werden dagegen umso mehr grenzüberschreitende Projekte gefördert. Dafür wurden 2007 die Gelder sogar aufgestockt. Für die Zeit ab 2017 streben die Beteiligten eine dritte Phase an.


Christian Schmidt  (Foto: Archiv von Christian Schmidt)
Dass der Zukunftsfonds entstehen soll, war damals im Jahr 1997 direkt in der Deutsch-Tschechischen Erklärung verankert worden. Der CSU-Bundestagsabgeordnete und parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium Christian Schmidt hat die Entstehung der Erklärung, des Fonds und des Gesprächsforums mit begleitet. Im Interview für Radio Prag erläutert er die Anfänge:

Herr Staatssekretär, Sie waren bei der Entstehung der deutsch-tschechischen Erklärung und natürlich auch des Zukunftsfonds dabei. Gab es Diskussionen zwischen beiden Seiten oder innerhalb der jeweiligen Fraktionen darüber, ob der Zukunftsfonds überhaupt entsteht - oder war das relativ schnell eine beschlossene Sache?

„Es war doch eine längere Diskussion, auch über die Frage, welche Inhalte dieser Zukunftsfonds haben soll. Der Grundsatz war schnell gefunden, aber die Details waren dann schwieriger. Wir hatten das Prinzip, dass die Beiträge von beiden Seiten kommen sollten. Wir hatten uns auch vorgenommen, die offenen Fragen der Vergangenheit mit diesem Fonds zu lösen, aber eben auch die der Zukunft. Die Diskussion hat schnell gezeigt, dass es in der Vorbereitung des Fonds und der Erklärung sehr viel Diskussionsnotwendigkeit gibt. Deshalb haben wir dieses Gesprächsforum erfunden, um die Dinge weiter zu diskutieren und zu gestalten. Die Entscheidungen werden dann im Verwaltungsrat des Zukunftsfonds getroffen, beispielweise bei der Förderung von in die Zukunft gerichteten Themen und bei der Entschädigung von Zwangsarbeitern. Zur Entschädigung der Opfer der Vertreibung kam es dann zwar nicht ganz, aber es hatte einen gemeinsamen Ansatz dazu gegeben. Wir mussten aber eigentlich während der ersten Monate und Jahre erst lernen, wie man die Entscheidungen am besten strukturiert. Da waren manche Enttäuschungen dabei, tolle Ideen, die nicht funktioniert haben. Es waren aber auch viele gute Erfahrungen dabei, beispielweise dass wir uns sehr schnell einigen konnten, welche Themen die Jahreskonferenzen haben sollten.“

Foto: graur razvan ionut,  FreeDigitalPhotos.net
Der Zukunftsfonds wird zu 80 Prozent von deutscher Seite und zu 20 Prozent von tschechischer Seite finanziert. Waren die Finanzen am Anfang ein großes Diskussionsthema?

„Wir hatten am Anfang ein Volumen von 140 Millionen Mark, und es war von vornherein klar, dass der deutsche Anteil höher sein wird, weil wir auch eine gewisse unterschiedliche Proportionalität in der Leistungsfähigkeit der Länder sahen. Ansonsten war das eigentlich nie ein richtiges Thema. Spannend war aber, ob beide Seiten bei der Aufstockung der Gelder mitmachen würden. Und da war es schön zu sehen, dass dies beide Seiten als notwendig gesehen haben - unter den üblichen haushaltspolitischen Diskussionen, die es in den Parlamenten natürlich gibt. Ich hoffe nun für die dritte Runde, die in einigen Jahren ansteht, angesichts von zwei sehr leistungsfähigen Staaten und ihren öffentlichen Haushalten auf die Möglichkeit, dass noch mehr Geld kommt. Damit soll nicht ein Finanzvolumen aufgebläht werden, sondern es sollen damit die Projekte fortgeführt werden können.“

Deutscher Bundestag  (Foto: Gerald Schubert)
Wie schwierig könnte die Entscheidung werden?

„Der Deutsche Bundestag ist schon sehr kritisch. Er will wirklich sehen, dass die Mittel zweckmäßig verwendet werden. Wenn von tschechischer Seite ein entsprechender Anteil noch hinzukommen würde, dann würde dies dem deutschen Bundestag die Entscheidung erleichtern. Wie viel Prozent mehr das dann sind, wird man sehen, aber man wird sich sicher auch noch einen höheren Anteil vorstellen können.“