Prämierte Webseite: Sticken lernen im Netz

Audiovisuelles Projekt des Comenius-Museums in Uherský Brod zeigt Stickerei-Arbeiten (Foto: Archiv des Comenius-Museums in Uherský Brod)

Das Comenius-Museum im südmährischen Uherský Brod konnte Ende Mai einen bedeutenden Erfolg feiern. Beim internationalen Festival der audiovisuellen Medien für das Kulturelle Erbe erhielt es eine der Goldmedaillen, und zwar für seinen Internetauftritt mit Stickanleitungen.

Audiovisuelles Projekt des Comenius-Museums in Uherský Brod zeigt Stickerei-Arbeiten  (Foto: Archiv des Comenius-Museums in Uherský Brod)
Das Festival findet seit 1996 alljährlich an wechselnden Orten statt. Veranstalter ist das Fachkomitee für Audiovision, neue Technologien und Social Media beim Internationalen Museumsrat der Unesco. In diesem Jahr gastierte die Veranstaltung im LVR-Freilichtmuseum Kommern (Nordrhein-Westfalen). Ende Mai wurden dort in sieben Kategorien je eine Gold-, Silber- und Bronze-Medaille an die eingereichten Beiträge vergeben. In der Sparte für Websites-Kreationen, interaktive Programme und Installationen in Ausstellungen machte ein audiovisuelles Projekt des Comenius-Museums in Uherský Brod / Ungarisch Brod das Rennen. Es zeigt traditionelle und teils historische Stickerei-Arbeiten aus der Region. Marie Kadlčíková hat dieses Projekt gestaltet, sie nahm auch die Goldmedaille in Kommern persönlich entgegen.

Marie Kadlčíková  (Foto: Archiv von Marie Kadlčíková)
„Den ersten Preis haben wir für die Webseite zur Ausstellung ‚Ein Handwerk wie gestickt‘ gewonnen, diese ist im vergangenen Herbst in unserem Museum eröffnet worden. Auf der Webseite präsentieren wir über 70 Stickmuster mit genauen Anleitungen. Sie lassen sich nach Typen aufrufen oder nach dem jeweiligen Ort unserer Region, in dem sie bei den Trachten bevorzugt wurden oder werden. Es ist eine große Ehre für uns, dass das Projekt in der Konkurrenz renommierter Museen zum Beispiel aus Russland, Italien, Spanien oder China den ersten Preis gewonnen hat.“

Zu den weiteren Medaillengewinnern gehörten Museen mit klangvollen Namen wie das Palastmuseum Peking, das Historische Museum der Stadt Shanghai, das Van-Gogh-Museum in Amsterdam, das Kreml-Museum in Moskau oder der Päpstliche Palast im französischen Avignon.

Museen mit klangvollen Namen ausgestochen

Große Hoffnungen auf eine Medaille habe man sich beim Einreichen des Projektes nicht gemacht, gesteht Kadlčíková:

Foto: Archiv des tschechischen Kulturministeriums
„Unsere Hauptambition war, das Projekt als solches zu propagieren und in der Öffentlichkeit hierzulande bekanntzumachen. Dass wir sogar die höchste Auszeichnung bekommen haben, ist für uns eine Überraschung. Unser Projekt wurde von einer internationalen zwölfköpfigen Jury per Internet-Abstimmung bewertet. Über die Platzierung hat also die Summe der abgegebenen Stimmen entschieden. Eine offizielle verbale Bewertung gab es nicht. Ich habe aber ein großes Interesse der Jury für das Thema unseres Projektes ausgemacht. Die anderen Bewerber haben teils wunderbare Präsentationen im Web, oft mithilfe virtueller Rundgänge. Unser Projekt könnte man im Vergleich als eher ungewöhnlich bezeichnen.“

Das Comenius-Museum Uherský Brod blickt auf 120 Jahre Geschichte zurück. Bei der Gründung 1898 ging es vor allem darum, sich mit der Historie der Stadt und der Region sowie mit dem örtlichen Brauchtum zu beschäftigen. Comenius´ Namen nahm das Museum erst 1945 an. Der Theologe und Pädagoge wurde 1592 in der Markgrafschaft Mähren geboren. Heute dokumentiert eine Exposition auch das Leben und Werk dieses bedeutenden Denkers.

Foto: Archiv des tschechischen Kulturministeriums

Foto: YouTube Kanal des Comenius-Museums in Uherský Brod
Zwar stehen Erhalt und Pflege des kulturellen Erbes der Region im Mittelpunkt, doch zunehmend soll dies auf innovative beziehungsweise interaktive Weise den Besuchern und Interessierten vermittelt werden. Marie Kadlčíková zufolge wird in diesem Sinne auch die Webseite mit den Stickmustern weiter ausgestaltet. Demnächst soll sie um Videos mit Web-Techniken ergänzt werden. Und weitere traditionelle Handwerksberufe sollen folgen. Wie bei den Stickmuster-Tutorials soll es bewegte Bilder geben:

„Wir setzen dabei auf die Stop-Motion-Technik. Die einzelnen Bilder kann man sowohl in schneller Folge laufen lassen, als auch jeden einzelnen Stich stoppen, um deutlich zu sehen, wohin die Nadel in welchem Winkel in den Stoff gesteckt wird. Das Tempo lässt sich dabei selbst bestimmen. Meiner Meinung nach ist es nicht so einfach, Sticken nur per Anleitung aus dem Buch zu erlernen.“

Stickanleitungen in Stop-Motion-Technik

Die Auswahl an Grundtechniken und Stichen hat Veronika Provodovská getroffen, sie betreut einen Teil der Museumssammlungen. Aus ihrer ausdauernden Suche nach den Stickmustern ist eine Übersicht entstanden über die Tradition der Techniken, die jeweils in den acht Gebieten des Bezirks Uherský Brod am häufigsten verwendet wurden oder werden. In den Gemeinden Bánov, Nivnice, Březí und Strání zum Beispiel achtete man streng darauf, dass sich die Trachten voneinander unterschieden haben. Dazu gehörten auch die Stickmuster.

Die Ausstellung „Ein Handwerk wie gestickt“ war im Übrigen groß angelegt. Marie Kadlčíková:

„Sie hat der Öffentlichkeit wahre Schätze aus unserem Archiv gezeigt. Dazu gehörte unter anderem eine Kollektion von alten Volkstrachten aus dem Zeitraum vom 17. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Außerdem waren reich bestickte und kunstvoll gearbeitete Einzelteile von Trachten sowie Zeichnungen aus Handschriften zu sehen. Die Ausstellungsbesucher konnten sich zudem anschaulich mit der Anfertigung von Trachten vertraut machen, angefangen von der Stoffwahl bis zu den abschließenden Stickerei-Arbeiten. Einen Monat nach der Eröffnung der Ausstellung kam noch die feierliche Präsentation eines Buches von Veronika Provodovská hinzu. Diesem liegt auch eine DVD mit den besagten Stickanleitungen bei.“

Anfragen aus dem Ausland

Foto: Archiv des Comenius-Museums in Uherský Brod
Das Buch trägt denselben Titel wie die Ausstellung. Auf 270 Seiten finden sich dort 800 Abbildungen. Dazu gehören Fotos von heute noch gängigen sowie nach historischen Vorbildern gefertigten Trachten. Einige davon sind durch Schnittmuster ergänzt. Und wie ist hierzulande die Resonanz auf das preisgekrönte Projekt mit den Stickanleitungen?

„Das Interesse nimmt nach und nach zu. Man kann aber nicht sagen, dass unsere Webseite nach der Prämierung schlagartig massenhaft Besucher anlocken würde. Das größte Interesse besteht derzeit bei den Internetbesuchern aus unserer Region. Und das freut uns. Mit unserer Webseite haben wir primär an jene Menschen gedacht, die an Festtagen oder zu weiteren besonderen Anlässen ihre sorgsam gepflegten Trachten anziehen. Aber auch wer selbst keine Tracht trägt, interessiert sich vielleicht für die entsprechenden Traditionen und Überlieferungen. Außerdem wollen einige vielleicht sticken lernen. Nicht zuletzt nähen bei uns in der Region bestimmte Schneider auf Bestellung Trachten. Und vor kurzem gab es interessierte Anfragen aus anderen Teilen Tschechien und sogar aus dem Ausland“, so Kadlčíková.

Vom Interesse in der Region zeugen zwei weitere Fakten. Die Ausstellung wurde um zwei Monate verlängert, und das Buch von Veronika Dobrovodská ist vergriffen. Dabei dürften Reaktionen auf die Goldmedaille von Kommern erst noch hinzukommen, glaubt Marie Kadlčíková.

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