Neue Chefin der Akademie der Wissenschaften: „Wir wissen nur sehr wenig“

Eva Zažímalová (Foto: Filip Jandourek, Archiv des Tschechischen Rundfunks)

Die tschechische Akademie der Wissenschaften hat eine neue Präsidentin: Biochemie-Professorin Eva Zažímalová wurde Ende letzten Jahres vom Akademischen Senat gewählt und unlängst auch offiziell von Präsident Miloš Zman im Amt bestätigt. Sie tritt Ende dieser Woche die Nachfolge des Chemikers Jiří Drahoš an. Nach der Wahl war sie im Tschechischen Rundfunk zu Gast. Wir bringen einen Auszug aus dem Interview.

Eva Zažímalová  (Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Das Institut für experimentelle Botanik und das Zentrum für Biologie an der Akademie der Wissenschaften sind das akademische Zuhause von Eva Zažímalová. Dreizehn Jahre lang leitete sie das Labor für Hormonregulierung bei Pflanzen, wo sie zum Wachstumshormon Auxin forschte. Der Vorsitz der Akademie der Wissenschaften bedeutet für sie aber nun das Ende einer aktiven Karriere als Forscherin. Daher war die Entscheidung schwer:

„Ich habe lange überlegt. Ehrlich gesagt war gerade dieser Punkt die schwierigste Frage bei meiner Entscheidung. Ich will aber nicht völlig mit der Forschungsarbeit aufhören. Ich bleibe mit meinen beiden Instituten und mit meinem Team in Kontakt und werde meinen Mitarbeitern mit Rat zur Seite stehen. Meiner Meinung nach ist es die schlechteste Variante, die Tür zu seinem eigenen Fach zu schließen, wenn man eine Stelle im Management übernimmt. Man muss weiterhin mit der lebendigen Wissenschaft in den Labors und Instituten in Kontakt bleiben. Sonst trifft man als Manager Entscheidungen, die schlecht sind.“

„Es ist ein Fehler, die Tür zu seinem eigenen Fach zu schließen, wenn man eine Stelle im Management übernimmt.“

Insgesamt sechs Vorsitzende hatte die Akademie der Wissenschaften seit ihrer Gründung 1993. Eva Zažímalová ist die dritte Biochemikerin auf diesem Posten:

„Um Schlussfolgerungen ziehen zu können, sind die Erfahrungen mit Biochemikern in dieser Position zu gering. Die Chemie hat als starkes Forschungsfach eine lange Tradition hierzulande. Die Biochemie ist hingegen ein relativ junges Fach als Disziplin innerhalb der Chemie. Es entwickelt sich rasch und ist mit weiteren Fächern wie Medizin, Molekularbiologie und Biologie verbunden. Die dynamische Entwicklung der Biochemie zwingt die Menschen, die sich mit ihr beschäftigen, Schritt zu halten. Das macht sie dynamischer und flexibler. Aber trotzdem denke ich, es ist ein Zufall, dass ich als Biochemikerin zur Präsidentin der Akademie ernannt wurde.“

Illustrationsfoto: GlasgowAmateur via Foter.com / CC BY-SA
Den Zufall hält die Forscherin insgesamt für einen wichtigen Faktor in der Forschung. Allerdings betont sie, der Zufall begünstige nur einen vorbereiteten Geist:

„Wir in den Fächern Biochemie und Zellenbiologie streben danach, gewisse Funktionsmechanismen einer Zelle, eines Organs oder eines Organismus zu entdecken. Wir überprüfen, wie sie sich der Umwelt anpassen und nach welchem genetischen Programm sie sich entwickeln. Mit unseren Erkenntnissen stehen wir aber immer noch am Anfang. Das, was wir darüber wissen, ist wesentlich geringer, als das, was wir nicht wissen. Wenn der Forscher bei Experimenten wiederholt ein Phänomen beobachtet, für das er keine Erklärung hat, ist es der Moment des Zufalls. Wenn der Wissenschaftler aber theoretisch und methodologisch gut vorbereitet ist, kann er sich die Frage stellen, warum etwas so ist, wie es ist. Und er kann dann auch Schlussfolgerungen ziehen. In meine eigene Arbeit hat der Zufall mehrere Male eingegriffen.“

Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks
Die neuernannte Vorsitzende der Akademie der Wissenschaften hat sich zum Ziel gesetzt, mehr junge Menschen für die Wissenschaft zu begeistern. Sie räumt aber ein, dass die langwierige Arbeit eines Wissenschaftlers als Ideal in der modernen Gesellschaft nicht mehr attraktiv ist. Wie kann man dies ändern?

„Man kann als Vorbild dienen. Ich will mich dafür einsetzen, dass die Wissenschaft allgemein und insbesondere an der Akademie sichtbarer ist in der Gesellschaft.“

Ein weiteres Ziel von Eva Zažímalová ist es, mehr Geld für die Akademie der Wissenschaften zu gewinnen. Die Forscher sollen sich nicht mehr so sehr mit der Bürokratie beschäftigen, sondern viel intensiver mit ihrer Arbeit.

„Der bürokratische Aufwand ist sehr belastend. Die Wissenschaftler haben dann keine Zeit, sich der eigentlichen Forschungsarbeit widmen zu können.“

„In der Finanzierung der Wissenschaft gilt heute ein ungünstiges Verhältnis zwischen dem Betrag, den die Institute direkt bekommen, und der Summe, um die sie sich für ihre Projekte in Ausschreibungen bewerben müssen. Diese Ausschreibungen machen bis zu 70 Prozent des Gesamtbudgets aus. Das ist zu viel. Die Forscher müssen Anträge stellen und Berichte über den Stand ihrer Arbeit schreiben. Der bürokratische Aufwand ist sehr belastend, und sie haben dann keine Zeit, sich der eigentlichen Forschungsarbeit widmen zu können. Ich will dieses Verhältnis ändern.“

Eva Zažímalovás Großvater arbeitete am Forschungsinstitut für Pflanzenproduktion und ihr Vater war Chemiker. Sie selbst hat Biochemie an der Prager Karlsuniversität studiert. Doch auf Pflanzen wollte sie sich eigentlich nicht von Anfang an spezialisieren:

Foto: YouTube
„Ich habe mein Hochschulstudium noch tief in der Zeit des Kommunismus abgeschlossen. Ich war kein Mitglied der kommunistischen Partei und wollte ihr auch nicht beitreten. Obwohl ich mit Auszeichnung absolviert habe, war es ausgeschlossen, ein Postgradualstudium an der Universität zu machen. Mich interessierte damals sehr, wie Form und Funktion von Eiweißen zusammenhängen. Ich habe mich daher unter den Instituten der Akademie umgesehen, und am Institut für experimentelle Botanik wurde gerade eine Aspirantur für das Studium des Auxin-Metabolismus ausgeschrieben. Ich habe mich angemeldet, und es war der Anfang meiner Auxin-Karriere.“

Mit dem Hormon Auxin, das das Wachstum von Pflanzen regelt, befasst sie sich bis heute. Als Autorin von zahlreichen Studien blickt sie auf mehrere Tausend Zitationen in wissenschaftlichen Zeitschriften zurück. Mit einem internationalen Team hat sie an der Gänserauke den Einfluss von acht Eiweißen auf das Hormon Auxin beschrieben:

„Schaut euch das gut an, dafür sorgt das Auxin.“

„Es waren Jahre beziehungsweise Jahrzehnte geduldiger Arbeit. Wir haben uns bei verschiedenen Konferenzen getroffen und unsere Kenntnisse zusammengetragen. Mein wichtigstes Labormaterial ist dabei nicht die Gänserauke, es sind vor allem Tabak-Zellenkulturen. Jedes Mitglied des Teams konnte also etwas anderes, einen Vertrag über die Zusammenarbeit gab es nicht. Auf einer Konferenz in Montpellier haben wir uns gesagt, wir werden acht Eiweiße und ihre Funktion erforschen, jeder sollte das seine machen. Die Ergebnisse unserer Arbeit haben wir an etwa sechs Fachzeitschriften geschickt, es dauerte aber, bis es gelang, sie in der Zeitschrift Science zu publizieren. Jetzt ist es mein meistzitierter Artikel, der ein großes Echo fand von allen Seiten.“

Foto: CameliaTWU via Foter.com / CC BY-NC-SA
Trotz oder gerade wegen all dieser Erkenntnisse, fühle die Wissenschaftlerin stets Demut und Respekt gegenüber der Natur:

„Wenn ich mit meinen, heute schon erwachsenen, Kindern durch den Wald gehe, und sehe etwa, wie die Wurzeln einer Fichte etwa einen Stein überwuchert, sage ich zu ihnen: Schaut euch das gut an, dafür sorgt das Auxin. Der Respekt und die Demut sind immer dabei. Denn die Natur ist etwas, was sehr komplex und schön ist und hervorragend funktioniert. Und wir wissen nur sehr wenig darüber.“