Leuchtende Revolutionen

Foto: Štěpánka Budková
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In diesem Jahr will das Signal-Festival revolutionär sein. Denn zum 30. Jahrestag der Samtenen Revolution hat sich das Lichterspektakel gerade das zum Motto gemacht. Dabei wollen die Organisatoren jedoch einen klaren Blick in die Zukunft werfen. Tatsächlich gibt es bei der diesjährigen Ausgabe des Signal-Festivals einige Änderungen.

Foto: Štěpánka Budková
Das Schlagwort für den aktuellen Jahrgang des Signal-Festivals war klar. Dreh- und Angelpunkt aller Installationen ist der 30. Jahrestag der Samtenen Revolution. Doch wollte man nicht nur in die Vergangenheit gewandt sein. Dazu der Cheforganisator der Lichtershow, Martin Pošta:

„30 Jahre nach den bedeutenden Ereignissen, die alle Barrieren zwischen dem Osten und dem Westen einstürzen ließen, wollten wir der Bedeutung des Begriffs ‚Revolution‘ auf den Grund gehen. Durch den heutigen Zustand von Klima und Gesellschaft ist das hochaktuell. Wir stehen an der Schwelle zur vierten Industriellen Revolution. Tagtäglich begegnen wir Dingen wie Nano- und Biotechnologie, künstliche Intelligenz, autonomes Fahren oder 3D-Druck. Das alles verändert unsere Welt, und zwar im Minutentakt.“

Martin Pošta  (Foto: Ian Willoughby)
Im Grunde ist das Thema Revolution nichts Neues für das Signal-Festival. Laut Martin Pošta hat man die Umwälzung im Blut, und zwar schon seit der ersten Ausgabe des Spektakels vor sieben Jahren:

„Von Anfang an deutet das Signal-Festival kleine Revolutionen an. Das bezieht sich vor allem darauf, wie wir den öffentlichen Raum leben und erleben. Konkret bedeutet das, wie die Zuschauer das Stadtzentrum und ihnen bisher unbekannte Winkel der Stadt durch die Kunst entdecken. Die ganze Zeit über hat sich das Festival verändert. Zu Beginn war es ein Fest des Lichts, mittlerweile steht es ganz im Zeichen der digitalen und kreativen Kultur.“

Die Organisatoren wollen außerdem erreichen, dass die Prager sowie die Besucher der Moldaumetropole ihren Horizont erweitern. Sie sollen sozusagen eine innere Revolution durchmachen, was die Betrachtung der Stadt angeht:

Foto: Štěpánka Budková
„Einerseits suchen wir immer nach neuen Orten. Andererseits sollen bekannte Orte in einem neuen Licht erscheinen. Das wollen wir dadurch erreichen, dass wir die Künstler vor besondere Herausforderungen stellen, indem sie sich mit einem bestimmten Ort auseinandersetzen müssen. Die meisten Installationen sind brandneu und ‚sight-specific‘, also an den konkreten Standpunkt gebunden.“

Große Namen, viel Geschichte und reizvolle Verschiebungen

Mehr als in den vergangenen Jahren will das Signal-Festival künstlerische Installationen präsentieren. Dabei setzt man durchaus auf Superlative. So ist das Laser-Spektakel „Intensive Reflections on Modernity“ über der Moldau zwischen Smetana-Ufer und der Insel Kampa das größte Projekt, das je auf dem Signal zu sehen war. Der künstlerische Leiter des Festivals, Matěj Valášek, erklärt, was es sonst noch zu sehen gibt:

„Im Programm haben wir insgesamt 18 Kunstwerke inklusive der drei Videomappings. Wir haben uns dabei bemüht, eine ausgewogene Zahl von ausländischen und tschechischen Künstlern nach Prag zu holen. Wir wollen unseren Besuchern nämlich nicht nur die interessantesten Entdeckungen aus dem Ausland vorstellen. Wir wollen auch den markantesten Gesichtern der tschechischen Kunstszene ermöglichen, sich im öffentlichen Raum zu präsentieren.“

Kunstwerk von Eva Jiřičná  (Foto: Archiv des Festivals Signal)
Laut Valášek hat sich die sogenannte Galerie-Zone bewährt, in der die Besucher die Werke konzentriert erleben können. Dabei gibt es gleich mehrere kostenpflichtige Locations, unter anderem im ehemaligen Militärspital Invalidovna im Stadtteil Karlín, dem Klementinum oder im Gebäude des Verkehrsministeriums. Bei der Galerie-Zone gibt es übrigens eine wichtige Neuerung. Man muss sich nämlich nicht mehr wie im vergangenen Jahr bei jeder Ausstellung eine eigene Eintrittskarte kaufen, es reicht ein zentraler sogenannter „Signal-Pass“.

Die Organisatoren haben für diesmal große Namen mit ins Boot geholt. So hat auch die tschechisch-britische Stararchitektin Eva Jiřičná ein Objekt im Park Vojanovy Sady auf der Kleinseite gestaltet. Für die 80-Jährige war das laut eigener Aussage eine besondere Herausforderung, da Lichtinstallationen für sie bisher Neuland gewesen seien:

Foto: Kateřina Srbková
„Ich bin regelrecht besessen vom Licht und wie es auf unterschiedliches Material wirkt. Mein ganzes Büro war auch sofort dafür, als wir eine Einladung zur Teilnahme am Festival bekommen haben. Dabei wussten wir eigentlich nicht, was wir präsentieren wollen. Wir haben dann über das Thema Revolution nachgedacht, dass diese eigentlich eine drastische Veränderung bedeutet.“

Entstanden ist das Werk „A co kdyby to byla pravda“ / „Was, wenn das die Wahrheit wäre“. Dabei geht es aber nicht um den großen Knall, Blut und Umsturz. Es ist eine künstlerische Interpretation der Friedfertigkeit der Samtenen Revolution. Der Besucher soll so auf eine galaktische Reise zu sich selbst geschickt werden:

„Wir leben in einer Welt, in der wir regelrecht überflutet werden von Signalen. Einige davon kommen sogar aus dem Weltall. Unsere Installation ist eines dieser Signale aus dem Kosmos, das während des Festivals in den Vojanovy Sady landet. Auf dem Weg zum eigentlichen Objekt können sich die Besucher in magischen Spiegeln betrachten, in denen sie ihr eigenes Gewissen hinterfragen sollen. Sie sollen darüber nachdenken, welchen Einfluss die Samtene oder irgendeine zukünftige Revolution auf sie hat und was sie dafür tun können, damit die Revolution samten wird.“

Matěj Vlašánek  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
Doch zurück zu konkreten historischen Fakten, und noch dazu zu den tschechisch-deutschen. Ein Ensemble im Petřín-Park soll an diejenigen DDR-Bürger erinnern, die im Herbst 1989 über die Prager Botschaft der Bundesrepublik in den Westen gelangt sind. Matěj Valášek erklärt, worum es geht:

„Dieses Ereignis wollten wir audiovisuell aufarbeiten. Auf dem Petřín-Hügel platzieren wir zehn Trabis, in denen alte Tesla-Fernseher laufen. Die Berichte zeigen Zeitzeugen, die ihre Erinnerungen an damals erzählen.“

Einen Vorgeschmack auf diesen Beitrag gab es übrigens schon vergangene Woche beim Fest der Freiheit in der Deutschen Botschaft. Das Projekt läuft in Zusammenarbeit mit der Organisation Post Bellum, die im Bereich Oral History aktiv ist.

Natürlich gibt es in diesem Jahr auch wieder die Videomappings, die alles in allem meistbesuchten Höhepunkte des Signal-Festivals. Sie hätten nach wie vor ihren künstlerischen Reiz und ihre Dynamik, meint Matěj Valášek, auch wenn sie mittlerweile zum Mainstream gehören würden. Nichtsdestotrotz sind für die kommende Ausgabe des Festivals Änderungen geplant. So fällt beispielsweise das beliebte Videomapping an der Ludmilla-Kirche im Stadtteil Vinohrady weg. Dafür habe man aber andere interessante Locations gefunden, erläutert der künstlerische Leiter des Signal, Matěj Valášek:

Grundschule auf dem Platz Lyčkovo náměstí  (Foto: ŠJů,  CC BY-SA 3.0)
„Es wird drei Videomappings geben. Eine 3D-Projektion ist am Tyrš-Haus auf der Kleinseite zu sehen. Sie stammt vom ukrainischen Studio Skills, das uns durch seine künstlerische Qualität und das Narrativ überzeugt hat. Das zweite Videomapping ist eine Neuigkeit für uns, denn es wird an der Grundschule auf dem Platz Lýčkové náměstí zu sehen sein. Diese Projektion soll besonders für Kinder attraktiv sein, auch wenn sie ebenfalls die Geschichte der Samtenen Revolution erzählt. Entworfen hat sie das italienische Studio ILLO, bei dem uns die Erzähltechnik und die spielerische Animation sehr gut gefallen hat. Und das wird sicher auch die Kinder überzeugen. Hinter dem dritten Videomapping steht schließlich das türkische Studio Nahlab, das wir schon im vergangenen Jahr im Rudolfinum vorgestellt haben. Dieses findet an der Kyrill-und-Method-Kirche in Karlín statt und ist ein Spiel mit der Zeit- und Raumwahrnehmung.“

Ein Blick hinter die Kulissen und wetterlaunige Musik

Foto: Kateřina Srbková
Natürlich gibt es auch diesmal wieder ein buntes Begleitprogramm. Dieses soll das Signal-Festival für Kinder öffnen und einen Blick hinter die Kulissen gewähren. Dazu Cheforganisator Martin Pošta:

„Es gibt in diesem Jahr zwei Neuigkeiten. Die eine hat den Arbeitstitel ‚Signal Playground‘, was Führungen für Kinder sind zu einzelnen Installationen. An die Erwachsenen richtet sich die zweite Neuigkeit, die wir ‚Signal Walks‘ genannt haben. Das sind drei exklusive Führungen mit uns Organisatoren und Kuratoren, die dem Publikum zeigen, was sich hinter den Kunstwerken verbirgt.“

Außerdem ist auch wieder ein musikalischer Teil des Festivals vorgesehen. Im Gegensatz zum vergangenen Jahr hat man diesen aber umgestaltet, wie Matěj Valášek weiß:

„Das sind die Signal Soundscapes, die eine Fortsetzung der letztjährigen Struny Signalu sind. Wieder handelt es sich um eine einzigartige audiovisuelle Performance in der Salvatorkirche, für die wir vier junge Künstler angesprochen haben. Begleitet wird die Visualisierung von der Kirchenorgel, und Thema ist die Simulation von Wetter im geschlossenen Raum.“

Abm: Das Signal-Festival findet vom 10. bis 13. Oktober an mehreren Orten in Prag statt. Der „Signal-Pass“ für alle kostenpflichtigen Installationen kostet im Vorverkauf 250 Kronen (zehn Euro), vor Ort dann 300 Kronen (zwölf Euro). Für Senioren, Kinder und Studenten gelten ermäßigte Preise. Eine Karte der Videomappings und der Ausstellungen sowie weitere wichtige Informationen finden Sie unter www.signalfestival.com.