Prager Haus in Brüssel

An dieser Stelle bringen wir jeden zweiten Samstag unsere Sendereihe "Spaziergang durch Prag". Anlässlich der Europawahl haben wir uns entschieden, diesmal nicht durch die tschechische Metropole zu spazieren, sondern deren Vertretung in Brüssel zu besuchen. In das Prager Haus in Brüssel laden Sie in den folgenden Minuten Martina Schneibergova und Gerald Schubert ein.

Jan Koukal  (Foto: CTK)
Im Jahre 2001 kaufte das Prager Magistrat ein historisches Gebäude im Stadtzentrum von Brüssel, das dann zum Sitz der Vertretung der tschechischen Hauptstadt wurde. Nach den Beweggründen für die Errichtung eines Prager Hauses in Brüssel fragte ich den jetzigen Hausherrn Jan Koukal, der sechs Jahre lang das Amt des Prager Oberbürgermeisters innehatte:

"Das Prager Haus ist eigentlich eine Idee, die wir so zu sagen von anderen Regionen und vor allem von anderen Hauptstädten abgeguckt haben. Denn Europa besteht aus Regionen. Heutzutage sind 350 europäische Regionen hier in Brüssel vertreten, was eine unglaubliche Zahl ist. Begreiflicherweise sind auch alle Hauptstädte hier vertreten - und zwar nicht nur die Hauptstädte der EU-Mitgliedsstaaten."

Offiziell wurde die Tätigkeit der Prager Vertretung in Brüssel am 25. Juni 2002 aufgenommen - also fast zwei Jahre vor dem EU-Beitritt Tschechiens. Spielt das Prager Haus eine Repräsentationsrolle oder stellt es viel mehr eine Anlaufstelle für diejenigen dar, die Kontakte mit Prager bzw. tschechischen Institutionen anknüpfen wollen? Dazu Jan Koukal:

"Es geht nicht so sehr um die Repräsentationsrolle in dem Sinne, dass es sich um eine Botschaft der tschechischen Metropole handeln würde. Das Prager Haus stellt eine Art verlängerte Hand des Prager Magistrats dar. Wir bewerben uns hier im Rahmen verschiedener Programme um Förderungen und um Hilfe, und wir bemühen uns um Kontakte. Wir wollen, dass wir gesehen werden und versuchen, Institutionen von europäischer Bedeutung und Investoren nach Prag zu locken."

Das Prager Haus befindet sich in der Avenue Palmerston im historischen Stadtzentrum von Brüssel neben dem Marie-Louise-Platz. Dieser Platz sowie die Avenue gab es schon am Ende des 15. Jahrhunderts, der Platz war nach der Grande Place der zweitbedeutendste Platz in der Stadt. es wohnte dort die belgische Elite, damals vor allem Aristokratie. Jan Koukal über das Gebäude der Prager Vertretung:

"Es ist ein bedeutender Bau des belgischen Jugendstils. Errichtet wurde er 1897 - 1899 von den belgischen Architekten Bosmans und Van de Velde für die Familie des Zahnarztes Van Stratum. Für uns bringt der historische Wert des Gebäudes bestimmte Einschränkungen mit sich, was eventuelle Pläne für Bauänderungen betrifft. Andererseits ist es aus der Sicht des Marketings sehr günstig, da Prag ebenfalls eine bedeutende Stadt des Jugendstils ist. Und so stellt das Haus in Brüssel eine Art Fortsetzung der Prager Traditionen dar. Ich glaube, dass diejenigen, die das Gebäude ausgesucht haben, eine glückliche Hand hatten."

Ich bat den Hausherrn um eine kurze Führung durch das historische Gebäude:

"Unten haben wir eine Galerie, die ca. 200 Quadratmeter umfasst. Über der Galerie gibt es einen Konferenzsaal, den man in drei Räume gliedern kann. In der nächsten Etage sind die Büroräume und Gästezimmer, wo die Besucher untergebracht werden können. Und im Dachboden wohne ich jetzt."

Womit befasst sich Jan Koukal mit seinen Mitarbeitern in der Prager Vertretung in diesen Tagen?

"Zurzeit nähert sich die bislang bedeutendste Veranstaltung, die wir organisiert haben, ihrem Höhepunkt. Es handelt sich um die gemeinsamen Tage Prag-Brüssel-Prag. Die erste Runde dieser Tage wurde eben jetzt abgehalten: Einen Monat lang wurden verschiedene Kulturveranstaltungen in Brüssel organisiert. Insgesamt wurden sie von ca. 3000 Menschen besucht, unter den Besuchern waren auch namhafte europäische Politiker."

Von den erfolgreichen Kulturveranstaltungen ist z. B. die Ausstellung über die Prager Villa Müller zu erwähnen, die in der Galerie des Prager Hauses zu sehen war. Im Prager Haus trafen vor kurzem auch Experten bei Seminaren zusammen, die sich auf historische Sehenswürdigkeiten der tschechischen Hauptstadt konzentrierten. Die Tätigkeit des Hauses ist jedoch nicht ausschließlich auf Prag orientiert. Jan Koukal zufolge wurden die Räumlichkeiten auch dem Südböhmischen Landkreis angeboten, der sich vor etwa einem Monat in Brüssel vorstellte. Wie der Prager Ex-Oberbürgermeister betont, lebt das Haus sehr intensiv:

"Jetzt bereiten wir ein Treffen des Ausschusses der Regionen vor. Die Oberbürgermeister und Landkreisvorsitzenden werden am 16. und 17. Juni zum ersten Mal an der Tagung der Regionalausschüsse teilnehmen, und zwar nicht mehr als Beobachter, sondern als vollwertige Mitglieder mit Stimmrecht. Wir bereiten für sie jetzt die entsprechenden Unterlagen vor und organisieren Treffen von Politikern auf verschiedenen Ebenen."

Es wurde bereits erwähnt, dass es in Brüssel an die 350 Vertretungen von Regionen und Städten gibt. Arbeiten die Vertretungen von bestimmten Ländern zusammen, oder wissen sie wenigstens voneinander? Jan Koukal sagte, er sei dankbar für diese Frage:

"Denn bislang habe ich nicht viel Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Zentren gesehen. Aber ich hoffe, dass sich alles verbessert, denn wir sind hier wieder nicht so viele, um immer selbstständig handeln zu können. Ich meine, dass wir wirklich jede Veranstaltung miteinander koordinieren sollten. Ich bin aber Optimist, was die Zukunft betrifft. Denn in den meisten Vertretungen werden Strukturänderungen durchgeführt, die sich auf die Kooperation auswirken könnten."

Soweit Jan Koukal. Für diejenigen, die das Prager Haus in Brüssel besuchen möchten, hier die Adresse: die Prager Vertretung befindet sich in der Avenue Palmerston Nr. 16.