Wenzelsplatz - im 19. Jahrhundert ein ideales Skigelände

0:00
/
0:00

Der Winter hatte in der letzten Zeit Tschechien fest in Griff. Nicht nur im Riesengebirge, wo vor kurzem noch mehr als 3 Meter Schnee lagen, aber auch in einigen Stadtteilen Prags konnte man dieses Jahr Ski laufen. Noch viel bessere Bedingungen für den Wintersport gab es in Prag im 19. Jahrhundert. Mehr darüber erfahren Sie im folgenden Spaziergang durch Prag von Martina Schneibergova und Sabine Winter.

In der vergangenen Ausgabe des Spaziergangs führten wir Sie, liebe Hörerinnen und Hörer, in eine Ausstellung der Sportmode, die vom Prager Kunstgewerbemuseum veranstaltet wurde. Unter den präsentierten Kleidungsstücken aus dem 19. Jahrhundert war auch Bekleidung, die man einst zum Schlittschuhlaufen angezogen hat. Wo haben die damaligen Pragerinnen und Prager ihr Können auf dem Eis ausprobiert? Danach fragte ich die Historikerin Pavla Vosahlikova:

"Schlittschuh gelaufen ist man hier schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, damals allerdings nur auf natürlichen Eisflächen. In Prag gab es vor allem auf der Moldau die Möglichkeit, Schlittschuh zu laufen. Der Fluss war vor der Errichtung des Stausystems nicht so tief wie heute, und so fror er sehr oft zu. Auf der Moldau wurden mehrere Eislaufplätze eingerichtet. Da dieser Sport im Laufe der Zeit an Beliebtheit gewann, wurden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Winter Eislaufplätze z. B. auch auf Sportplätzen eingerichtet, wo sonst Tennis gespielt wurde. Diese Flächen dienten dann gelegentlich zum Schlittschuh laufen."

Am populärsten war dieser Sport unter den Jugendlichen. Ihr Können auf dem Eis haben aber bereits in den zwanziger und dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts auch Damen aus den höheren Gesellschaftsschichten versucht. Noch beliebter war unter den Damen jedoch eine andere Wintersportart - wenn man diese als Sport bezeichnen kann. Die Historikerin dazu:

"Mit mehr Freude betrieben die Damen damals jedoch eine Art Schlittenfahrt auf dem Eis. Diesen Schlitten, auf dem die Dame saß, musste ein Kavalier auf der Eisfläche ziehen. Die Frauen fingen aber mit der Zeit an, selbstständiger zu werden. Immer häufiger liefen sie Schlittschuh, und zu diesem Zweck haben sie auch spezielle Bekleidung angezogen. Der Rock musste entsprechend lang sein, für den Eislauf war er also nicht geeignet. Die Damen bewegten sich eher im Tanzschritt, wie es der Zeit entsprach. Damals konnte natürlich noch keine Musik aus den Lautsprechern erklingen. Für die musikalische Begleitung zu den Versuchen auf dem Eis sorgten entweder Drehorgelspieler oder gelegentlich Straßenmusikanten."

Das Schlittschuhlaufen ist sehr populär geworden - vor allem unter der jüngeren Generation. Oft war es aber lebensgefährlich. Denn im Frühjahr war das Eis auf dem Fluss nicht mehr so fest, und es ist mehrmals passiert, dass jemand einbrach und ertrank. So wurde den Schülern das Schlittschuhlaufen manchmal sogar offiziell verboten, und falls sie dieses Verbot nicht respektierten, wurden sie bestraft. Wie erwähnt wurde, ersetzte die zugefrorene Moldau fast vollständig die heutigen Stadions, die erst viel später entstanden sind. Die Sportler konzentrierten sich vor allem in der Umgebung der Moldauinseln.

"In der Nähe der Inseln gab es immer eine Bucht, in der das Eis fester als anderswo war. Denn der Strom war da nicht so stark. Bei der Aufzählung der damaligen Sportflächen muss man sich dessen bewusst werden, dass Prag bis in die siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts noch von Stadtmauern umgeben war. Innerhalb der Stadtmauern gab es nicht so viele Sportflächen. Die Stadtmauern wurden allmählich abgerissen - das dauerte fast zwanzig Jahre. Die vornehmere Gesellschaft begab sich kaum hinter die Stadtmauer, um z. b. Schlittschuh zu laufen. Am Ende des 19. Jahrhunderts begannen sich die Vorstädte - die heutigen Prager Stadteile Vrsovice, Vinohrady oder Smíchov, rasant zu entwickeln, und dort hatte man keinen Fluss zur Verfügung. Eisflächen wurden dort in den Stadtparks eingerichtet."

Wie die Historikerin betont, war es kein Zufall, dass einer der populärsten Sportplätze, wo man Schlittschuh lief, auf der Moldauinsel Stvanice entstand. Im dortigen Stadion wurde später auch Eishockey gespielt. Die Errichtung der Sportplätze hing mit der Entstehung verschiedener Sportorganisationen zusammen. Dieser Trend sei - so die Historikerin - vor allem seit den achtziger Jahren bedeutend. Am Anfang stand die Sportorganisation "Sokol", bald nach ihrer Gründung entstanden zahlreiche andere Sportvereine und Sportklubs verschiedener Art. Jeder dieser Vereine war bemüht, einen eigenen Sportplatz einzurichten. So verfügten z. B. die Radsportler über ihren eigenen Sportplatz, den man zu der Zeit aber noch nicht als Stadion bezeichnen konnte. Im Winter verwandelten sich viele dieser Sportplätze in Eisstadions, die oft beleuchtet waren, und wo sich die Sporttreibenden bei einem warmen Getränk erfrischen konnten.

Unter den Wintersportarten herrschte in Prag am Ende des 19. Jahrhunderts Pavla Vosahlíková zufolge eindeutig das Schlittschuhlaufen vor. Wie bereits erwähnt, war auch die Schlittenfahrt auf dem Eis populär. Eher als eine gesellschaftliche als sportliche Angelegenheit kann man jedoch die feierlichen Schlittenfahrten am Anfang des Neuen Jahres bezeichnen:

"Diese feierlichen Schlittenfahrten wurden von Graf Chotek initiiert. Man nannte diese Fahrten "karusely". Die Gesellschaft setzte sich in die Schlitten, die festlich geschmückt waren. Sie erinnerten eher an allegorische Wagen. Die Schlitten wurden von Pferden gezogen. Sie fuhren in den Park Stromovka - das ehemalige königliche Wildgehege. In der Nähe des Statthalterschlosses wurde am Nachmittag ein Fest veranstaltet. Danach kehrte die Gesellschaft oft mit viel Lärm wieder nach Prag zurück. Auf den Schlitten saßen auch Musiker. Also die Schlittenfahrten hatten auch eine gesellschaftliche Bedeutung."

Der Skisport ist im Vergleich mit den bereits beschriebenen Wintersportarten jünger. Die ersten Skiklubs hatten nicht nur z. B. in Jilemnice im Riesengebirge, aber auch in Prag ihren Sitz, sagt Pavla Vosahlíková:

"Es gilt heutzutage fast als Kuriosität, dass Ende des 19. Jahrhunderts der heutige Wenzelsplatz zu den beliebten Skipisten gehörte. Im oberen Teil des Platzes gab es im Winter nämlich fast keinen Verkehr. Da Prag verhältnismäßig hügelig ist, stellte der Wenzelsplatz nicht das einzige Skigelände dar. Aus den Erinnerungen der Zeitgenossen geht hervor, dass der Schnee damals in Prag im Unterschied zu heute nicht weggeräumt wurde. Es wurde auch kein Streusalz auf den Straßen benutzt. Der Schnee blieb verhältnismäßig lange liegen, und aus dem Grund waren die Bedingungen für den Wintersport in Prag sehr günstig."

Der Schnee blieb damals noch aus einem anderen Grund länger liegen. Denn von einem besonderen Mikroklima, das heute in der Großstadt entsteht, konnte im 19. Jahrhundert noch keine Rede sein. Die Stadt war bedeutend kleiner und die Häuser waren nicht hoch - ein dreistöckiges Gebäude galt schon fast als Hochhaus.

Stellte die Ski-, bzw. Schlittschuhausrüstung damals eine teure Angelegenheit dar, oder handelte es sich eher um zu Hause gebastelte Sportgeräte? Pavla Vosahlikova meint:

"Die Skier sowie die Schlittschuhe waren von unterschiedlicher Qualität. Ich weiß, dass die Skier am Anfang beispielsweise aus Fässern gebastelt wurden. Bald aber entwickelte sich hier eine ganze Industrie, die exklusivere Sportausrüstung lieferte - dies geschah um die Jahrhundertwende. Damals begann die Ära der Markenwaren. Bei den Sportartikeln ging es um eine wirklich teuere Angelegenheit. Bei uns waren diese Sportartikel aber erst nach dem Ersten Weltkrieg stärker verbreitet. Auch wenn es schon früher einzelne Sportler gab, die es sich leisten konnten, die entsprechende Sportausrüstung - Skier oder Schlittschuhe - im Ausland zu kaufen. Dann wurden sie von den anderen Sportfreunden bewundert, und die einheimischen Handwerker versuchten, diese Artikel nachzumachen."

Damit sind wir fast am Ende des heutigen Spaziergangs angelangt, es bleibt nur noch die übliche Quizfrage zu stellen, für deren richtige Beantwortung Sie ein Souvenir aus Prag gewinnen können. Im heutigen Spaziergang war über den Park Stromovka - also das ehemalige königliche Wildgehege die Rede. Falls Sie wissen, im welchem Prager Stadtbezirk, bzw. Stadtteil sich der Park befindet, können Sie es uns schreiben, denn so lautet unsere heutige Quizfrage. Ihre Zuschriften richten Sie, bitte, an Radio Prag, Vinohradska 12, PLZ 120 99 Prag 2. Aus den richtigen Antworten wird im nächsten Monat ein Gewinner ausgelost.

Im Februar fiel eine Quizfrage aus, da wir aus Krankheitsgründen eine Wiederholung der Sendereihe brachten. In der letzten Ausgabe des Spaziergangs im Januar fragten wir Sie nach dem Name des großen Konzertsaals im Prager Rudolfinum. Es handelt sich um den Antonín Dvorák-Saal. Eine CD geht diesmal an Karl-Heinz Dippold aus Neuried.