Biathlon boomt in Tschechien dank Soukalová und Vítková

Foto: ČTK

Vor zwei Jahren wurden erstmals in Tschechien die Weltmeisterschaften im Biathlon ausgetragen. Damals freute man sich hierzulande vor allem darüber, mit der Rennstrecke in Nové Město na Moravě eine wirklich WM-würdige Anlage präsentieren zu können. Der dritte Platz mit der Mixed-Staffel blieb ein schöner Achtungserfolg. Mittlerweile aber haben sich insbesondere die tschechischen Biathletinnen in der Weltspitze etabliert. Mit einer aufsehenerregenden Erfolgsserie haben sie das jüngst bei den Weltcup-Veranstaltungen in Oberhof und Ruhpolding erneut bewiesen.

Ondřej Rybář  (Foto: Matěj Schneider,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Sie haben gut lachen, die tschechischen Biathletinnen. Binnen einer Woche gewannen sie die Weltcuprennen von Oberhof und Ruhpolding in der Frauenstaffel über 4 x 6 Kilometer. Der vordem letzte Sieg eines tschechischen Damenquartetts lag schon über 17 Jahre zurück, und jetzt gewannen die Vertreterinnen der neuen Generation die Konkurrenz sogar im Doppelpack. Das sind Resultate, die selbst Cheftrainer Ondřej Rybář kaum für möglich hielt. Nach dem Triumph in Ruhpolding war er dann auch begeistert:

„Das ist ein großartiger Erfolg, und die Tatsache, dass die Mädchen die Staffel gleich zweimal in Folge gewonnen haben, ist wie ein Märchen. Sie haben heute ein erstaunliches Rennen geboten. Man muss wirklich den Hut ziehen, wenn man sieht, wie nervenstark sie beim Schießen waren. In der Loipe haben sie diesen Sieg dann eindrucksvoll nach Hause gefahren.“



Eva Puskarčíková,  Gabriela Soukalová,  Veronika Vítková und Jitka Landová gewannen die Frauenstaffel über 4 x 6 Kilometer in Ruhpolding  (Foto: ČTK)
Der Sieg der tschechischen Damen im oberbayrischen Ruhpolding war in der Tat beeindruckend. Musste Schlussläuferin Veronika Vítková eine Woche zuvor in Oberhof auf der letzten Schleife noch richtig kämpfen, um die Französin Anaïs Bescond mit neun Sekunden Vorsprung auf den zweiten Platz zu distanzieren, so landete das tschechische Quartett in Ruhpolding einen klassischen Start-Ziel-Sieg. Vor den auf Rang zwei platzierten Weißrussinnen waren Eva Puskarčíková, Gabriela Soukalová, Jitka Landová und Veronika Vítková satte 73 Sekunden früher im Ziel. Dennoch hatten auch die Tschechinnen einige bange Momente zu überstehen. Und zwar als die auf Position drei laufende Jitka Landová beim Liegendschießen gleich dreimal nachladen musste:

Gabriela Soukalová  (Foto: ČTK)
„Meine Hände waren völlig steif, denn durch die kalte Nässe waren sie fast eingefroren. Ich hatte große Probleme damit, die Schüsse überhaupt abzufeuern.“

Doch Landová, die wie Puskarčíková noch im vergangenen Jahr der Konkurrenz weit hinterherlief, meisterte diese schwierige Situation. Auch das ist ein Ausdruck des neuen Selbstvertrauens, für das Gabriela Soukalová eine logische Erklärung hat:

Veronika Vítková  (Foto: ČTK)
„Unsere gute Stimmung im Team ist bestimmt auch darauf zurückzuführen, dass wir schon seit Saisonbeginn wiederholt gute Ergebnisse erzielt haben. Das hat uns immer mehr Mut gemacht und weiter angestachelt.“

Veronika Vítková ergänzt:

„Ich denke, jetzt arbeiten wir wirklich als ein gut funktionierendes Team. Und dieser Teamgeist spiegelt sich nun auch in den Resultaten wider.“

Zum tschechischen Biathlonteam gehört seit fünf Jahren auch der Sachse Danilo Müller. Er ist der Cheftechniker der Truppe und in erster Linie verantwortlich dafür, dass die Athletinnen stets mit einem möglichst schnellen Brett unterwegs sind. Das ist zuletzt auch immer besser gelungen. Seit der Saison 2012/13 durfte Müller nämlich miterleben, wie sich insbesondere Gabriela Soukalová von einer Mitläuferin zu einem neuen Star in der internationalen Biathlonszene gemausert hat. Im Dezember 2012 gewann die 25-Jährige ihr erstes Weltcuprennen im slowenischen Pokljuka, seitdem sind weitere sieben Siege in einer Einzelkonkurrenz und drei in den Staffelwettbewerben hinzugekommen. Danilo Müller lobte im deutschen Fernsehen die Bodenständigkeit der attraktiven Tschechin:

Veronika Vítková  (rechts). Foto: ČTK
„Es gibt Superstars, das wissen wir alle, die sind komplett abgehoben oder haben ihre Allüren. Aber dieses Mädchen ist sehr umgänglich. Das trifft indes auf die ganze Mannschaft zu. Also nicht nur mit ihr alleine, sondern mit dem gesamten Team kann man gut zusammenarbeiten“.

Aus diesem Team ragt mittlerweile eine zweite Wettkämpferin heraus, die aus dem Schatten von Soukalová getreten ist und zu früherer Stärke zurückgefunden hat: Veronika Vítková. Die 26-jährige Biathletin machte in der Tat schon früher von sich reden. Bei der Junioren-Weltmeisterschaft 2009 im kanadischen Canmore gewann Vítková nicht nur mit Soukalová und Veronika Zvařičová die Goldmedaille in der 3x 6-km-Staffel, sondern auch Silber in der Verfolgung. Drei Jahre zuvor hatte Vítková zudem den WM-Sieg im Einzelrennen der weiblichen Jugend errungen. Selbst die dreifache Olympiasiegerin Kati Wilhelm weiß noch ganz genau, dass ihr die junge Vítková beinahe einen Weltmeistertitel vor der Nase weggeschnappt hätte:

Kati Wilhelm  (Foto: Archiv ARD)
„Veronika Vítková war schon 2009 bei der WM in Südkorea dabei. Dort hat sie überrascht, und im Einzelrennen habe ich kurzzeitig auch etwas Angst bekommen, noch die Goldmedaille an sie zu verlieren. Das war vor ihrer letzten Schießprüfung. Sie war schließlich unter den besten Acht, ihre genaue Platzierung aber weiß ich nicht mehr.“

In dem besagten Einzelrennen bei der WM 2009 in Pyeongchang belegte Vítková den sehr guten fünften Platz, dem sie noch je zwei zehnte Plätze in der Verfolgung und im Massenstart-Rennen folgen ließ. Danach aber wurde es etwas ruhiger um das große Nachwuchstalent. Im Sommer 2009 erlitt sie eine schwere Hirnhautentzündung. Mit den Folgen der Krankheit hatte Vítková fünf Jahre lang zu kämpfen, was natürlich auch die Fortsetzung ihrer Karriere bremste. Deshalb ist ihr diesjähriger Durchbruch besonders hoch einzustufen. Vor zwei Wochen konnte sie beim Sprintrennen in Oberhof nun endlich auch ihren ersten Weltcupsieg in einem Einzelrennen feiern. Ihre Freude darüber war entsprechend groß:

Rennsteig Arena Oberhof im Thüringer Wald | Foto: Archiv der Ferienregion Oberhof,  CC BY-NC-SA 2.0
„Das ist absolut super. Auf diesen Sieg habe ich zwei Jahre lang gewartet. Oft war ich nur ein kleines Stückchen davon entfernt, aber es klappte einfach nicht. Und auf einmal ist er da.“

Ihren ersten Weltcupsieg hat Vítková auf der sehr anspruchsvollen Strecke im Thüringer Wald erkämpft. Ein solcher Kurs aber liege ihr, sagt sie:

„Ich fühle mich wohler auf den schweren Strecken, die lange Anstiege und Abfahrten haben. Das war immer so und gilt auch weiter.“

Veronika Vítková  (Foto: ČTK)
Stark verbessert zeigt sich die in Vrchlabí am Riesengebirge geborene Vítková besonders in der Loipe. Bei ihrem Sieg in Oberhof lief sie die zweitschnellste Zeit des gesamten Feldes, und auch bei allen anderen Rennen des neuen Jahres glänzte sie mit ihrer Laufleistung. Das verwundere sie selbst ein wenig, doch dann findet sie doch noch eine Erklärung:



Michal Šlesingr  (links). Foto: ČTK
„Es läuft womöglich deshalb so gut, weil unser Trainingsprogramm zwischen Weihnachten und Neujahr aufgegangen ist. Dabei habe ich mich zunächst erholt und bin dann mit Ondřej Moravec und Michael Šlesingr nach Val die Fiemme gereist. Dort haben wir intensiv trainiert, und zwar exakt nach den Plänen, die unsere Trainer ausgearbeitet hatten. Das war offenbar der richtige Schritt.“

Aufgrund ihrer guten Form hat Veronika Vítková neben ihrem Sprintsieg in Oberhof und den beiden Triumphen mit der Staffel noch zwei weitere Podiumsplätze errungen: Bei den Massenstart-Rennen in Oberhof und Ruhpolding belegte sie den zweiten beziehungsweise dritten Rang. Diese Erfolgsserie werde sie jedoch in keiner Weise verändern, verspricht Vítková:

Zdeněk Vítek  (Foto: Archiv des Tschechischen Biathlon-Verbandes)
„Ich bleibe bescheiden und mit beiden Beinen auf der Erde. Ich mache Biathlon, und in dieser Sportart zählt jede Platzierung unter den Top ten.“

Weil die 26-Jährige so denkt und in jedem Rennen Vollgas gibt, hat sie sich mittlerweile schon auf den vierten Platz im Gesamt-Weltcup nach vorn geschoben. Mit ihren Leistungen und denen seiner drei weiteren Schützlinge ist auch der Trainer der Frauen-Nationalmannschaft, Zdeněk Vítek, überaus zufrieden:

„Damit habe ich absolut nicht gerechnet. Hinter uns liegt jedoch erst knapp die Hälfte der Saison, das heißt, auf uns warten noch viele Rennen. Es freut mich aber sehr, was bisher schon gezeigt wurde.“

Jiří Hamza  (Foto: ČTK)
Zu den Rennen, die noch vor den Biathleten liegen, gehört die Weltcup-Veranstaltung vom 6. bis 8. Februar im heimatlichen Nové Město na Moravě. Die jüngsten Erfolge ihrer Biathletinnen und auch Biathleten haben unter den tschechischen Sportfans einen wahren Run auf diese Rennen ausgelöst. Der Präsident des Tschechischen Biathlonverbandes, Jiří Hamza, rechnet mit täglich bis zu 26.000 Zuschauern. Das würde bedeuten, dass der bisherige Rekord, den Ruhpolding mit 20.000 Besuchern innehat, überboten wird. Es steht mittlerweile also außer Frage: Biathlon boomt in Tschechien – dank Gabriela Soukalová und Veronika Vítková.

Autor: Lothar Martin
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