EM-Qualifikation: Tschechen verlieren Punkte, behaupten aber Tabellenführung

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Eigentlich schien die Sache klar: In der Qualifikationsgruppe A zur Fußball-Europameisterschaft hatte Tschechien bis dahin noch keinen einzigen Punkt abgegeben. Außerdem konnte Gegner Lettland noch nie einen Punkt gegen eine tschechische Auswahl ergattern. Fans und Fachöffentlichkeit erwarteten also beim Spiel in Prag einen klaren Sieg der Gastgeber gegen das Team aus dem Baltikum. Doch es kam anders.

Stadion Eden  (Foto: Till Janzer)
Tore ihrer Nationalspieler, das war es, was die Fans im Stadion eigentlich erwartet hatten. Genau das aber wurde ein schwieriges Unterfangen. Doch der Reihe nach. Das tschechische Team trat am Samstag im Stadion Eden in Prag als klarer Favorit gegen Lettland an. Im Herbst vergangenen Jahres hatten die Schützlinge von Trainer Pavel Vrba alle vier Begegnungen in der EM-Qualifikation gewonnen. Darunter waren ein, wenn auch glücklicher Heimsieg gegen die Niederlande, ein verdienter Auswärtserfolg in der Türkei und hart erarbeitete drei Punkte zu Hause gegen Island.



Vladimír Darida und Bořek Dočkal  (Foto: ČTK)
Kein Wunder also, dass Tschechien auch am Samstag das ganze Spiel über die aktivere Mannschaft war. Die Letten hatten damit aber gerechnet, zogen sich immer wieder weit vor das eigene Tor zurück und lauerten auf Konter. Das zahlte sich aus, als nach einer halben Stunde Bořek Dočkal einen Freistoß ausführte – denn statt hoch in den Strafraum spielte er den Ball schräg nach hinten, wo Mitspieler Jaroslav Plašil postiert war. Doch das Zuspiel war ungenau und leitete den Konter zum lettischen Führungstor ein. Unglücksrabe Dočkal bekannte nach dem Spiel:

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„Das war klar mein Fehler. Mein Gedanke war, dass die Letten unsere hohen Bälle bei Standardsituationen bis dahin immer abwehren konnten, weil sie viele gute Kopfballspieler haben. Deswegen habe ich geglaubt, es sei besser, den Freistoß flach zu spielen. Aber die Letten waren heute sehr gut vorbereitet auf unsere Standards. Sie haben meinen Ball schnell abgefangen, und so kam das Gegentor zustande. Ich habe die Situation schlecht gelöst.“

Trotz spielerischer Überlegenheit hatte das tschechische Team bis zur Halbzeit nur eine nennenswerte Gelegenheit zum Torerfolg. Schüsse aus der zweiten Reihe wurden gar nicht erst versucht. Stattdessen waren die Letten auch bei Standardsituationen gefährlich. Nach der Pause wurden die Platzherren notgedrungen noch offensiver – und öffneten dem Gegner damit aber Raum für weitere Konter. Torhüter Petr Čech:

Petr Čech  (Foto: ČTK)
„In der zweiten Halbzeit haben wir vor allem darauf gespielt, ein Tor zu erzielen. Deswegen haben wir nach hinten nicht mehr so gut abgesichert, und es stimmt, dass die Letten einige Kontermöglichkeiten hatten. Daraus haben sie aber zum Glück zu wenig gemacht, sonst wäre mindestens noch ein weiteres Gegentor gefallen. Allerdings konnten wir beim Stand von 0:1 nicht mehr darauf warten, dass sich die Lücken von selbst ergeben. Wir wollten zumindest den Ausgleich schießen und wenn möglich das Spiel noch drehen. Deswegen sind wir größeres Risiko gegangen, was sich am Ende auch für uns ausgezahlt hat.“

Václav Pilař  (links). Foto: ČTK
Allerdings dauerte es bis zur 89. Minute, als Vladimír Darida einen Geistesblitz hatte. Der Mittelfeldspieler vom SC Freiburg spielte einen steilen Pass in den Strafraum, der aufgerückte Innenverteidiger Václav Procházka legte den Ball quer, und aus dem Getümmel vorm lettischen Tor gelang dem eingewechselten Václav Pilař der Ausgleichstreffer. In der Nachspielzeit war sogar noch der Sieg der Tschechen möglich. Erneut war es Darida, der die Situation einleitete. Seinen tückisch aufsetzenden Schuss von der Strafraumgrenze konnte der ansonsten gut haltende lettische Keeper Andris Vanins nur nach vorne abwehren. Erneut gab es ein Getümmel vorm Tor, aus dem heraus Stürmer Tomáš Necid aber nur den eigenen Mitspieler traf. So blieb es beim leistungsgerechten 1:1-Unentschieden.


Theodor Gebre Selassie  (Foto: Opihuck,  Wikimedia CC BY-SA 3.0)
Über die ganze Begegnung gesehen war auf tschechischer Seite sicher der rechte Außenverteidiger Theodor Gebre Selassie bester Mann auf dem Platz. Außer einem Patzer zu Spielbeginn agierte er sicher und leitete viele Angriffsbemühungen seines Teams ein. Der Bundesligaprofi von Werder Bremen gewann dabei gefühlt jeden Kopfball. Nach dem Unentschieden stand er Radio Prag für ein kleines Gespräch zur Verfügung:

Theodor Gebre Selassie, ist das aus Ihrer Sicht nun ein gewonnener Punkt, oder sind es zwei verlorene Punkte?

„Für mich sind es zwei verlorene Punkte, denn wir haben vor dem Spiel gesagt, dass wir gewinnen wollen, und wir haben es nicht geschafft.“

Das tschechische Team war über das gesamte Spiel gesehen besser, aber in der ersten Halbzeit gab es eigentlich kaum eine richtige Chance. In der zweiten Halbzeit dann aber schon. Was war der Unterschied und woran lag das?

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„Ich glaube, wir haben in der ersten Halbzeit zu kompliziert gespielt. Manchmal muss man das Ganze ein bisschen einfacher lesen. Das Gegentor war ziemlich unnötig.“

Schauen Sie sich eigentlich auch schon die Tabelle für die Europameisterschafts-Qualifikation an? Rechnen Sie da schon, oder wird das alles im Moment noch ausgeblendet?

„Also, erst einmal haben wir so gesehen nicht verloren, wir haben in der letzten Minute den Ausgleich geschossen. Es hätte noch schlimmer für uns sein können. Ich schaue erst am Ende der Qualifikation, ob die Punkte reichen.“

Theodor Gebre Selassie  (Foto: Archiv Werder Bremen)
Noch eine Frage zur Bundesliga: Bremen hat sich unten ziemlich stark herausgearbeitet, und Sie sind ja Stammspieler. Für Sie muss das im Moment eine sehr gute Zeit sein – könnte man das so sagen?

„Ja ich muss sagen, dass das nicht nur für mich eine gute Zeit ist, sondern auch für die ganze Mannschaft. Wir spielen viel besser als im Vergleich zum Saison-Start. Wir müssen erst einmal abwarten, wie die nächsten Spiele ablaufen. Wir brauchen so schnell wie möglich einen weiteren Sieg. Erst dann können wir sagen, was wird.“

Ob noch die internationalen Plätze drin sind…

„Genau.“


Foto: Anton,  CC BY-SA 3.0
Verlorene zwei Punkte oder ein gewonnener Punkt? Das war nach der Begegnung gegen Lettland eine der Hauptfragen. Etwas positiver als Gebre Selassie äußerte sich dazu Torhüter Petr Čech.

„Schade, dass in der allerletzten Spielminute nicht unser zweites Tor fiel. Das wäre natürlich besser gewesen. Aber nach diesem Spielverlauf müssen wir mit dem einen Punkt zufrieden sein. Außerdem: Wenn uns jemand zu Beginn der EM-Qualifikation gesagt hätte, dass wir nach fünf Spielen 13 Punkte haben würden, dann hätten wir das mit offenen Armen angenommen. Wir machen einfach weiter.“

Was der Keeper vom Premier-League-Verein Chelsea zu dem Zeitpunkt nicht wissen konnte: Später am Abend ließ auch Gruppenfavorit Niederlande zwei Punkte liegen. Zu Hause in Amsterdam reichte es nur zu einem 1:1 Unentschieden gegen die bisher glücklosen Türken. Stattdessen gewann Island problemlos mit 3:0 in Kasachstan. Tschechien bleibt also Tabellenführer der Gruppe A, mit einem Punkt Vorsprung vor den Isländern auf dem zweiten Platz und sechs Punkten vor den Niederlanden auf Rang drei.

In den verbleibenden fünf Spielen braucht Tschechien noch mindestens zwei Siege, um eine Chance auf die direkte Qualifikation zur Europameisterschaft in Frankreich zu haben. Mit drei Siegen wäre man diesem Ziel schon ziemlich nah, jeder Punkt mehr dürfte die Sicherheit bieten, erneut zur EM zu fahren. Als Nächstes steht im Juni die Auswärtsbegegnung in Island an – die könnte bereits richtungsweisend sein.

Autor: Till Janzer
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