Fußball-WM-Qualifikation: Tschechiens Kicker stehen mit dem Rücken zur Wand

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Der nun folgende Sportreport steht ganz im Zeichen von "König Fußball". Für die tschechische Fußball-Nationalmannschaft geht es nämlich in diesen Tagen bereits um Alles oder Nichts in der Qualifikation für die WM-Endrunde 2006 in Deutschland. Lothar Martin bringt Sie auf den aktuellen Stand.

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Der tschechische Fußball steht mit dem Rücken zur Wand. Und das in jeder Hinsicht. An der Oberfläche schwelt nach wie vor der im Frühjahr 2004 ins Rollen gebrachte Korruptionsskandal in der höchsten Spielklasse des Landes, der so genannten Gambrinus Liga. Dieser Skandal wurde nie richtig ernst genommen, weil den Verantwortlichen im Böhmisch-Mährischen Fußballverband (CMFS) und den Hauptakteuren der Auswüchse - die Spielausgänge mittels Bestechung manipulierenden Manager einiger Teams sowie die diese Bestechungsgelder in Empfang nehmenden Schiedsrichter - nicht daran gelegen war, das gesamte Ausmaß der Bestechungsaffäre jemals aufzuklären. Vielmehr waren und sind die Fußball-Funktionäre damit beschäftigt, sich bei den Wahlen für das Amt des Verbandspräsidenten gut zu positionieren. Denn schon zweimal in diesem Jahr ist die Wahl eines neuen Präsidenten gescheitert, weil sich die verfehdeten Lager aus Böhmen und Mähren bei der Durchsetzung ihrer Spitzenkandidaten bisher gegenseitig blockierten. Der dritte und hoffentlich letzte Wahlversuch soll in zehn Tagen, am 21. Oktober in Angriff genommen werden. Zu diesem Zeitpunkt wollten sich die Verbandsoberen gern mit der Feder schmücken, dass das Aushängeschild des hiesigen Fußballs, die Nationalmannschaft, schon als Teilnehmer für die WM-Endrunde 2006 feststeht. Doch daraus wird nichts. Im Gegenteil! Sollte die tschechische Auswahl in ihrem abschließenden Qualifikationsspiel in der Europa-Gruppe 1 am Mittwoch in Helsinki gegen Gastgeber Finnland nicht gewinnen, dann wird sie ein weiteres Mal nur WM-Zaungast sein!

Karel Brückner  (Foto: CTK)
Die Tschechische Republik, die noch vor Jahresfrist bei der Europameisterschaft in Portugal den wohl attraktivsten und fast auch erfolgreichsten Fußball des Turniers gespielt hat, nicht bei der Weltmeisterschaft? Das könnte leider nur allzu schnell traurige Gewissheit werden, wenn die Kicker gegen Finnland nicht das ausbügeln, was sie im zurückliegenden Monat gleich zweimal fabriziert haben: eine 0:2-Niederlage gegen die ärgsten Mitkontrahenten in der Qualifikationsgruppe 1, Rumänien und die Niederlande. Die jüngste dieser beiden Pleiten, das 0:2 in Prag gegen die danach als Gruppensieger und WM-Teilnehmer feststehenden Holländer, habe ich live, und zwar so gesehen:

Ja, der Elfmeter, den Tomas Rosicky in der 30. Minute beim Stand von 0:0 nicht verwandeln konnte, war nach der Begegnung das Gesprächsthema Nummer eins. Tschechiens Verteidiger Zdenek Grygera sah aber auch noch andere Szenen, die Spiel entscheidend waren:

Tomas Rosicky  (Foto: CTK)
"Ganz sicher ist die Enttäuschung groß, denn in der zweiten Halbzeit waren wir ziemlich Spiel bestimmend. Nur leider ist uns kein Tor gelungen, mit dem wir ins Spiel zurückgekommen wären, um dann noch die Wende zu schaffen. Uns fehlte auch etwas das Glück, denn nachdem wir den Strafstoß nicht nutzen konnten, bekamen wir quasi im Gegenzug das 0:1 und kurz darauf nach einem Eckball das 0:2. Das war sehr unangenehm, und es war doppelt schade, dass der Referee unserem zwischenzeitlichen Ausgleichstreffer die Anerkennung wegen angeblichen Abseits versagte."

Edwin van der Saar, der glänzend haltende holländische Keeper, der mit dem von ihm parierten Elfer den Grundstein für den Auswärtssieg seines Teams gelegt hatte, wusste wiederum hervorzuheben, dass die tschechische Mannschaft trotz ihrer vielen Verletzungsausfälle ein starker und unbequemer Gegner war:

"Ganz sicher hat den Gastgebern Jan Koller sehr gefehlt, aber auch Milan Baros ist ein sehr guter Stürmer, mit dem wir so unsere Probleme hatten. Das tschechische Team hat alles versucht, doch wir haben insbesondere im Mittelfeld und in der Abwehr hervorragend dagegen gehalten. Die Tschechen aber werden in Finnland gewinnen."

Eine Aussage, die der Trainer der unterlegenen Mannschaft, Karel Brückner, sehr gern gehört haben wird. Doch Brückner wäre nicht Brückner, wenn er das auf dem Platz erkennbare Kräfteverhältnis nicht richtig einordnen würde:

"Ja, ich habe dem Trainer unseres Kontrahenten bereits zum Sieg und der damit sicheren Qualifikation zur Weltmeisterschaft gratuliert. Das holländische Team ist wirklich gut zusammengesetzt und stark. Dagegen haben unsere Mittel heute nicht ausgereicht."

Marco van Basten  (Foto: CTK)
Während die tschechische Mannschaft in der Europa-Gruppe 1 also bis zur letzten Minute um ihre WM-Chance kämpfen und im Falle des erhofften Sieges in Finnland noch die Relegation gegen einen anderen Gruppen-Zweiten bestreiten muss, konnte auch Radio Prag dem sympathischen niederländischen Bondscoach Marco van Basten nach der Partie zur verdienten Teilnahme an der WM-Endrunde in Deutschland gratulieren:

Herr van Basten, herzlichen Glückwunsch zur erfolgreichen Qualifikation für die WM-Endrunde in Deutschland! Als Sie vor einem Jahr das Amt des Bondscoaches übernommen haben, haben Sie es Ihrer Mannschaft schon damals zugetraut, dass sie so phänomenal und ohne Niederlage in der WM-Qualifikation durchstarten würde, oder hat Sie das selbst überrascht?

"Das hat auch mich überrascht. Wir haben mit einem 2:0-Heimsieg über Tschechien begonnen. Der Sieg war gut, aber auch glücklich. Beim nächsten Spiel in Mazedonien reichte es für uns nur zu einem 2:2. Diese Begegnung war von unserer Seite nicht so gut, sondern ein bisschen problematisch. Aber danach sind wir von Spiel zu Spiel immer besser geworden, und daher glaube ich, dass wir auf einem guten Weg sind."

Was schätzen Sie an ihrer Mannschaft am meisten?

"Nun, das sind mehrere Dinge. Ich glaube zunächst einmal, dass wir im wahrsten Sinne des Wortes ein gutes Team sind, in dem sich Jeder auch für den Anderen einsetzt. Zudem haben wir eine noch relativ junge Mannschaft mit vielen jüngeren Spielern, die über einige Qualitäten verfügen. Offensiv haben wir wie stets viele Alternativen, aber inzwischen ist auch unsere Verteidigung sehr gut. Das ist ein wichtiges Merkmal, denn man muss im heutigen Fußball sowohl gut angreifen als auch gut verteidigen können. Das trifft auf uns doppelt zu, denn wir haben in der Vergangenheit nicht selten Probleme in der Abwehr gehabt."

Über den Ausgang des Spiels Finnland gegen Tschechien informieren wir Sie in unseren aktuellen Nachrichten.

Autor: Lothar Martin
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