Sportreport

Ahoi und herzlich willkommen zum Sportreport von Radio Prag. Am Mikrofon begrüßt Sie Lothar Martin.

Neben Fußball, Eishockey und Tennis gehört noch eine vierte Sportart zu den ganz großen Attraktionen in der Tschechischen Republik - der Motorsport. In vielen kleineren und mittleren Ortschaften werden regelmäßig Auto- oder Motorradrennen ausgetragen, doch neben dem alljährlichen WM-Lauf der Straßen-Motorradpiloten in Brno/Brünn hat sich kaum eine Motorsportveranstaltung in Tschechien nachhaltig in den Köpfen der Sportfans eingeprägt. Darum kommt der kommenden Woche eine nahezu historische Bedeutung zu. Denn erstmals seit 30 Jahren wird hierzulande eine traditionsreiche Motorradrennserie ausgetragen, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg und insbesondere in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts einer riesigen Popularität in der damaligen Tschechoslowakei erfreute: das Internationale Sechstagerennen der Enduro-Rennfahrer. Die besser als Six Days bekannte Rennserie gilt als die härteste Prüfung im Motorradgeländesport. Die 77. Ausgabe dieser Mannschafts-Weltmeisterschaft der Enduro-Racer findet vom 24. bis 29. September in Nordböhmen statt und soll daher das zentrale Thema unserer heutigen Sendung sein. Darüber hinaus werden wir eine erfolgreiche tschechische Sportlerin vergangener Tage würdigen, die am Donnerstag ihren 80. Geburtstag feiert. Sie wollen den Namen der Sportlerin erfahren - dann bleiben Sie doch einfach dran.

Die Bijouterie- und Glaskunststadt Jablonec nad Nisou/Gablonz wird ab Sonntag der zentrale Ausrichtungsort der 77. Six Days sein. Wenn dann im städtischen Stadion Na Strelnici die große Eröffnungsfeier steigt, werden gleichzeitig auch über 5000 Rennfahrer aus 31 Ländern in den Startlisten der drei großen Wettbewerbe stehen, die ausgefahren werden: die als offizielle WM-Konkurrenzen geführten Kategorien Trophy und Silbervase sowie die Rennserie um die Klubtrophäe. In der Top-Konkurrenz, der WM-Trophy, hatte die ehemalige Tschechoslowakei in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg bis zu Beginn der 80er Jahre große Erfolge gefeiert. Von 1947 bis 1982 ging man hier nicht weniger als 15 Mal als Sieger hervor. Doch danach kam es zum großen Einbruch, für den der fünffache Six-Day-Gewinner Petr Cemus folgende Gründe sieht: "Diesen Einbruch würde ich als Jawa-Fahrer so sehen: Ich bin immer eine Jawa gefahren und war stets ein Anhänger unserer damaligen Jawa- und CZ-Maschinen. Und deshalb habe ich auch immer gesagt, es ist ein riesiges Pech, dass es in den 80er Jahren zu einem großen Absturz bei der Entwicklung dieser Marken in ihren Fabriken kam. Das ging soweit, dass uns im Grunde genommen die ganze Welt in dieser Beziehung überholt hat. Zum Beispiel die frühere DDR, wo sich die MZ-Maschinen aus Zschopau als immer besser erwiesen haben, und so haben wir insgesamt den Anschluss in der Welt, was die Technik anbelangt, verloren. Das führte dann auch dazu, dass eine ganze Generation von Motorradfahrern bei uns ausgetauscht wurde, und die jüngere Generation hat inzwischen eine ganz andere Einstellung zu diesem Sport, als wir sie hatten. Nun, ich weiß nicht, aber ich glaube, dass wir mehr mit Feuer bei der Sache waren, während das die heutigen jungen Fahrer etwas anders sehen. Sie schauen insbesondere auch auf die finanzielle Seite dieser Sportart."

Zum anderen, so Petr Cemus, hat sich seit den 80er Jahren auch das Reglement des Sechstagerennens geändert: "Es wurden Rennen bestritten, nur die Six Days damals verliefen anders. Das Reglement hat sich inzwischen geändert. Im Jahr 1913, als das Sechstagerennen aus der Taufe gehoben wurde, da wurde auf Initiative der britischen Fahrrad- und Motorradindustrie ein Wettbewerb veranstaltet, bei dem die Zuverlässigkeit der Fabrikate und die Geschicklichkeit der Fahrer getestet wurden. Diese Tradition wurde bis in unsere Generation hinein bewahrt. Jawohl, wir hatten Motorräder, die nicht unbedingt die schnellsten waren, dafür aber sehr zuverlässig. Ich bin zum Beispiel auf einer Jawa gefahren, mit der ich keinerlei Probleme während des gesamten Sechstagerennens hatte, bei der ich so gut wie nichts reparieren musste. Das hat uns oft zum Sieg verholfen, da eine der wichtigsten Bedingungen war, dass möglichst alle in einem Team eingesetzten Fahrer auch nach dem abschließenden sechsten Rennen die Ziellinie passieren. Im Jahr 1995 allerdings ist es zu der Änderung gekommen, dass sowohl in der Trophy als auch bei der Silbervase, dem Junioren-Wettbewerb, ein Fahrer ausfallen darf. Damit ist daraus so etwas wie ein Motocross für lange Strecken geworden. Einer aus der Mannschaft kann also ausfallen, ohne dass sich dies im Klassement auswirkt. Falls zu unserer Zeit ein Fahrer aufgeben musste, haben wir uns in der Gesamtwertung gleich auf dem zehnten Platz wiedergefunden."

Petr Cemus erzählte mir mit leuchtenden Augen über die Wettkämpfe von damals, besonders über die harten und fairen Auseinandersetzungen mit den seinerzeit ebenso starken Enduro-Rennfahrern aus der ehemaligen DDR. Gut in Erinnerung sind ihm noch solche Asse wie Petr Uhlig, Salevský und all die anderen Werksfahrer aus Zschopau, die er als perfekte Truppe bezeichnete. Und Cemus stellte zudem klar: "Ich sage Ihnen etwas: Es sah immer so aus, als wenn wir nicht miteinander konnten. Wir waren aber sehr gute Kameraden, und es war auch so, dass wir hin und wieder abends etwas gemeinsam unternommen haben. Aber wenn wir dann im Starterfeld standen, da haben wir nicht einmal unseren Bruder gekannt."

Und Petr Cemus ist auch optimistisch, dass die tschechischen Enduro-Rennfahrer der heutigen Generation nach den zurückliegenden 20 mageren Jahren diesmal wieder an die einstigen Glanzzeiten anknüpfen können. Als ich ihn fragte, ob sie gute Chancen auf einen der vorderen Plätze haben, antwortete er: "Ich würde daran glauben, und zwar sehr gern. Und wissen Sie warum, weil ich denke, die Fans aus der Tschechischen Republik werden unsere Fahrer derart anfeuern, dass die über sich hinauswachsen und Leistungen zeigen werden, wie sie sie noch nicht gezeigt haben."

Ob das der Fall sein wird und wie sich die anderen Fahrer einschließlich der Favoriten aus Finnland, Italien und Frankreich schlagen werden, das können die Motorsportanhänger ab kommenden Dienstag verfolgen, wenn in Gablonz der Startschuss zu den insgesamt 1350 Kilometer langen 77. Six Days erfolgt. An den ersten beiden Renntagen wird sich das Geschehen vornehmlich im Territorium zwischen Liberec/Reichenberg und Hradek nad Nisou/Grottau abspielen. Danach verläuft die Streckenführung auch im und um das Isergebirge, bevor das Rennen nach 42 Spezialprüfungen am Sonntag in einer Woche wieder in Gablonz endet. Es werden bis zu 30.000 Zuschauer erwartet, darunter nicht wenige aus Deutschland und Polen. Daher werden, wie mir die Sprecherin der tschechischen Polizeibehörde von Nordböhmen, Jarmila Hrubesová, mitteilte, zur Bewältigung des großen Sicherheitsaufwandes auch drei Polizisten aus Sachsen zum Einsatz kommen - zwei auf dem Motorrad und einer in der Einsatzleitung des Organisationsstabes.

Dana Zátopková hat der "Lokomotive von Prag" Dampf gemacht und in prekären Situationen auf die Bremse getreten. Die Frau des vor zwei Jahren gestorbenen tschechischen Wunderläufers Emil Zátopek und Speerwurf-Olympiasiegerin von 1952 feiert am Donnerstag ihren 80. Geburtstag. 1947 heiratete die Tochter eines Obristen den damaligen Leutnant Zátopek und war ihm auch eine sportliche Weggefährtin. Dass beide am gleichen Tag im Jahr 1922 geboren, am gleichen Tag im Jahr 1952 Olympiasieger und am gleichen Tag 1954 Europameister wurden, spiegelt die Einmaligkeit dieser 48 Jahre währenden Beziehung wider. Versagt blieb dem berühmten und erfolgreichen Sportler-Ehepaar nur der Kinderwunsch.

Auch mit dem Eintritt ins neunte Lebensjahrzehnt ist die rüstige wie resolute Dana Zátopková beliebt in der Öffentlichkeit. Während der Hochwasserkatastrophe im August hat sie Nachbarn aus dem überfluteten Stadtteil Prag-Troja in ihr dort etwas höher gelegene Haus für mehrere Tage aufgenommen. In ihrem Haus hat sie auch nach dem Tod von Emil nichts verändert. Nur überfällt sie manchmal die Einsamkeit, wie sie der Prager Tageszeitung "Lidové noviny" verriet. Und dem Blatt vertraute sie auch etwas ganz Privates an: "´Topek´ liegt in Mähren begraben, aber ein wenig von seiner Asche habe ich in einem bemalten Krug. Und wenn ich mit vertrauten Freunden zusammensitze, stellen wir den Krug auf den Tisch, stoßen mit einem Glas Wein an und sprechen mit ihm. Das ist ein Ritual, das tut gut."

Und nach dieser Referenz an die beliebte Ex-Speerwerferin Dana Zátopková beenden wir unseren heutigen Sportreport, vom Mikrofon verabschieden sich - Gerald Schubert und Lothar Martin.