Am vergangenen Wochenende wurde in Tschechien an die Samtene Revolution von 1989 erinnert. Bei den Feiern ging es aber nicht nur um die Ereignisse vor 30 Jahren, Thema war auch die aktuelle Politik. So fand am Samstag erneut eine große Demonstration gegen Premier Babiš statt. Eine Umfrage zeigt jedoch, dass viele Tschechen dem eher gleichgültig gegenüberstehen.
Hunderttausende Bürger sind am 16. November in Prag zu einer Großdemonstration zusammengekommen (Foto: Martina Schneibergová)
Hunderttausende Bürger sind am vergangenen Wochenende in Prag zu einer
Großdemonstration gegen die Regierung von Premier Andrej Babiš
zusammengekommen. Dahinter stand die Bürgerinitiative „Eine Million
Augenblicke für die Demokratie“, die bereits im Sommer rund 250.000
Menschen für mehr Ehrlichkeit und eine freie Justiz auf die Straße
gebracht hat. Die Demo wurde von den meisten Bürgern Tschechiens zur
Kenntnis genommen, ein Viertel der Tschechen hat die Protestkundgebung
sogar mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Das ergibt sich aus einer
Umfrage, die das Meinungsforschungsinstitut Median im Auftrag des
Tschechischen Rundfunks durchgeführt hat. Insgesamt bedeutet dies aber
einen gewissen Rückgang gegenüber den Massenprotesten vom Juni, damals
hatte sich noch ein Drittel der Befragten stark dafür interessiert. Vor
allem jüngere Tschechen und die Wähler der konservativen
Oppositionsparteien sowie der Piraten unterstützen die Forderungen der
Initiative „Eine Million Augenblicke für die Demokratie“. Mehr als die
Hälfte der Bürger ist mit den Protestierenden jedoch nicht einverstanden.
29 Prozent der Befragten bezeichnen die Kundgebungen aber als nicht
störend, 27 Prozent wiederum verurteilen sie.
Přemysl Čech (Foto: Archiv des Institus Median)
Die Öffentlichkeit ist insgesamt aber immer stärker daran interessiert,
dass normale Bürger in die Politik miteinbezogen werden. Fast 70 Prozent
der Befragten gaben dies an bei der Erhebung. Der Soziologe Přemysl Čech
vom Institut Median dazu:
„Ich interpretiere diese Zahl in dem Sinne, dass den Aktivisten von ‚ Eine Million Augenblicke für die Demokratie‘ das gelungen ist, was sie sich zum Ziel gesetzt haben. Nämlich eine Gruppe von Bürgern zu mobilisieren, die sich am öffentlichen Leben beteiligen wollen. Nach langer Zeit ist da wieder eine echte Form bürgerlichen Engagements entstanden.“
Zudem fand die Forderung einer engeren Zusammenarbeit der Oppositionsparteien große Zustimmung. Dies gelte vor allem für Anhänger von zwei Parteien, wie Michal Geisler von Median ergänzt:
„Unter den Wählern der Piraten und der Bürgerdemokraten sind fast 80 Prozent damit einverstanden.“
Relativ wenige Menschen, konkret 38 Prozent, unterstützen hingegen die Forderung, dass Marie Benešová von ihrem Posten als Justizministerin zurücktreten soll.
Andrej Babiš (Foto: ČTK / Roman Vondrouš)
Ein weiteres Thema der Umfrage war die Festrede von Premier Andrej Babiš
(Ano) zum 30. Jahrestag der Samtenen Revolution. Etwa die Hälfte der
Befragten hat sich vergangenen Sonntag die Ansprache Babišs im Prager
Nationalmuseum angehört. Ganzen 52 Prozent der Befragten hat sie auch
gefallen. Allerdings wurde die Glaubwürdigkeit der Rede ganz anders
eingeschätzt. Für 57 Prozent der Befragten war der Inhalt nicht
überzeugend und kaum eine aufrichtige Äußerung der Ansichten des
Premierministers. Přemysl Čech dazu:
„Bei den Menschen mit Hochschulausbildung war der Anteil sogar noch höher. 72 Prozent gaben an, dass sie die Rede nicht überzeugt habe.“
Abschließend wollten die Meinungsforscher wissen, wie die Bürger in Tschechien den Jahrestag der Samtenen Revolution gefeiert haben. Demzufolge haben sich die meisten eher passiv daran erinnert, vor allem in Gesellschaft von Fernsehen und Radio. 29 Prozent der Tschechen haben hingegen überhaupt nicht gefeiert.
Bei der repräsentativen Umfrage wurden Mitte dieser Woche 1000 Menschen in ganz Tschechien befragt.