Auf dem Flughafen verhaftet, neuer Prozess: der Fall Roztocil

Rostislav Roztocil (Foto: MF Dnes, 19.12.2006)

Heute fiel die Entscheidung: Der Tscheche Rostislav Roztocil bekommt einen neuen Prozess. Gestern war er auf dem Flughafen in Prag festgenommen worden. In Tschechien galt Roztocil bis heute Vormittag noch als Mörder, in Deutschland als unbescholten. Die Polizei verhaftete ihn direkt, als er aus der Maschine stieg, mit der er aus Stuttgart angeflogen kam. Mit der Festnahme hatte Roztocil gerechnet.

Im November vergangenen Jahres war Rostislav Roztocil zusammen mit einem Komplizen aus dem Hochsicherheitstrakt des Gefängnisses Bory im westböhmischen Pilsen getürmt. Noch auf der Flucht hinter der Grenze in Österreich trennten sich beide. Der als Mörder eines bayerischen Bürgermeisters verurteilte Roman Cabrada wurde dann an der Cote d´Azur festgenommen und von den französischen Behörden ausgeliefert. Rostislav Roztocil nahm hingegen den Weg nach Bietigheim-Bissingen bei Stuttgart, weil dort seine Schwester wohnt. Zudem meldete er sich direkt bei den deutschen Behörden. Und die entschieden: Roztocil wird nicht ausgeliefert.

Rostislav Roztocil war 1985 vom Höchsten Gerichtshof der Tschechoslowakei wegen Mordes zu 24 Jahren Haft verurteilt worden. Er soll 1975 einen ägyptischen Austauschstudenten umgebracht haben. Roztocil, der damals Taxi fuhr, und der Student sollen sich in die Quere gekommen sein, vermutlich weil beide damals schwarz Geld tauschten.

Als 1985 das Urteil gefällt wird, lebt Roztocil bereits in der Emigration. Der Prozess findet also in seiner Abwesenheit statt. Wie Roztocil sagt, habe er 25 Jahre nichts von dem Urteil gewusst, geschweige denn die Anklage gelesen. Auch kann er in den 90er Jahren ohne Probleme immer wieder nach Tschechien reisen und erhält dreimal einen tschechischen Pass. Erst im Jahr 2000 wird die tschechische Polizei auf ihn aufmerksam, nimmt ihn an der deutsch-tschechischen Grenze fest und schickt ihn aufgrund des Urteils von 1985 direkt ins Gefängnis. Seitdem protestiert Roztocil gegen die tschechischen Behörden und verlangt mit Unterstützung seiner Schwester in Deutschland sowie der Bürgervereinigung Salomoun in Tschechien eine Wiederaufnahme des Prozesses. Und genau darum ist Roztocil gestern nach Prag geflogen, wie er vor seinem Abflug sagte:

Rostislav Roztocil, der heute 59 Jahre alt ist, kann sich darauf berufen, dass die Staatsanwaltschaft in Stuttgart im vergangenen Jahr seine Auslieferung nach Tschechien verweigert hat. Der zuständige Staatsanwalt begründete dies zum einen mit Zweifeln an dem Urteil aus kommunistischer Zeit an sich. Zum anderen widerspricht der damalige Rechtsfindungsprozess dem deutschen Recht. In Deutschland darf niemand in Abwesenheit verurteilt werden, es muss also zur Anhörung des Angeklagten kommen.

Heute Mittag dann die Nachricht, auf die Rostislav Roztocil seit Jahren gewartet hat: Die zuständige Richterin am Kreisgericht in Prag entschied, dass der Prozess gegen ihn wieder aufgenommen wird.