Aus Syrien ins Café Waldluft: Festival „Jeden Svět“ zeigt Dokumentarfilm am Puls der Zeit

„Eine Welt“ heißt das internationale Dokumentarfilmfestival für Menschenrechte, das Jahr für Jahr in Prag stattfindet. Das Thema für 2016 war gesetzt: Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht, die Kriege und Krisen, die dahinter stehen, scheinen weit entfernt von einem Ende. Wer abseits von Agenturmeldungen einen Einblick bekommen will, vom Alltag der Menschen in Syrien, Libyen oder der Ukraine, sollte sich das Festival „Jeden Svět“ nicht entgehen lassen.

Über 120 Filme stehen ab Montag auf dem Programm. Das Motto der Hauptsektion in diesem Jahr lautet „Suche nach Heimat“ – ein Thema, mit dem sich fast jeder Dokumentarfilm in irgendeiner Weise auseinandersetzt, sagt Programmredakteurin Eva Rybková von „Jeden Svět“:

„Das Thema Heimat finden wir überall. Wir haben uns vor dem Hintergrund der Geschehnisse in unserer Gesellschaft und in Europa angenähert, und wollen das Thema Einwanderung und Flüchtlinge präsentieren. Dem konnten und wollten wir uns nicht entziehen.“

Der Syrer Avo Kaprealian ist einer der Filmemacher, der in dieser Woche nach Prag kommt, im Gepäck der Film „Houses without doors“.

Najmi Own  (Foto: Archiv von Najmi Own)
„Er hat mehrere Monate lang das Geschehen in einer Straße in Aleppo gefilmt. Das heißt, er dokumentiert aus der immer gleichen Perspektive, vom Balkon der Wohnung seiner Familie, was in Aleppo und dem Land passiert. Und er zieht aus dem Geschehen von heute Vergleiche zur Vergangenheit.“

Zu Gast in Prag ist in dieser Woche Najmi Own aus Libyen. Er präsentiert die Reihe „Libyen in Bewegung“ (Libya in Motion). Hinter dem Projekt stehen Studenten, die das Geschehen im Land seit Gaddafis Sturz festhalten – oft mit einfachsten Mitteln, denn eine Filmindustrie gibt es praktisch nicht.

„Ich denke, dieser Film ist einzigartig, weil ihn Studenten direkt in den Straßen mit ganz gewöhnlichen Menschen gedreht haben. Er zeigt also Splitter aus den Leben der Menschen, die man heute aus solchen Ländern nur ganz schwer bekommen kann.“

Eva Rybková  (Foto: Archiv des Festivals)
Ein blinder Fleck im Weltgeschehen ist inzwischen die Ukraine, sagt Eva Rybková.

„Die Ukraine und der Krieg im Osten ist aus den Nachrichten verschwunden. Aber dort wird weiter gekämpft, und diese Kämpfe verschärfen sich sogar. Darauf wollen wir aufmerksam machen, denn unser Festival beschränkt sich nicht nur auf Filmvorführungen. Wir wollen auch debattieren und auf andere Weise mit dem Publikum kommunizieren.“

Fünf Aktivisten und Künstler aus der Ukraine diskutieren am Mittwoch im Prager Goethe-Institut zum Thema „Im Krieg schweigen die Musen“. Das Festival widmet der Ukraine eine eigene Sektion und präsentiert den Streifen „Ukrainian Sheriffs“ im Hauptwettbewerb. Dort läuft auch der Film „The barber and the bomb“. Der deutsche Regisseur Andreas Maus beschäftigt sich darin mit den Morden des NSU an türkischen Einwanderern und der jahrelangen Blindheit der deutschen Behörden:

Film von Andreas Maus
„Es ist ein sehr starkes menschenrechtliches Thema, nicht zum Thema Migration und zur derzeitigen Lage der Flüchtlinge, sondern darum, wie es den Menschen geht, die in einem neuen Land leben. Zugleich setzt sich der Film damit auseinander, wie das Gastland mit Ausländerhass umgeht. Außerdem ist er filmisch interessant, denn ein Teil besteht aus Spielfilmszenen nach originalen Polizeiprotokollen.“

Seine internationale Premiere feiert ein weiterer deutschsprachiger Film: „Café Waldluft“ begleitet Kriegsflüchtlinge, die in einem Berchtesgadener Berghotel mit der bayerischen Mentalität konfrontiert werden – Blasmusik und Böllerschützen inklusive.


Film von Andreas Maus
Das Filmfestival „Jeden Svět“ in Prag beginnt am Montag, 7. März und dauert bis zum 15. März. Danach geht das Festival auf Tour durch viele tschechische Städte. Das Programm gibt es im Internet unter www.jedensvet.cz, mehr zum Ukraine-Schwerpunkt unter https://www.goethe.de/ins/cz/de/ver.cfm?fuseaction=events.detail&event_id=20704039