Borkenkäferstreit: Wissenschaftler geben Öko-Aktivisten recht

Foto: Archiv von Hnutí Duha / Bewegung Regenbogen

Im Nationalpark Böhmerwald bemühen sich seit 18 Tagen Umweltaktivisten, das Abholzen der vom Borkenkäfer befallenen Bäume zu verhindern. Die Wissenschaftler geben den Umweltfreunden Recht.

Blockade-Aktionen der Bewegung Regenbogen  (Foto: Archiv von Hnutí Duha / Bewegung Regenbogen)
Die Bürgerinitiative Zelený kruh veranstaltete am Montag in Prag eine Diskussionsrunde zur aktuellen Situation im Böhmerwald. Der Naturschutz sollte ein gesellschaftlicher Prozess sein, der sich auf wissenschaftliche Argumente stütze, erklärte die Leiterin des Verbands, Júlia Solovičová.

„Wir sind beunruhigt durch die Ablehnung der wissenschaftlichen Argumente, die wir im öffentlichen Raum erleben. Darum haben wir entschieden, das Wort den Experten zu geben, denen in den Medien bislang kein Raum gewährt wurde.“



Jan Frouz  (Foto: Karls-Universität)
Am Vogelbach, wo die Umweltschützer ihre Blockade-Aktionen durchführen, sind die Bergfichten ein natürlicher Bestandteil des Öko-Systems, sagt Professor Pavel Kindlmann. Er arbeitet im Institut für globale Veränderungen an der Akademie der Wissenschaften sowie an der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Karlsuniversität.

„Die Naturwissenschaftler sagen, in den ursprünglichen Öko-Systemen soll man die Bäume nicht fällen. Diese Systeme stellen etwa 30 Prozent des Nationalparks dar.“

Jan Frouz leitet das Umweltinstitut an der Naturwissenschaftlichen Fakultät. Er hält es für tragikkomisch, dass der Streit um den Borkenkäfer auf die emotionale Ebene heruntergeschraubt wurde. Der rationale Kern der Diskussion bestehe aber darin, bis wohin die Naturzonen reichen sollen.

Jaromír Kyzour
„Die Naturzonen sind das Wertvollste, was es im Böhmerwald gibt. Der Naturschutz hat nicht nur den Schutz von Tier- und Pflanzenarten zum Inhalt. Es geht vielmehr um einen Komplex von Beziehungen zwischen den natürlichen Prozessen und den Organismen. Diesen Beziehungskomplex müssen wir aufrechtzuerhalten. Und der Borkenkäfer ist ein integraler Bestandteil der Naturprozesse.“

Frouz gibt den Umweltaktivisten recht, die an der Blockade im Böhmerwald teilnehmen. Die Protestblockade wurde von der Umweltbewegung Hnutí Duha (Bewegung Regenbogen) initiiert. Jaromír Kyzour leitet bei dieser Bürgerinitiative das Programm „Wälder“. Seiner Meinung nach macht es keinen Sinn, am Vogelbach Bäume wegen der Borkenkäferplage zu fällen:

Wald am Vogelbach  (Foto: Archiv von Hnutí Duha / Bewegung Regenbogen)
„Denn es ist ein sehr wertvolles Gebiet, wo beispielsweise Auerhahn, Dreizehnspecht oder Sperlingskauz leben. Kann sein, dass es beim Fällen von Bäumen hier am Vogelbach / Ptačí potok nur um eine Demonstration der politischen Macht geht.“

Und wie lange wollen die Umweltfreunde ihre Blockade noch fortsetzen? Jaromír Kyzour:

„Soviel ich weiß, soll der Borkenkäfer in etwa zehn Tagen die von ihm befallenen Bäume verlassen. Dann hat das Fällen von befallenen Bäumen gar keinen Sinn mehr. Die Blockade wird noch etwa zehn Tage dauern, und dann werden entweder inzwischen alle befallenen Bäume gefällt oder wird der Wald gerettet.“

Karel Schwarzenberg  (Foto: ČTK)
Es kann aber auch sein, dass die Blockade früher beendet wird. Kurz vor Redaktionsschluss wurde nämlich bekannt, dass die Partei Top 09 und die Bewegung Hnutí Duha Folgendes vereinbart haben: Die Umweltorganisation werde ihre Proteste beenden, sobald sich alle am Streit beteiligten Seiten an einen runden Tisch setzen werden und die Nationalpark-Verwaltung den Holzschlag am Vogelbach abbrechen wird. Der Außenminister und Parteichef von Top 09, Karel Schwarzenberg, zeigte Verständnis für die Protestierenden. Er kritisierte zudem die Nationalparkverwaltung, dass sie einen Großteil der Wissenschaftler aus der Diskussion ausgeschlossen habe. Die Situation im Böhmerwald schade dem Ansehen Tschechiens im Ausland, so der Außenminister. Inzwischen hat auch die EU-Kommission zur Lage im Böhmerwald Nachfragen im Außenministerium gestellt.