Brünner Marsch der Versöhnung – zum zehnten Mal, aber weiter umstritten

Foto: ČTK

Tschechen, Deutsche und Österreicher haben am vergangenen Samstag an den Brünner Todesmarsch des Jahres 1945 erinnert. Bis zu 2000 Deutsche aus Südmähren sollen dabei ums Leben gekommen sein. Zum zehnten Mal bereits wurde der Opfer gedacht – doch dies spaltet weiter die tschechische Gesellschaft.

Brünner Marsch der Versöhnung  (Foto: ČTK)
Es waren diesmal nur rund 250 Menschen, die an dem Gedenken teilgenommen haben. Darunter auch ein deutschsprachiger Brünner, der nach dem Krieg vertrieben wurde – wie weitere rund drei Millionen Sudetendeutsche. Horst Waldemar Morawek war damals als Soldat in Gefangenschaft und wurde nicht in den Todesmarsch eingereiht. Seine Frau jedoch musste mitgehen, sagte der heute 92-jährige Mann.

„Die Erzählungen, die ich anhören musste, waren furchtbar. Sie hat jedes Mal geweint, wenn sie berichtet hat, was damals passiert ist. Es wird jedoch auf beiden Seiten schlimm gewesen sein – ich will niemanden verurteilen.“

Brünner Todesmarsch 1945  (Foto: ČT24)
Am 31. Mai 1945 wurden rund 27.000 Deutsche in Brünn zusammengetrieben. Es waren vor allem Frauen und Kinder sowie alte Männer. Am darauffolgenden Tag wurden sie in Richtung Österreich getrieben. Viele überlebten die Strapazen nicht oder wurden ermordet, Frauen wurden vergewaltigt. Dem Zug wurde dann zunächst der Grenzübertritt verweigert, und man sperrte die Menschen im Ort Pohořelice / Pohrlitz in Lagerhallen für Getreide. Dort brachen Seuchen aus, weitere Vertriebene starben. Rund 2000 Todesfälle beim Marsch sind belegt.

Innerhalb der Vertreibungsgeschichte hat dieses Ereignis eine spezielle Dimension, erläutert der Brünner Historiker Tomáš Dvořák:

Tomáš Dvořák  (Foto: Archiv der Masaryk-Universität)
„An der Vertreibung der Brünner Deutschen war besonders, dass es relativ früh in diesem Umfang zu ihr gekommen ist. Es war nur knapp ein Monat nach der Befreiung. Und der Marsch wurde aufgrund seines Charakters zu einem Symbol für das inhumane und gewalttätige Vorgehen in der ersten Phase der Vertreibung, die als sogenannte wilde Phase bezeichnet wird.“

Seit 2006 erinnert eine tschechische Bürgerinitiative an das Ereignis. Der sogenannte Marsch der Versöhnung geht den entgegengesetzten Weg. Zum 70. Jahrestag hatte erstmals auch der Brünner Oberbürgermeister, Petr Vokřál, teilgenommen – und dieses Jahr wieder. Vor einigen Wochen sagte der Politiker der Partei Ano gegenüber Radio Prag:

Petr Vokřál  (Foto: ČT24)
„Der Marsch der Versöhnung hat natürlich Emotionen hervorgerufen. Aber ich muss sagen, dass er gerade von der jüngeren Generation positiv aufgenommen wird. Bei den älteren Generation der Tschechen aber nicht so. Aus dem Ausland habe ich hingegen nur gute Rückmeldungen bekommen.“

Vokřál hat sich vor Jahresfrist in einer öffentlichen Erklärung für die Vertreibung entschuldigt. Das hat bei einigen seiner Kollegen von den konservativen Bürgerdemokraten und den Sozialdemokraten, aber vor allem bei den Kommunisten für scharfe Kritik gesorgt. Diese haben sich auch dieses Jahr gegen den Marsch der Versöhnung geäußert. Josef Skála ist stellvertretender kommunistischer Parteivorsitzender:

Josef Skála  (Foto: ČT24)
„Ich halte das für eine geschmacklose und unangemessene Aktion. Wenn man die gemeinsamen Beziehungen verbessern will, dann nicht mit solchen Aktionen, die sich auf eine grobe Fälschung der historischen Wahrheit stützen.“

Jaroslav Ostrčilík hat zusammen mit weiteren Engagierten den „Marsch der Versöhnung“ ins Leben gerufen. Er sagt, dass es andersherum sei. Hierzulande habe bis vor kurzem niemand daran erinnert, dass es nach dem Krieg auch zu Verbrechen an Deutschen gekommen ist. Und das sei die eigentliche Verfälschung der Geschichte:

„Es geht mit der Aktion auch darum, eine angemessene Einstellung zur eigenen Geschichte zu finden. Und diese Geschichte war eben kompliziert.“