„Die Flüchtlinge werden im Ungewissen gelassen“ – Pfarrer Vymětal zum Hungerstreik im Lager Drahonice

Foto: ČTK

Mehr als 60 Flüchtlinge im Internierungslager Drahonice sind in den Hungerstreik getreten. Die Einrichtung 100 Kilometer westlich von Prag wurde erst im Oktober eröffnet, um das international kritisierte Lager Bělá-Jezová zu entlasten. Untergebracht sind dort etwa 100 Männer, die zumeist auf der Durchreise nach Deutschland aufgegriffen wurden. In der öffentlichen Erklärung vom Mittwoch schreiben die Streikenden, sei würden „wie Monster“ behandelt und fänden sich in Tschechien erneut in einem Gefängnis wieder. Mehr zur Situation nun von Pfarrer Mikuláš Vymětal. Er hat die Erklärung der Flüchtlinge an die Medien übermittelt.

Mikuláš Vymětal | Foto: Jana Šustová,  Archiv des Tschechischen Rundfunks
Herr Pfarrer Vymětal, Sie sind als Freiwilliger wie auch im Auftrag der Kirche in den tschechischen Abschiebelagern tätig. Am Mittwoch haben Sie eine Erklärung an die Medien übermittelt, dass über 40 Menschen im Lager Drahonice in den Hungerstreik getreten sind. Was ist der Auslöser dafür?

„Es gibt zwei Ursachen. Eine ist die Angst, dass die Lagerinsassen in den Irak abgeschoben werden. Die Flüchtlinge kommen in den meisten Fällen aus dem Irak, wo der Islamische Staat einen grausamen Kampf führt, und sie haben Angst. Und die zweite Ursache: Sie sind schon sehr lange in Haft, mehr als 90 Tage. Nun haben sie wieder eine Verlängerung um 90 Tage bekommen. Nach den anfangs sehr schrecklichen Zuständen im Lager sind sie sehr frustriert von der Situation und wollen ihre Freilassung bereits nach 90 Tagen.“

Hungerstreik im Lager Drahonice  (Foto: ČTK)
Haben Sie damit das Recht auf Ihrer Seite? Müssten sie tatsächlich freigelassen werden? Die meisten von ihnen wollen nach Deutschland weiter reisen…

„Ich würde sagen, das tschechische Innenministerium wendet die internationalen Gesetze in Bezug auf Flüchtlinge und Asylbewerber sehr frei an. Sie benutzen sie, um die Leute von einer Einreise in die Tschechische Republik und vor dem Asyl hier abzuschrecken. Das Ministerium gibt den Migranten immer die maximalen Fristen vor und lässt sie in Ungewissheit, wie lange ihr Verfahren noch dauern wird. Gesetzlich darf das bis zu einem halben Jahr dauern, einige aber haben bereits einen Termin in eineinhalb Jahren bekommen. Dadurch sind sie sehr unsicher, was ihrer Zukunft betrifft. Außerdem sind sie ohnehin in einer frustrierenden Lage und haben oft Angst um die Familie im Irak. Hier in einem Internierungslager zu sein, ist sehr anspruchsvoll. Nach so langer Zeit wollen sie ihre Situation ändern, auch durch so ein friedliches Mittel wie den Hungerstreik.“

Lager Drahonice  (Foto: ČTK)
Am Mittwochnachmittag hat sich die Situation in Drahonice weiter verschärft, es war von mehreren Flüchtlingen die Rede, die sich selbst verletzt haben, einer wurde in ein Krankenhaus gebracht. Was wissen Sie darüber?

„In der Gruppe der Streikenden, die inzwischen etwa 60 Personen umfasst, gibt es auch radikalere, jüngere Männer, die sich verletzen oder sogar umbringen wollen, um die anderen zu befreien. Die älteren, die für die Gruppe sprechen, sind dagegen, doch sie haben keine Mittel, um die jüngeren zu beruhigen. Vier Personen dort haben sich nun selbst verletzt, einer wurde von der Polizei verletzt. An diesem Donnerstag haben die Sprecher der Gruppe nun wieder eine Erklärung verfasst, dass sie mit dem Hungerstreik auf friedliche Weise um ihre Freilassung bitten wollen. Sie akzeptieren aber die tschechischen Gesetze und erkennen an, dass sie rechtmäßig inhaftiert sind.“

Foto: ČTK
Sie kennen auch die Situation in Bělá-Jezová. Wie ist es in Drahonice, kritisieren die Flüchtlinge auch die Bedingungen oder geht es um die Freiheit?

„Bělá war zu Recht so stark in der Kritik. Dadurch haben sich viele Dinge verbessert. Die Menschen in Drahonice waren zuvor in Bělá. Sie kennen beide Orte. Verbessert haben sich formale Dinge: Sie bekommen ein warmes Essen, haben genug Kleidung, die Zimmer sind warm. Die Flüchtlinge akzeptieren die Situation, auch die Streikenden. Ihr Protest richtet sich nicht gegen die Bedingungen, sondern dass sie dort möglicherweise noch lange bleiben müssen. Die andere Sache ist, wie dort mit den Menschen umgegangen wird. Meines Erachtens sind die Mitarbeiter und Pädagogen, die dort für Freizeitaktivitäten zuständig sind, korrekt und auch beliebt. Mit der Polizei ist es nicht so eindeutig. Einige sind freundlich, andere brutal. Und ich habe von zwei oder mehreren Vorfällen gehört, in denen die Dolmetscher durch Ironie und unangebrachtes Verhalten Situationen verschärft haben. Die offiziellen Übersetzer ins Arabische dort sind auf Seiten der hart durchgreifenden Polizei, und gegen die Streikenden und Flüchtlinge im Allgemeinen. Das beeinflusst die Atmosphäre dort sehr stark.“

Milan Chovanec  (Foto: Archiv von Milan Chovanec)
Innenminister Chovanec hat am Mittwoch mit der Aussage reagiert, die Hungernden würden mit ihrem Streik nichts erreichen. Was denken Sie, wie geht es weiter in Drahonice?

„Innenminister Chovanec wählt starke Worte. Aber er hat nicht so viel Macht, auch nicht über sein eigenes Ministerium, und er unterliegt der öffentlichen Meinung auf der ganzen Welt. Dank des internationalen wie auch tschechischen Drucks haben sich sehr viele Dinge in Bělá-Jezová verbessert. Meines Erachtens hat das Innenministerium Unrecht. Sie können sehr viel ändern. Zudem ist die öffentliche Meinung im In- und Ausland sehr wichtig für das Handeln der Politiker bei uns. Sie haben nicht so viele Ideen, sondern reagieren nur auf die Atmosphäre in der Gesellschaft.“