Zum 1. Januar 2015 wurden in Tschechien die sieben Jahre zuvor eingeführten Arzt- und Rezeptgebühren wieder abgeschafft. Die jeweils 30 Kronen (1,10 Euro), die ein Patient bis dahin für einen Arztbesuch oder die Einlösung eines Rezepts zu zahlen hatte, wollte die Regierung Sobotka durch staatliche Zuwendungen kompensieren. Nun aber beklagen mehrere Apotheken, insbesondere auf dem Lande, dass die Ersatzzahlungen viel zu gering seien und sie damit in den Ruin getrieben würden.
Apotheke in Jinočany (Foto: Google Street View)
Jinočany ist eine 2500-Seelen-Gemeinde südwestlich von Prag. Im Ort gibt
es eine Apotheke. Mária Fišarová ist die Besitzerin. Im Tschechischen
Fernsehen (ČT) schildert sie ihre aktuelle Situation:
„Ich bin die Besitzerin und Apothekerin, aber auch die Laborantin und Putzfrau der Einrichtung. Und leider wird sich vermutlich bis zu meinem Lebensende nichts daran ändern, denn eine weitere Arbeitskraft kann ich mir nicht leisten.“
Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag
Erst im vergangenen Jahr musste Mária Fišarová ihre Ausgaben weiter
einschränken. Ein gewichtiger Grund dafür war die Abschaffung der
Rezeptgebühr. Statt der 30 Kronen pro Rezept, die der Kunde zu entrichten
hatte, bekam sie nur noch je 12 Kronen durch die Krankenkasse. Dabei kann
sich Fišarová nicht über Kundschaft beklagen. Weil sie in Umland die
einzige ist, kommen täglich auch bis zu 100 Kunden aus den benachbarten
Dörfern.
Wegen der Aufhebung der Rezeptgebühr zu Beginn vergangenen Jahres haben die Apotheken des Landes fast eine Milliarde Kronen (ca. 37 Millionen Euro) weniger erhalten. Kleine Dorfapotheken wie in Jinočany gibt es in Tschechien mehr als 600. Allein im vergangenen Jahr haben rund 40 von ihnen dicht gemacht. Lubomír Chodoba ist Präsident der Tschechischen Apothekerkammer.
Lubomír Chudoba (Foto: Marián Vojtek, Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Neben dem Umstand, dass die Rezeptgebühren nur teilweise kompensiert
wurden, liegt das wirtschaftliche Hauptproblem der Apotheken darin, dass
die Arzneimittel-Preise ständig weiter fallen.“
Dadurch sinkt auch die Gewinnspanne für die Apotheker. Die Verhandlungen mit den Krankenkassen betreffs einer besseren Finanzierung ihres Gewerbes ziehen sich indes schon über Monate hin. Bisher ohne Ergebnis. Der Präsident des Verbandes der tschechischen Krankenkassen, Ladislav Friedrich, erklärte dazu:
„Die Krankenkassen würden nicht blockieren, die Finanzverhandlungen würden im Februar aufgenommen“, so Friedrich.
Für Laien ist es indes verwunderlich, dass mehreren Apotheken das Geld ausgeht. Schließlich könnten sie auch mehr auf individuelle Kundenwünsche eingehen, eigene Mixturen anrühren oder Medikamente frei verkaufen. Der Vorstandschef des Apothekennetz-Verbandes, Daniel Horák, gibt jedoch zu bedenken:
Foto: Lenka Šipošová, Archiv des Tschechischen Rundfunks
„Die Apotheken unterscheiden sich voneinander. Die eine ist direkt einem
Krankenhaus angeschlossen, die andere befindet sich in einem Shopping
Center, die dritte in einem kleinen Ort. Allgemein lässt sich jedoch
sagen, dass die Apotheken 80 Prozent ihres Gewinns aus dem
rezeptpflichtigen Verkauf von Medikamenten und nur zu 20 Prozent aus dem
freien Verkauf von Arzneimitteln generieren.“
Insgesamt gibt es in Tschechien rund 2500 Apotheken. Die Eröffnung weiterer Filialen konnten sich in den zurückliegenden Jahren nur die großen Handelsketten in den Einkaufszentren von Großstädten erlauben. Doch gemessen am EU-Durchschnitt sei Tschechien mit Apotheken gut versorgt, sagt Horák. Laut dem EU-Durchschnitt entfällt eine Apotheke auf 3700 Einwohner, in Tschechien deckt sie fast 4000 Einwohner ab.