Erotikfilm „Extase“ eröffnet Programm bei Filmfestival in Venedig

Extase (Foto: Nationales Filmarchiv)

Das Filmfestival in Venedig ist eines der drei bedeutendsten seiner Art und zugleich die älteste Filmschau der Welt. Am Mittwoch hebt sich dort der Vorhang für die 76. Auflage. Doch schon am Vorabend wird in der Sektion Venice Classics mit „Extase“ ein 85 Jahre alter tschechischer Erotikfilm gezeigt, der Geschichte geschrieben hat. Der Streifen von Regisseur Gustav Machatý wurde eigens dafür digital restauriert.

Extase  (Foto: Nationales Filmarchiv)
In einer renommierten Werkstatt in Bologna wurde Extase digitalisiert. Der hauptverantwortliche Tonrestaurator Gilles Barberis versuchte mehrfach, die Ursache für den stumpfen Ton in der Abschlussszene des Streifens herauszufinden. Es war nicht möglich, den Ton auf eine heute übliche Qualität zu „frisieren“, auch deshalb nicht, weil man nicht mehr die damaligen Lautsprecher benutze, erklärte Barberis. Andererseits wollte man bei der Digitalisierung des alten Meisterwerks auch eine möglichst hohe Authentizität des Tons beibehalten, ergänzte der Restaurator. Dem pflichtet der Direktor des Filmarchivs in Prag, Michal Bregant, bei:

„Wir wollten die ursprüngliche Bildqualität des Films erreichen. Und das Gleiche gilt für den Ton. Denn wir sind uns dessen bewusst, dass ganz am Anfang der Kinematographie die Technik bei der Aufnahme und der Wiedergabe des Tons anders war als heute.“

Hedy Lamarr  (Foto: Nationales Filmarchiv)
Die Handlung des Films aus dem Jahr 1934 galt seinerzeit als ungebührlich. Eine unglücklich verheiratete Frau sucht und findet einen Liebhaber. Doch es war noch etwas anderes, das zu einem Skandal führte in allen Ländern, in denen der Film gezeigt wurde: Die Hauptdarstellerin – die Wienerin Hedwig Eva Maria Kiesler, die später als Hedy Lamarr berühmt wurde – ist in Nacktszenen zu sehen. Doch genau darum ging es dem tschechischen Regisseur Gustav Machatý – er hoffte, dass sein Streifen dadurch in der ganzen Welt berühmt wird. Deswegen hat er ihn auch gleich in drei Sprachversionen gedreht – in Tschechisch, Deutsch und Französisch. Nach Aussage von Michal Bregant wurde der Film in den Ländern jedoch unterschiedlich hart zensiert. Einigen schmeckte die Handlung nicht, andere störten sich wiederum an den Nacktszenen. Und im vorwiegend katholisch geprägten Italien versuchte gar der Papst persönlich, die Ausstrahlung des Films zu verhindern. Doch es kam anders, schildert Archivleiter Bregant:

Michal Bregant  (Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Angeblich hat Regierungschef Benito Mussolini persönlich eingegriffen, damit der Film freigegeben wurde. Denn der Streifen hatte bereits Legendenstatus erreicht, das vor allem wegen des Charmes von Hedy Kiesler.“

Zu der Zeit, als „Extase“ in die Kinos kam, waren in Deutschland bereits die Nationalsozialisten an der Macht. Und das wiederum hatte noch eine ganz andere Auswirkung auf den Streifen, erläutert Michal Bregant:

„Es gab viele Eingriffe der Zensur in diesen Film. Besonders bemerkenswert aber war jene Änderung, die in Deutschland vorgenommen wurde: Dort wurde die Szene entfernt, in der der unglückliche Ehemann Selbstmord begeht. Das war für das nationalsozialistische Deutschland ein absolutes Tabu.“

Neben dem damals vieldiskutierten und nunmehr runderneuerten Film „Extase“ hat Tschechien in Venedig aber noch mehr zu bieten. Denn mit der Produktion „Nabarvené ptáče“ (deutsch: Der bemalte Vogel) des Regisseurs Václav Marhoul hat es erstmals seit 25 Jahren wieder ein Streifen aus dem Land in den Hauptwettbewerb dieses bedeutenden Filmfestivals geschafft.

Autor: Lothar Martin
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