EU-Debatte: Tschechien für Einfuhrbeschränkung chinesischer Textilien

Alles 'Made in China'
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Das, was nach der weltweiten Liberalisierung des internationalen Textil- und Bekleidungsmarktes zum 1. Januar dieses Jahres vorauszusehen war, ist eingetreten: Mit der Aufhebung zuvor geltender Exportbeschränkungen hat halb Europa mit einer regelrechten Textilschwemme aus China zu kämpfen. Daher haben sich nun auf Antrag von Frankreich insgesamt 13 europäische Länder dafür ausgesprochen, innerhalb der EU-Legislative neue, die Einfuhr begrenzende Quoten festzulegen. Zu den Befürwortern einer solchen Regelung gehört die Tschechische Republik. Lothar Martin sagt Ihnen, weshalb.

Das nach den zum Teil strittigen Auseinandersetzungen in der Welthandelsorganisation (WTO) am 1. Januar ausgelaufene Abkommen über Textilien und Bekleidung (ATC) hatte zur Folge, dass der europäische Import von chinesischen Textil- und Schuherzeugnissen im ersten Quartal dieses Jahres von zuvor 51 Prozent auf sage und schreibe 534 Prozent angestiegen ist. Was dieser exorbitante Importzuwachs für Europa bedeute, dazu sagte der EU-Kommissar für Handel, Peter Mandelson:

"Einige dieser Zahlen sind in der Tat dramatisch. In einer solchen Situation kann Europa nicht nur einfach so zusehen, was geschieht. Die Zeit ist gekommen, etwas dagegen zu tun. Deshalb empfehle ich, mit einer Überprüfung der Veränderungen in neun Kategorien zu beginnen. Dazu gehören Trikothemden, Pullover, Blusen, Männerhosen, Strümpfe, Damenmäntel oder Büstenhalter."

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Diese Empfehlung sprach Mandelson zu Beginn dieser Woche auf einem Treffen europäischer Wirtschaftsvertreter in Luxemburg aus, bei dem die Tschechische Republik durch den stellvertretenden Wirtschaftsminister Martin Tlapa vertreten wurde. Wie Tlapa informierte, können die von Mandelson veranlassten Überprüfungen bis zu zwei Monate dauern, auch wenn die an einer Einfuhrbeschränkung interessierten Staaten, allen voran Frankreich und Italien, auf eine schnellere Prozedur drängen. Die Überprüfung der durch die Textilschwemme aus China in Europa hervorgerufenen Veränderungen müsse in ihrem Ergebnis nicht automatisch zu neuen Restriktionen führen, soweit die EU-Mitgliedsländer nicht aufzeigen, dass sie unter den Importen aus China auch tatsächlich leiden. Es sei erforderlich, die entstandenen Nachteile nachzuweisen, zum Beispiel bei der Beschäftigung, betonte Tlapa. Die tschechischen Textilproduzenten haben diesbezüglich bereits deutlich gemacht, dass die gegenwärtige Situation rund ein Drittel der 120.000 in ihrer Branche noch vorhandenen Arbeitsplätze gefährde. Daher hat Milan Urban, der Wirtschaftsminister des Landes, auch erklärt:

"Ich will es klar und deutlich sagen: Die Tschechische Republik wird ihre Textil- und Schuhindustrie verteidigen, und wir werden uns sehr lautstark dafür einsetzen, dass es zu keiner Gefährdung der damit verbundenen Arbeitsplätze in Tschechien kommt."

Auch Martin Jahn, der tschechische Vizepremier für Ökonomie, hat sich in einem Brief an EU-Kommissar Mandelson für Maßnahmen zum Schutz der europäischen Textilindustrie vor der Importschwemme aus China ausgesprochen. Doch längst nicht jedes EU-Land ist der gleichen Auffassung. So haben zum Beispiel Deutschland, Großbritannien, die Niederlande und Schweden die Liberalisierung des Handels verteidigt; die europäischen Textilproduzenten hätten ihrer Meinung nach zehn Jahre lang Zeit gehabt, sich auf die Aufhebung der Importquoten vorzubereiten. Und die tschechische Tageszeitung "Hospodarske noviny", die auch eine Lanze für die Liberalisierung bricht, schreibt u. a.: "Eine zweite Antwort ist die finnische: In Tampere, wo vor 20 Jahren noch Textilfabriken standen, werden jetzt die Mobiltelefone der Firma Nokia hergestellt."

In der Epoche der Globalisierung muss Europa also auch in dieser Frage eine Antwort finden, die dem Zeitgeist entspricht und keine neuen Komplikationen hervorruft.