Flüchtlingskrise: Prag und Berlin wollen Schritte koordinieren

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Flüchtlingskrise und Migrationsproblematik in Europa sollen nun auch auf bilateraler Ebene zwischen Tschechien und Deutschland behandelt werden. Aus diesem Grund wird eine neue Arbeitsgruppe gegründet, mit dem ehemaligen tschechischen Premier und EU-Kommissar Vladimír Špidla an der Spitze.

Vladimír Špidla  (Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Die tschechisch-deutsche Arbeitsgruppe soll um die Jahreswende ihre Tätigkeit aufnehmen. Nach Medienberichten soll sie dazu beitragen, die Kluft in den tschechisch-deutschen Beziehungen zu überwinden. An der Spitze der Arbeitsgruppe wird der ehemalige tschechische Premier und Ex-EU-Kommissar Vladimír Špidla stehen. Der Sozialdemokrat betont, dass die bilateralen Beziehungen nach wie vor hervorragend seien:

„Es gibt gewisse Unterschiede in den Standpunkten. Sie sind aber bei Weitem nicht so tief, wie man sie interpretiert. Ein Zwiespalt existiert nur in der Frage der sogenannten Quoten. Über alle anderen Sachen, wie die Stärkung der Schengen-Außengrenzen, die Rückführungspolitik, notwendige Änderungen des Asylsystems, herrscht Übereinstimmung zwischen Tschechien und der Bundesrepublik.“

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Die Quoten sollen aber kein Verhandlungsthema der Arbeitsgruppe sein, betont Špidla.

„Die Arbeitsgruppe wird sich in komplexer Weise mit der Migration befassen – es geht um Fragen langfristiger Perspektiven, der Integration, der Änderungen im Asylsystem. Die Positionen Tschechiens und Deutschlands sind ziemlich nah beieinander, in konkreten Sachen muss aber noch manches behandelt werden.“

Die Arbeitsgruppe wird im Rahmen des sogenannten strategischen Dialogs gegründet. Der tschechische Außenminister Lubomír Zaorálek und sein deutscher Amtskollege Frank-Walter Steinmeier hatten Anfang Juli in Berlin eine Erklärung über einen „strategischen Dialog“ zwischen beiden Ländern unterzeichnet. Diese Vereinbarung wird als ein neues Kapitel in den Beziehungen zwischen Tschechien und Deutschland bewertet. Auf ihrer Grundlage wollen beide Staaten noch enger zusammenarbeiten. Vladimír Špidla:

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„Im Rahmen dieses strategischen Dialogs bestehen etwa neun Arbeitsgruppen. Sie befassen sich unter anderem mit Wissenschaft und Innovationen, mit der Verkehrsinfrastruktur oder mit der Außen- und EU-Politik. Nun ist notwendig geworden, noch eine Gruppe für das Thema ‚Migration‘ zu gründen.“

Gerade Außenminister Lubomír Zaorálek (Sozialdemokraten) macht sich stark für eine Zusammenarbeit mit Deutschland zu Fragen von Flüchtlingswelle und Migration. Da dem Nachbarland in diesem Bereich eine bedeutende Rolle zukomme, solle Prag seine Schritte mit Berlin koordinieren, sagt Zaorálek. Man müsse wissen, was zu erwarten sei und wolle sich bei Änderungen nicht überrumpelt fühlen. Der künftige Leiter der tschechisch-deutschen Arbeitsgruppe begrüßt diese Idee. Vorhaben innerhalb der EU sollten nicht nur in Brüssel, sondern eben auch bilateral behandelt werden:

Lubomír Zaorálek  (Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Die Europäische Union ist eine wichtige Plattform. Sie kann aber keinesfalls bilaterale Beziehungen der EU-Mitgliedsländer ausschalten. Außerdem ist es in der europäischen Politik ganz geläufig – und ich kenne es aus meiner Praxis –, dass für bestimmte Fälle Koalitionen zwischen den einzelnen Staaten entstehen. Das ist eine gängige Methode, und sie ist richtig.“