Gegen Antisemitismus: live aus der Pinkas-Synagoge

Der 21. April ist der Yom ha Shoah: der jüdische Gedenktag an die Shoah und das Heldentum. In der Regel am Vorabend des Gedenktags fand in den vergangenen Jahren in Prag immer der sogenannte „Marsch des guten Willens“ statt, bei dem vor Antisemitismus gewarnt wurde. Wegen der Corona-Pandemie darf jedoch keine Kundgebung stattfinden. Die Initiatoren der Kampagne gegen Antisemitismus und Rassismus bereiten jedoch eine alternative Veranstaltung vor. Martina Schneibergová hat mit einem der Organisatoren, Mojmír Kallus von der tschechischen Zweigstelle der Internationalen Christlichen Botschaft Jerusalem (ICEJ), gesprochen.

Mojmír Kallus  (Foto: Jana Šustová)
Herr Kallus, Sie organisieren mit ihren Mitarbeitern seit 2004 jedes Jahr rund um den Gedenktag an die Shoah-Opfer eine Kundgebung, bei der auf die Gefahr des Antisemitismus aufmerksam gemacht wird. Den Höhepunkt bildet dabei immer eine Versammlung im Waldstein-Garten, an der Vertreter jüdischer und christlicher Organisationen, Politiker sowie Holocaust-Opfer teilnehmen. Welche Alternative planen Sie nun zu dieser Veranstaltung?

„Wir mussten unsere Pläne kurzfristig ändern. Aber wir haben uns entschlossen, die Kundgebung doch online im Internet durchzuführen, und zwar in der Form einer Live-Ausstrahlung am Sonntag um 15 Uhr.“

Wo wird die Veranstaltung stattfinden?

Pinkas-Synagoge  (Foto: Štěpánka Budková)
„Dank der Zusammenarbeit mit dem Prager Jüdischen Museum wird sie aus der Pinkas-Synagoge ausgestrahlt. Das ist eine der Synagogen im jüdischen Viertel, die vom Jüdischen Museum verwaltet werden. An den Wänden dieser Synagoge befinden sich die Namen von mehr als 80.0000 Holocaust-Opfer aus den Böhmischen Ländern.“

Ich kann mir vorstellen, dass sich dort natürlich keine Menschen versammeln werden, aber vielleicht kommen einige Redner zu Wort, deren Ansprachen übertragen werden. Was ist geplant?

„Die ganze Online-Versammlung besteht eigentlich aus im Vorfeld gedrehten Aufnahmen von verschiedenen Rednern. Unter ihnen sind beispielsweise der Senatsvorsitzende Miloš Vystrčil, der Chef der christdemokratischen Fraktion im Abgeordnetenhaus, Jan Bartošek, und mit Jan Wolf ein Vertreter der Stadt Prag. Zudem werden bekannte Musiker und Schauspieler kurze Ansprachen halten. Auch diese wurden im Voraus aufgenommen. Das ganze Programm wird live aus der Synagoge von der Moderatorin des Tschechischen Rundfunks, Veronika Sedláčková, begleitet.“

Foto: Mauistik,  Pixabay / CC0
Sie haben schon vor Jahren unter dem Motto „Wir sind alle Menschen“ eine Kampagne gegen Antisemitismus und Rassismus gestartet. Die Kampagne läuft weiter, was ist ihr Ziel?

„Das Ziel ist, die Gesellschaft für die Gefahren des Antisemitismus zu sensibilisieren. In diesem Jahr haben wir einen Aufruf an die Menschen veröffentlicht: Sie sollen ein Selfie mit dem Hashtag ,Wir sind alle Menschen‘ – ,Všichni jsme lidi‘ machen und an uns schicken als Zeichen, dass sie das persönlich nehmen und bereit sind, sich gegen den Antisemitismus zu stellen. Heutzutage sprechen wir alle über das Virus. Ich würde sagen, dass sich der Judenhass auf eine ähnliche Weise wie das Virus ausbreitet. Die beste Immunität ist, dass man ihn in der Gesellschaft salonunfähig macht – genauso, wie dies der tschechoslowakische Staatsgründer Tomáš Garrigue Masaryk einst gemacht hat und damit die ganze Gesellschaft für Jahrzehnte beeinflusste. Auch wir sollten heute Stellung gegen den Antisemitismus beziehen.“

Kundgebung gegen Antisemitismus  (Foto: Martina Schneibergová)
Wie sieht es beim Antisemitismus hierzulande derzeit aus?

„Die Situation ist schon seit langem nicht so schlimm wie in einigen anderen Ländern Europas. Aber die Zahl antisemitischer Äußerungen steigt – vor allem in den Social Media.“

In den letzten Jahren haben an den Kundgebungen gegen Antisemitismus in Prag auch viele Gäste aus dem Ausland teilgenommen, hauptsächlich Schülerinnen und Schüler aus Deutschland. Sind Sie mit ihnen und ihren Lehrern noch in Kontakt?

„Ja. Wir haben das gleiche Bildungsprojekt wie in den vergangenen Jahren vorbereitet. Es haben sich bei uns fast 100 Schülerinnen und Schüler aus Deutschland gemeldet, die an der Bildungsreise nach Prag und Theresienstadt teilnehmen wollten. Die Bildungsreise mussten wir aber komplett auf das nächste Jahr verschieben.“

Die Live-Sendung aus der Prager Pinkas-Synagoge am Sonntag um 15 Uhr wird vom TV-Sender Noe übertragen sowie via Facebook https://www.facebook.com/vsichnijsmelidi