Gerhard Scholten: Konzentrationslager und Vertreibung – eine Lebensgeschichte

Foto: Verlag Universites

In diesem Jahr ist das Buch „Zwischen allen Lagern. Leben in einer Zeit des Wahnsinns“ auf Tschechisch erschienen. Verfasst hat es der aus Prag stammte jüdische Autor Gerhard Scholten, und zwar auf Deutsch. Darin beschreibt er seine Erlebnisse in den Jahren 1944 bis 1947.

Foto: Verlag Universites
Gerhard Scholten wurde 1923 in Trutnov / Trautenau geboren. Er wuchs in Prag in einer deutsch-jüdischen Familie auf. Sein Vater, ein Textilfabrikant, wanderte schon vor Kriegsbeginn nach Amerika aus. Seine Mutter und er blieben in Prag und erlebten die Schrecken des Zweiten Weltkriegs am eigenen Leib. Scholtens Lebenslauf spiegle die tschechische Geschichte im 20. Jahrhundert, meint die Übersetzerin des Romans, Zuzana Jürgens.

„Spannend fand ich, dass sein Schicksal und seine Erfahrungen in der Zeit 1944 bis 1947 so konzentriert sind. Man findet darin alles wieder, was damals in Mitteleuropa passiert ist: von den Konzentrationslagern, die Verhaftung durch die Gestapo, über die Befreiung in Ausschwitz. Anschließend wieder die Internierung in Prag als Deutscher. Letztlich seine Ausreise und Einbürgerung nach Österreich. Das alles binnen drei bis vier Jahren.“

Zuzana Jürgens  (Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag)
Gerhard Scholten traf es also doppelt: Als Jude wurde er während des Kriegs von den Deutschen verfolgt – und nach dem Krieg als Deutscher in der Tschechoslowakei. Er selbst fühlte sich der Tschechoslowakei und vor allem Prag verbunden. Noch 1947 beantragte er die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft. Er sprach Deutsch und Tschechisch fließend, außerdem noch drei weitere Sprachen. Er war sowohl mit Deutschen, als auch mit Tschechoslowaken befreundet. Dennoch wurde sein Antrag auf die Staatsbürgerschaft 1949 abgelehnt. Ganz los ließ ihn Prag aber wohl nicht.

„Das Prag, das er gekannt hatte, gab es nach dem Krieg nie wieder. Das kulturellen Leben und die Vielfalt fehlten ihm sicher, die gab es in Wien zu dieser Zeit sicher auch nicht. Davon schrieb er oft“, so Jürgens.

Noch in den 1980er Jahren versuchte Gerhard Scholten sein früheres Haus in der Prager Altstadt zurückzubekommen. Dieses hatte er während der Enteignung der Deutschen in Tschechien verloren.

Tschechische Herausgabe des Buches  (Foto: Archiv des Instituts für das Studium totalitärer Regime)
Wahrscheinlich riet ein Freund Gerhard Scholten dazu, seine Erinnerungen aufzuschreiben, als therapeutische Maßnahme. Was dabei herauskam, ist geschichtlich bedeutsam, literarisch aber sicher auch. Der Roman beschreibt die dramatischen Ereignisse zu dieser Zeit treffend, lässt aber auch Raum für alltägliche Jugendschwärmereien des Autors. Die deutsche Ausgabe wurde bereits 1993 veröffentlicht. Nur durch Zufall stieß Zuzana Jürgens auf das Buch.

„Ich hab das Buch 2001 in Konstanz in der Universitätsbibliothek entdeckt. Eigentlich hatte ich Holocaust-Sekundär-Literatur gesucht. Ich fand den Buchtitel spannend. Als ich gesehen habe, dass der Autor aus Prag stammt, habe ich mir das Buch ausgeliehen und gelesen. Seitdem wollte ich das Buch übersetzen. Leider hat es dann doch etwas gedauert.“

Das Buch wurde auf Tschechisch herausgegeben vom Institut für das Studium totalitärer Regime.