Jan Zajíc – Palachs Nachahmer

Jan Zajíc (Foto: Archiv Familie Zajíc)
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Im Januar 1969 hat sich Jan Palach auf dem Prager Wenzelsplatz selbst verbrannt. Er wollte seine Mitmenschen wachrütteln, damit sich diese gegen die sowjetische Besatzung der Tschechoslowakei erheben. Danach kam es in dem Land zu einer Selbstverbrennungswelle junger Menschen. Praktisch alle dieser verzweifelten Taten hatten eher einen persönlichen Hintergrund, bis auf die von Jan Zajíc. Der 19-jährige Oberschüler griff das politische Motiv seines Namensvetters Palach auf und zündete sich am 25. Februar 1969 in einer Hauseinfahrt auf dem Wenzelsplatz selbst an.

Jan Zajíc  (Foto: Archiv Familie Zajíc)
Jan Zajíc hat alles genau geplant. Er geht in die Einfahrt des Hauses Nummer 39 auf dem Prager Wenzelsplatz. Dort übergießt sich der Oberschüler mit Waschbenzin und zündet sich selbst an. Er hat auch Salzsäure dabei, die er trinkt, um nicht so sehr leiden zu müssen. Eigentlich will er auf den Wenzelsplatz hinausrennen, als „lebende Fackel Nummer zwei“, wie er geschrieben hat. Das schafft er nicht mehr, auch die Salzsäure kann er kaum noch schlucken. Er stirbt in Qualen. Menschen, die ihn retten wollen, finden am Ort einen Brief, gerichtet an die Bürger der Tschechoslowakei. In dem heißt es unter anderem:

„Ich habe mich zu dieser Tat entschlossen, damit Ihr Euch endlich aufrafft und Euch nicht von mehreren Diktatoren mitschleifen lasst!“

In seinem Aufruf an die Mitbürger beruft sich Jan Zajíc bewusst auf Palach. Auch den Tag hat er genau gewählt. Am 25. Februar 1948 haben schließlich die Kommunisten die Macht in der Tschechoslowakei übernommen.

Zajíc stammte aus dem Städtchen Vítkov / Wigstadt in Nordmähren. Er ging damals in Šumperk / Mährische Schönberg aufs Internat, eine Fachoberschule für Verkehrswesen. Dann kam der 16. Januar 1969, an dem sich der Student Jan Palach in Prag selbst verbrannte. Die Tat habe Jan Zajíc aufgewühlt, sagt der Historiker Petr Blažek vom Prager Institut für das Studium totalitärer Regime:

Petr Blažek  (Foto: ČT24)
„Als er davon hörte, fuhr er nach Prag. Dort schloss er sich am 19. Januar einigen jungen Menschen an, die am Ort von Palachs Tat einen Hungerstreik begannen, um dessen Forderungen Nachdruck zu verleihen. Der Streik wurde am 23. Januar gewaltsam von der Staatssicherheit beendet.“

Auch Zajíc wurde von der Stasi festgenommen. Als er wieder auf freiem Fuß war, nahm er an Palachs Begräbnis teil. Erst danach kehrte er ans Internat in Šumperk zurück. Aber in ihm reifte der Entschluss, ebenfalls als lebende Fackel zu protestieren. In der Woche vor dem 25. Februar begann er sogar, offen darüber zu reden.

„Er hat das aber nur seinen Mitschülern gesagt und sogar einem seiner Lehrer. Der versuchte noch, ihn umzustimmen. Doch die Familie erfuhr nichts davon. Auch als er mit seiner Mutter über die Fahrt nach Prag und Palachs Begräbnis sprach, verheimlichte er seine Pläne. Genauso wenig erfuhren sein Vater, seine jüngere Schwester und sein älterer Bruder“, so Blažek.

Beerdigung Zajícs  (Foto: Archiv Familie Zajíc)
Das kommunistische Regime versuchte zwar, die Tat von Jan Zajíc möglichst wenig publik zu machen. So wurde verhindert, dass seine Überreste in Prag bestattet wurden. Dennoch verbreitete sich die Nachricht von Palachs Nachahmer. Historiker Blažek:

„Seine Tat hallte vor allem unter den Studierenden nach. Über 10.000 Menschen kamen zur Beerdigung nach Vítkov, das war eine ziemlich große Menge. Dass die Beisetzung nicht in Prag stattfinden konnte, deutete schon den politischen Wandel an. Auch war die Zensur schon verschärft worden, doch über Jan Zajíc´ Tat wurde relativ viel geschrieben. Er wurde zu dem Nachahmer von Palach, der den Menschen hierzulande am meisten im Gedächtnis geblieben ist.“

Jan Zajícs Grab  (Foto: ČTK / Petr Sznapka)
Jan Zajíc´ Familie erfuhr von der Selbstverbrennung durch einen seiner Mitschüler. Erst dann stand die Staatssicherheit vor der Tür. In der Folge litten Eltern und Geschwister nicht nur unter dem Verlust eines geliebten Menschen, sondern auch unter der Verfolgung durch das Regime. Jans älterer Bruder Jaroslav Zajíc:

„Zunächst haben sie meine Mutter von der Schule geworfen, an der sie als Lehrerin beschäftigt war. Dann haben sie das auch bei mir probiert. Und meine Schwester durfte nicht studieren, obwohl sie im Abitur lauter Einsen hatte. Das hat uns den Dissidentenkreisen angenähert.“

Und die Oppositionellen in der damaligen kommunistischen Tschechoslowakei kamen jedes Jahr nach Vítkov, um an den Tod von Jan Zajíc zu erinnern.

Autor: Till Janzer
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