Jüdische Gemeinden kritisieren Aussagen bei Gedenkfeier in Theresienstadt

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In Terezín / Theresienstadt fand am Sonntag ein weiteres Mal eine Gedenkveranstaltung zur Erinnerung an die Opfer des Zweiten Weltkriegs und des Holocausts statt. Mehrere Redner versuchten dabei, die Lehren der Vergangenheit auf die Gegenwart zu applizieren. Doch einige der Worte, die dort gefallen sind, wurden von den jüdischen Gemeinden in Tschechien kritisiert.

Gedenkveranstaltung zur Erinnerung an die Opfer des Zweiten Weltkriegs und des Holocausts in Theresienstadt  (Foto: ČTK)
Die nordböhmische Kleinstadt Theresienstadt hat in der NS-Zeit eine traurige Rolle gespielt. Die Nationalsozialisten hatten dort ein Ghetto für Juden und ein Konzentrationslager errichtet. Insgesamt 117.000 Menschen kamen im Ghetto ums Leben und weitere 32.000 im Gestapo-Gefängnis „Kleine Festung“. Am Sonntag wurde in der heutigen Gedenkstätte der Opfer gedacht.

Nicht alle Redner aber beließen es bei den Erinnerungen. Der Vorsitzende des Verbandes tschechischer Freiheitskämpfer, Jaroslav Vodička, war der Meinung, er müsse von der Vergangenheit einen Bezug zur heutigen Flüchtlingskrise herstellen. Über die Flüchtlinge sagte er wörtlich:

Jaroslav Vodička  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
„Sie flüchten, um unser jahrelang und durch die Arbeit der Generationen vor uns geschaffenes Sozial- und Wirtschaftssystem auszubeuten.“

In einer gemeinsamen Erklärung haben die Jüdische Gemeinde in Prag und der Verband der jüdischen Gemeinden in Tschechien diese Aussage als ausländerfeindlich und inakzeptabel gerügt. Landesrabbiner Karol Sidon, der bei der Veranstaltung auch als Redner auftrat, gab seine Antwort direkt vor Ort:

Karol Sidon  (Mitte). Foto: ČTK
„Die Juden sind damals nicht nur umgekommen, weil die Deutschen sie ermordet haben, sondern auch deshalb, weil ihnen der Großteil der Welt den Weg in die Sicherheit verbaut hat.“

Während Sidon damit indirekt auch die passive Haltung mehrerer Länder in der aktuellen Flüchtlingskrise kritisierte, blieb der Vorsitzende des tschechischen Senats, Milan Štěch, enger beim Thema. Štěch sprach davon, dass man die Verbrechen der Nazis und die Vertreibung der Sudetendeutschen aus der Tschechoslowakei nicht gleichsetzen könne. Die Verbrechen während der Vertreibung seien das Werk Einzelner gewesen, so der Senatsvorsitzende, die Kriegsverbrechen während der Okkupation aber ein Bestandteil der offiziellen und durchdachten politischen Ausrichtung des deutschen NS-Regimes.

Milan Štěch  (rechts). Foto: ČTK
Die jüdischen Gemeinden tadelten in ihrer Erklärung danach, Štěchs Aussage habe einen deutlich antideutschen Unterton. Der Politiker wies die Kritik zurück. Seine Rede wäre antinazistisch, nicht aber antideutsch gewesen. Zudem habe er auch gesagt, dass Deutschland das dunkle Kapitel seiner Geschichte objektiv und mit Selbstreflexion aufgearbeitet habe, so der Senatsvorsitzende.

In einer Fernsehdebatte am Montagabend sprang der Direktor der Václav-Havel-Bibliothek, Michal Žantovský, dem Kritisierten zur Seite. Seiner Meinung nach habe Štěch lediglich einen Satz unglücklich formuliert. Zum anderen seien die Stellungnahmen beider Länder in der Deutsch-Tschechischen Erklärung von 1997 grundsätzlich geregelt, betonte Žantovský:

Michael Žantovský | Foto: Archiv des tschechischen Außenministeriums
„Die Deutschen haben sich in der Erklärung gegenüber unserem Volk für die Gewalttraten und Ermordungen, die sie im Zweiten Weltkrieg verübt haben, entschuldigt. Wir wiederum haben unser Bedauern ausgedrückt für die Vertreibung, zu der es nach dem Krieg gekommen ist.“

Diese Erklärung sei vor fast 20 Jahren vor allem deshalb verfasst worden, um den Nachkriegsgenerationen beider Länder wieder die Tür für eine gemeinsame und vorbehaltlose Zukunft zu öffnen, ergänzte Žantovský. In die gleiche Kerbe schlug auch der Sozialdemokrat und Vorsitzende des Deutsch-Tschechischen Diskussionsforums, Libor Rouček:

„Wenn ich dort gesprochen hätte, dann hätte ich deutlicher herausgestellt, dass mittlerweile 71 Jahre seit dem Krieg, dem Holocaust und der Vertreibung vergangen sind. Heute lebt hierzulande die zweite oder gar dritte Generation, die mit dieser Vergangenheit nicht belastet ist. Zudem müssen wir gemeinsam mit den Deutschen, den jüdischen Bürgern und anderen die heutigen Probleme lösen.“