Kraus: Die internationale Definition des Antisemitismus ist wichtig

Das Phänomen Antisemitismus ist in Tschechien wenig verbreitet. Es beschränkt sich fast nur auf das Internet. Dies kann man unter anderem anhand des Berichtes über Antisemitismus feststellen, der vor kurzem in Prag veröffentlicht wurde.

Tomas Kraus  (Foto: Theresa Kuglin)
Dieser Bericht wird jedes Jahr vom Forum gegen Antisemitismus zusammengestellt, das bei der Föderation der jüdischen Gemeinden tätig ist. Die Mitarbeiter des Forums stützen sich dabei auf Angaben der jüdischen Gemeinden und auf Informationen aus den Medien. Den Sekretär der Föderation jüdischer Gemeinden, Tomas Kraus, fragte ich danach, ob letztes Jahr antisemitische Äußerungen nur in den elektronischen Medien oder auch anderswo verzeichnet wurden.

"Das Hauptproblem ist es das Internet, in den offiziellen Medien kommt Antisemitismus praktisch nicht vor. In den letzten vier Jahren haben keinen einzigen Fall von antisemitischen Äußerungen in den Medien verzeichnet. Mit den elektronischen Medien ist es sehr problematisch, weil es nur schwierig möglich ist, sie zu regulieren."

Tomas Kraus zufolge gibt es in Tschechien natürlich eine entsprechende Legislative, aber die Redaktionen oder die Betreiber der zuständigen Server haben ihren Sitz oft im Ausland, meistens in den USA. Handelt es sich dabei um Webseiten von Neonazis oder von radikalen Islamisten?

"Das ist eine gute Frage. Bei den Seiten, von denen wir wissen, handelt es sich meistens um Neonazis. Aber es gibt auch Seiten der radikalen Islamisten, die den gleichen Inhalt wie die Neonazis haben. Solche Seiten tauchen vor allem in der letzten Zeit auf."

Voriges Jahr wurde der Antisemitismus offiziell definiert. Es ist unmöglich, hier die Definition mit allen Einzelheiten zu analysieren. In wie weit sind die antisemitischen Äußerungen, die sich auf den Staat Israel beziehen, neu und bedeutend?

"Das Wichtigste daran ist, dass es eine Definition gibt. Wenn wir jetzt eine Definition haben, wissen wir, wann die Grenze schon überschritten ist."

Die Definition wurde von der Europäischen Agentur für Grundrechte (FRA) formuliert. Tomas Kraus hält für bedeutend, dass darin antisemitische Erklärungen miteinbezogen wurden, die sich auf den Staat Israel beziehen. Antisemitisch ist, wie in der Definition erwähnt wird, beispielsweise die Benutzung von klassisch antisemitischen Symbolen für die Charakterisierung der Israelis. Das Tschechische Forum gegen Antisemitismus empfahl den tschechischen Gesetzgebern sowie der Polizei, diese international verankerte Definition anzunehmen. Kraus zufolge ist die Zahl der antisemitischen Äußerungen in Tschechien in den letzten Jahren gesunken.

"Statistisch kann man es nachweisen. Ich kann sagen, dass es bei uns schon eine Tradition ist, dass die tschechische Gesellschaft mehr oder weniger immun gegenüber irgendwelchen antisemitischen Wellen ist. Was für uns sehr positiv ist, dass die Mehrheit der tschechischen Gesellschaft den Antisemitismus als etwas höchst Negatives betrachtet."