Laute Lyrik: deutsch-tschechischer Poetry-Slam in Usti nad Labem

Xochill Schütz

Poeten schleudern ihrem Publikum Gedichte von der Bühne entgegen. Das Publikum lauscht keinesfalls andächtig, sondern trinkt, lacht und ruft dazwischen. Die Poeten sprechen, kreischen, rappen auf Deutsch und Tschechisch: So geht es zu bei einer deutsch-tschechischen Poetry-Slam-Show. Bereits zum dritten Mal trafen sich in Usti nad Labem / Aussig an der Elbe deutsche und tschechische Poeten und rangen um die Gunst der Zuschauer.

Poetry-Slam, das ist ein Wortgeplänkel, ein Spiel mit der Sprache. Eigentlich soll es am Ende einen Sieger, einen Dichter-König geben, den das Publikum auswählt. Wenn aber, wie im Club Circus in Usti nad Labem, die Dichter zwei verschiedene Sprachen sprechen, lässt sich schwerlich ein Sieger ausmachen. So traten die Künstler eher mit- als gegeneinander auf. Die Slammerin Xochill Schütz begann mit einem Gedicht über Usti:

"Vor der Stadt stehen Felsenriesen aus Schiefer. In der Luft neben Schornsteinen steht ein Vogel, im Regen steigt weißer Dampf in den Himmel, ein Zimmermann steht im zerbrochenen Fenster. Lehm und Backsteine atmen Schimmel, Efeu und Laubwald und Pappeln leuchten, Fabriken blicken hinauf zu den Gipfeln, wo dunkle Berge die Träume beschützen; sie stehen."

Dieser fremde Blick auf ihre Stadt stieß bei den Zuschauern nur teilweise auf Begeisterung. Die Dichterin musste sich erst einmal Gehör verschaffen. In Deutschland sind Poetry-Slams zu etablierten Veranstaltungen geworden, die das kulturell interessierte, intellektuell angehauchte Publikum besucht. Tschechische Poetry-Slams seien dagegen noch Teil der Underground-Kultur, so Vladimir Vacatko, Sieger des tschechischen nationalen Slam-Wettbewerbs 2006:

"Wenn man deutsche und tschechische Poetry-Slams besucht, fallen einem sofort einige Unterschiede auf: In Deutschland lauscht das Publikum andächtig der Poesie. In Tschechien siegt derjenige, der am lautesten schreit. Dafür sind tschechische Slams viel spontaner. Gerade wegen dieser Unterschiede ist es für mich interessant, so wie heute mit deutschen Slammern zusammenzuarbeiten."

Für die deutschen Poeten war nicht nur die Atmosphäre ungewohnt, sie mussten außerdem die Sprachbarriere zu ihrem tschechischem Publikum überwinden. Frank Klötgen trat deshalb kurzentschlossen zusammen mit seinem tschechischen Kollegen Vladimir Vacatko auf - und begann seinen Vortrag zur Freude des Publikums auf tschechisch:

"Ahoj! Vzadu v obili. Kdyz kosim obili, tak... Wir probieren es lieber auf Deutsch. Mein Gedicht ist eine landwirtschaftliche Schauerballade. Wie sagt man auf Tschechisch landwirtschaftliche Schauerballade? Also nochmal: Wenn ich das Korn mäh', dann mäh' ich es vorn..."

Der spontane zweisprachige Auftritt von Frank Klötgen und Vladimir Vacatko wurde vom Publikum lauthals bejubelt. Die beiden Dichter planen bereits weitere gemeinsame deutsch-tschechische Poetry-Slam-Auftritte. Für Frauke Wetzel vom Collegium Bohemicum in Usti, die den Poetry-Slam organisiert hat, ist es ein großer Erfolg, dass die Künstler tatsächlich zueinander gefunden haben. Und vielleicht wird man den einen oder anderen Poeten auch bei der vierten Poetry-Slam-Show nächstes Jahr in Usti wieder treffen...