Neuer Eurobarometer: Tschechen sehen die EU überwiegend positiv

Seit 1973 führt die Europäische Kommission mindestens zweimal jährlich die so genannte Eurobarometer-Umfrage durch. Dabei handelt es sich um standardisierte Erhebungen, mit denen die Einstellung der Bürgerinnen und Bürger zur EU erfasst werden soll. Nun gibt es wieder einmal neue Zahlen. Gerald Schubert hat sich mit ihnen vertraut gemacht.

Gerald, der ehemalige Erweiterungskommissar Günter Verheugen hat die Tschechen noch vor ihrem EU-Beitritt einmal als Weltmeister in der Skepsis bezeichnet. Die stärkste Parlamentspartei in Tschechien, die Demokratische Bürgerpartei (ODS), gilt als betont EU-skeptisch, und dasselbe gilt für Staatspräsident Vaclav Klaus. Halten die Tschechinnen und Tschechen wirklich so wenig von der EU?

Den jüngsten zahlen zufolge ganz im Gegenteil. 66 Prozent der Befragten haben gesagt, dass sie die Mitgliedschaft in der EU positiv empfinden, dass diese Mitgliedschaft dem Land etwa gebracht hat. Im EU-Schnitt sind das nur 54 Prozent. In diesem Sine sind die Tschechen eindeutige EU-Befürworter. Aber es gibt hier ein interessantes Detail: Nur 51 Prozent halten die Mitgliedschaft für eine "gute Sache", und bei nur 48 Prozent der Tschechinnen und Tschechen hat die EU ein gutes Image.

Wie ist denn deiner Meinung nach dieser Widerspruch zu erklären?

Dass zwei Drittel finden, dass die Mitgliedschaft dem Land etwas bringt, aber nur die Hälfte die EU für eine gute Sache halten, das ist in der tat ein interessanter Aspekt. Der Grund könnte vielleicht darin liegen, dass die Tschechen eine recht weit verbreitete Abneigung gegen große Ideale haben. Das ist vielleicht auch historisch bedingt. Sie sehen lieber die praktischen Aspekte betont, wie zum Beispiel das freie Reisen oder die Finanzierung diverser Projekte durch die Fonds der Europäischen Union. Ich selbst bin etwa bei den Beitrittsfeierlichkeiten am 1. Mai 2004 im deutsch-tschechisch-polnischen Dreiländereck gewesen, wo es große Veranstaltungen gab. Neben mir saß ein Tscheche, der durchaus für den EU-Beitritt war. Als aber dann junge Leute aus allen drei Ländern auf der Bühne Ansprachen gehalten haben und sich zum Beispiel darüber freuten, dass es künftig leichter sein wird, die Freunde auf der anderen Seite der Grenze zu sehen, da war dieser Tscheche wirklich unangenehm berührt. Die Inszenierung hat ihn wahrscheinlich an alte Zeiten erinnert, mit denen er nicht so gute Assoziationen hat. Das stellt hierzulande wohl ein gewisses Imageproblem für die EU dar.

Tschechien gehört zu den Ländern, in denen der EU-Verfassungsvertrag bisher nicht ratifiziert wurde. Wie sehen denn in diesem Zusammenhang die aktuellen Zahlen aus?

Foto: Europäische Kommission
51 Prozent der Tschechinnen und Tschechen wären derzeit für die Ratifizierung des Verfassungsvertrags. Übrigens gibt es dafür nun auch in Frankreich und in den Niederlanden eine Mehrheit, also in den beiden Ländern, in denen der Verfassungsvertrag abgelehnt wurde. In Frankreich sind 56 Prozent, Niederlande 59.

Wie du gesagt hast, sind 66 Prozent der Tschechen der Ansicht, dass die EU-Mitgliedschaft gut für ihr Land ist: Wo stehen denn im Vergleich dazu die Deutschen und die Österreicher?

Beide Länder sind hier unter dem EU-Schnitt von 54 Prozent. In Deutschland sagen 49 Prozent, dass die Mitgliedschaft gut ist für das Land, in Österreich gar nur 43 Prozent. Vielleicht noch ein Detail am Rande: Die Tschechen vertrauen den Europäischen Institutionen, also der europäischen Kommission oder dem EU-Parlament mehr als den heimischen. Politologen erklären sich das damit, dass die Tschechen von der Regierungskrise hierzulande genug haben und mittlerweile eher den übernationalen Strukturen Vertrauen schenken.