NS-Dokumente aus Arolsen online – auch zu Tschechen

Quelle: Arolsen Archives

Bad Arolsen ist eine Kleinstadt in Nordhessen. So beschaulich der Ort ist, beherbergt er aber das wohl größte Archiv über die Verbrechen der Nationalsozialisten. Die sogenannten Arolsen Archives haben nun mehrere Hunderttausend Schriftstücke im Internet zugänglich gemacht. Darunter sind auch unzählige über Verfolgte aus der früheren Tschechoslowakei.

Quelle: Arolsen Archives
Bis vor kurzem noch mussten Historiker und Hinterbliebene direkt in Bad Arolsen anfragen, wenn sie nach bestimmten Personen gesucht haben. Doch seit Neuestem genügt der Gang ins Internet. Floriane Azoulay leitet das Archiv. Gegenüber Radio Prag International sagte sie:

„Wir haben derzeit 14 Millionen Dokumente online. Es sind vor allem Schriftstücke aus Konzentrationslagern, Ghettos und Gefängnissen. Dazu kommen noch Akten aus der unmittelbaren Nachkriegszeit über die Überlebenden der Verfolgung durch die Nazis. Insgesamt geht es da mindestens um zehn Millionen Menschen.“

Diese Dokumente stammen alle aus der amerikanischen Besatzungszone.

Quelle: Arolsen Archives
Wer die Online-Suche nutzt, wird auch bei bekannten tschechischen Namen fündig. So finden sich etwa Akten zum Maler Josef Čapek, der im April 1945 im KZ Bergen-Belsen starb. Oder der Komponist Pavel Haas: Zu ihm gibt es eine Karteikarte, die aus der Mikrofilm-Sammlung von Terezín / Theresienstadt stammt. Demnach wurde er am 16. Oktober 1944 nach Auschwitz deportiert. Bekannt ist auch, dass er am folgenden Tag dort ermordet wurde. Ganz allgemein sagt Floriane Azoulay:

„Wir haben viele Dokumente, die sich auf die frühere Tschechoslowakei beziehen. Aber ich kann nicht sagen, wie viele es sind. Jedenfalls gehören dazu Archivmaterialen über die Inhaftierungen in Theresienstadt, aber genauso über die tschechoslowakischen Überlebenden, die von den Truppen der Alliierten nach dem Krieg betreut wurden und emigrieren konnten.“

Das reicht sogar bis weit ins Jahr 1948, nach der kommunistischen Machtübernahme in der Tschechoslowakei. Der Journalist und Schriftsteller Pavel Tigrid setzt sich damals nach Westdeutschland ab. Im Online-Archiv stößt man etwa auf einen Fragebogen der alliierten Behörden, auf dem er politische Gründe für seine Flucht nennt. Zudem gibt er den Wunsch an, in die USA oder nach Kanada zu emigrieren. Der Bogen wird am 29. August 1948 unterschrieben.

Floriane Azoulay  (Foto: Offizielle Webseite der Arolsen Archives)
Tatsächlich lebt Tigrid dann von 1952 bis 1960 in den Vereinigten Staaten, bevor er nach Europa zurückkehrt und sich in Paris niederlässt. Nach der politischen Wende wird der wohl wichtigste tschechoslowakische Exil-Journalist Berater von Staatspräsident Václav Havel.

Das Archiv in Bad Arolsen bietet allerdings noch viele weitere Dokumente, die bisher noch nicht im Netz eingesehen werden können.

„Alles zusammengerechnet, haben wir in unseren Unterlagen Informationen über etwa 17,5 Millionen Menschen, die Opfer der Nazis waren“, so Floriane Azoulay.

Laut neuesten Informationen wollen die Arolsen Archives noch weitere Dokumente zugänglich machen – und zwar aus der Britischen Besatzungszone.