Tschechen in Deutschland und die Grenzschließung

Grenzschließung (Foto: ČTK / Miroslav Chaloupka)

Die Coronakrise sorgt weltweit für Einschränkungen wie Ausgangssperren, geringe soziale Kontakte und das Arbeiten von Zuhause aus. Wie empfinden Tschechen, die in Deutschland leben, diese Ausnahmesituation? Dazu einige Eindrücke.

Grenzschließung  (Foto: ČTK / Miroslav Chaloupka)

Foto: ČTK / David Taneček
Jiří Polcr lebt seit einigen Monaten in der Nähe von Leipzig. In Tschechien hat er Medizin studiert und seine Heimat nach dem Abschluss verlassen. In seiner Wahlheimat Deutschland fühlt er sich in der anhaltenden Coronakrise etwas verloren:

„Die Grenzsperre finde ich ganz schlecht – ich verstehe sie auch gar nicht. Ich arbeite ab und zu auch am Samstag und Sonntag. Wenn ich aber ein freies Wochenende habe, fahre ich heim nach Tschechien, zu meiner Familie. Zu allen, die ich mag. Und jetzt bin ich einfach hier, in Deutschland. Das ist ein komisches Gefühl. Ich fühle mich eingesperrt und machtlos. Und ich kann nichts dagegen machen.“

Die Einreise in die Heimat ist für tschechische Staatsbürger zwar möglich. Wer aber dann aus einem Risikogebiet wie Deutschland kommt, muss für zwei Wochen in Quarantäne.

Marie Smolková  (Foto: Archiv der Ackermann-Gemeinde)
Auch Marie Smolková sehnt sich nach ihrer Familie. Sie arbeitet bei der katholischen Ackermann-Gemeinde in München. Dort setzt sie sich für Verständigung zwischen Deutschen und Tschechen ein. Marie Smolková tröstet sich damit, dass ihr Aufenthalt in Deutschland Sicherheit für ihre Familie bedeutet:

„Ich werde jetzt nicht nach Tschechien fahren – weil meine Eltern und meine 93-jährige Oma, die bei ihnen wohnt, bereits zu der Risikogruppe gehören. Und ich will einfach die Gesundheit meiner Familie nicht gefährden, auch wenn ich selbst fit bin.“

Jiří Polcr erlebt die Sicherheitsvorkehrungen als Arzt in einer Klinik tagtäglich. Er ist vor allem darum bemüht, andere nicht anzustecken.

„Wir arbeiten einfach normal. Wir haben schon die Besucherzeiten eingeschränkt. Und unser Krankenhaus hat eine Abteilung, die eigentlich ganz leer und isoliert ist. Die ist nur dafür vorgesehen, falls jemand mit einem positiven Coronavirus-Befund kommt, dass er dort eine entsprechende Therapie bekommt. Das Problem ist, dass niemand weiß, ob er selbst krank ist. Ich bin jeden Tag mit vielen Leuten in Kontakt, und ich will nicht irgendwo spazieren gehen und irgendwen anstecken.“

Jaromir Konecny  (Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Fernab von unterbrochenen familiären Beziehungen steht für Jaromir Konecny seine Existenz auf dem Spiel. Der deutsch-tschechische Kleinkünstler musste viele Termine absagen. Trotzdem versucht er, zuversichtlich zu bleiben:

„Das meiste Geld verdiene ich mit meinen Auftritten und Workshops. Es gibt Auftrittsmonate wie März, April, etwas auch der Mai und dann Oktober und November. Und mit den Auftritten in diesen Monaten zahle ich dann das ganze Jahr. Zum Beispiel von Mitte März bis Ende April habe ich 23 Veranstaltungen eingeplant und hätte sicher um die 8000 Euro verdient. Das ist jetzt alles weg, das hat das Virus alles gekillt.“

Marie Smolková ist davon überzeugt, dass die Krise gemeistert wird. Sie wünscht sich bis dahin aber mehr europäische Solidarität.

„Ich finde an dieser schwierigen Situation sehr traurig, dass wir das als europäische Staaten nicht gemeinsam angehen. Und dass es sogar Politiker gibt, die auf die anderen zeigen und sagen: ‚Die haben die Situation nicht geschafft.‘ Ich glaube, die Lage ist ernst. Und es geht darum, dass wir alle gesund bleiben. Und nicht, dass es einer Nation besser geht als der anderen, sondern dass wir das Problem als Europa gemeinsam angehen.“

Foto: Olga Lionart,  Pixabay / CC0
Bei allen Gedanken und Sorgen rund um die aktuelle Pandemie kann Jaromir Konecny dem Ganzen auch etwas Positives abgewinnen:

„Das Schönste an der ganzen Geschichte mit der Corona-Epidemie ist, wie solidarisch sich die Leute zeigen. Ich habe gleich, als die ersten Nachrichten herauskamen, dass Veranstaltungen abgesagt werden, Angebote von wildfremden Leuten bekommen. Weil meine ganzen Veranstaltungen weg sind, kann ich keine Büchertische mehr machen. Deswegen habe ich eine Aktion gestartet, bei der ich die Bücher verschicke. Innerhalb von zwei Tagen wurden bei mir 80 Bücher bestellt. Das ist alles sehr schön.“

Foto: Jiří Fröhlich,  Pixabay / CC0
Ein großer Wehmutstropfen bleibt aber bei allen dreien: Die Osterferien müssen sie wahrscheinlich ohne die Familie verbringen.

„Das Dumme ist, dass mein Sohn sich wahnsinnig auf die Osterferien bei meiner Schwester nahe Ostrava gefreut hat. Und das können wir uns jetzt abschminken“, so Konecny.

Und Marie Smolková findet:

„Natürlich ist es schwierig, dass wir höchstwahrscheinlich Ostern nicht als Familie feiern werden. Aber es ist so. Ich glaube es ist besser, niemanden zu gefährden.“

Jiří Polcr hingegen ist etwas verunsichert:

„Ich habe Angst, dass es länger als einen Monat dauern wird.“

Jaromir Konecny gibt sich wiederum zuversichtlich:

„Liebe Grüße nach Prag, bleibt gesund! Wir bekommen das schon irgendwie hin.“