Tschechien auf dem Weg zum Ausbau der Atomkraft

AKW Dukovany (Foto: Jiří Sedláček, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0)

Die Politiker in Prag setzen auf die Atomkraft. Darüber herrscht ein Konsens von rechts bis links, ob Regierung oder Opposition. Erklärtes Ziel ist, einen oder mehrere neue Reaktorblöcke zu bauen. Mehrere Jahre lang stand das Vorhaben still, weil der Energiekonzern ČEZ vom Staat gewisse Preisgarantien gefordert hatte. Doch keine Regierung wollte diese bisher geben. Am Montag hat nun das Kabinett ein Investitionsmodell für den Ausbau der Atomkraft beschlossen.

AKW Dukovany  (Foto: Jiří Sedláček,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 4.0)

Jaroslav Míl  (Foto: Anna Duchková,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Der Energiekonzern ČEZ soll selbst den Ausbau der Atomkraft finanzieren, und zwar über seine Tochtergesellschaften. Doch der Staat hilft dabei, an günstige Kredite zu gelangen. Das ist das Modell, das vom Kabinett am Montag gebilligt wurde. Jaroslav Míl ist tschechischer Regierungsbeauftragter für Atomenergie:

„Wenn ein Privatunternehmen ein Atomkraftwerk baut, dann liegt der Zinssatz für den Kredit doppelt so hoch wie beim Staat als Investor. Und dies führt zu einer dramatischen Erhöhung der Kosten je gebauter Megawattstunde Strom.“

Das Modell ist allerdings nur möglich, weil ČEZ selbst ein halbstaatlicher Konzern ist. Dennoch kann die Regierung dem Unternehmen ihren Plan nicht aufzwingen. Im Herbst stehen daher Verhandlungen an mit der Leitung des Energiekonzerns. Wenn alles klappt, würden zu Ende des Jahres der Staat und ČEZ einen gemeinsamen Vertrag schließen. Obwohl also noch nichts entschieden ist, sprach Industrie- und Handelsminister Karel Havlíček am Montag im Tschechischen Fernsehen von einem wichtigen Schritt:

AKW Dukovany  (Foto: Julian Nyča,  Wikimedia Commons,  CC-BY-SA 3.0)
„Die Regierung hat heute den Mechanismus gestartet, mit dem der Prozess zum Bau eines oder mehrerer Reaktorblöcke eingeleitet wird. Bisher wurde darüber nur diskutiert, manche würden sogar sagen: spekuliert.“

Klar ist seit Montag auch, dass zunächst das Atomkraftwerk Dukovany nahe der Grenze zu Österreich ausgebaut werden soll. Dies ist der ältere der beiden tschechischen Meiler, dessen Laufzeit erst letztens verlängert wurde. Der neue Block dort soll eine installierte Leistung von 1200 Megawatt erhalten. Bisher stehen dort vier Blöcke mit jeweils 500 Megawatt Leistung.

Das Investitionsmodell rechnet aber auch damit, dass der Staat selbst die Bedingungen für den Reaktorbau entscheidend ändern könnte. In dem Fall müsste er dann mögliche Verluste bei ČEZ kompensieren. Entsprechende Szenarien sind ebenfalls Gegenstand der Verhandlungen im Herbst. Eine weitere große Unbekannte sind die Kosten für den neuen Block. Der Atomenergiebeauftragte Míl wagte indes eine Schätzung:

„Falls der Bau gut vorbereitet ist, dann bewegt sich die Summe bei einem Wert zwischen 125 Milliarden und 145 Milliarden Kronen. Selbstverständlich kann es aber zu allen möglichen Änderungen kommen.“

Michal Šnobr  (Foto: Jana Přinosilová,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Umgerechnet bedeutet dies 5,0 bis 5,8 Milliarden Euro. Das aber halten die Kleinaktionäre bei ČEZ für schwer untertrieben.

„Diese Zahlen werden bei den Großmächten in der Atomenergie sowohl in Europa als auch in den USA um mehr als das Doppelte übertroffen“, so der Wirtschaftsanalytiker Michal Šnobr, der die Rechte dieser Teilhaber vertritt.

Warum aber bürdet sich Tschechien überhaupt eine solch schwierige Investition auf? Industrie- und Handelsminister Havlíček erläuterte seine Sicht und die der meisten tschechischen Politiker. Im Interview für das Tschechische Fernsehen bemühte er den Vergleich mit Deutschland:

Illustrationsfoto: Rawac,  Wikimedia Commons,  Public Domain
„Dort bestehen ganz andere geographische Voraussetzungen als in Tschechien – vor allem für die Windenergie. Wir sind im Grunde nicht in der Lage, ohne Atomkraft auszukommen. Über 40 Prozent des tschechischen Stroms werden bei uns immer noch in Kohlekraftwerken produziert. Doch wir haben uns verpflichtet, die meisten von ihnen abzuschalten. Und diese Produktionsleistung müssen wir ersetzen.“

Die alternativen Energien haben in Tschechien derzeit einen Anteil von 14 Prozent am Gesamtmix. Laut Havlíček lässt sich dies bis 2030 etwa auf 23 oder 24 Prozent erhöhen.

Umweltschützer halten dies allerdings für wenig ambitioniert. Sie denken, dass sich die Kohlekraftwerke auch abschalten ließen, ohne neue Reaktorblöcke zu bauen. Unter anderem verweisen sie auf die umfangreichen tschechischen Stromexporte. Außerdem setzen die Ökologen auf Maßnahmen, um Strom und Wärme effizienter zu nutzen.

Autor: Till Janzer
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