Tschechische Armee will überflüssigen Sprengstoff verkaufen

Semtex

Die Zeiten sind hart. Überall soll gespart, Überflüssiges abgestoßen bzw. verkauft werden. Auch bei der Tschechischen Armee sind die Finanzen knapp bemessen. Doch das, was sie derzeit veräußern und an den Mann bringen will, damit könnte man glattweg "in die Luft gehen". Lothar Martin klärt sie auf.

Die Gewalt in unserer Welt hat merklich zugenommen. Neben kriminellen oder von der Mafia ausgeübten Taten stehen in letzter Zeit verstärkt auch terroristische Anschläge auf der Tagesordnung. Und immer wieder spielt Plastiksprengstoff eine dunkle Rolle. Leider auch Semtex, ein hochexplosives Fabrikat made in Czech, das in Semtin bei Pardubice hergestellt wird. Ein Sprengstoff, der wohl am markantesten durch den Lockerbie-Anschlag zu fragwürdiger Berühmtheit gelangt ist. Zu militärischen Zwecken hat auch die Tschechische Armee jede Menge davon. Nicht zuletzt durch die Eingliederung in die NATO ist jedoch Semtex zu einem Großteil überflüssig geworden. Deshalb wollte das Prager Verteidigungsministerium schon im Februar 150 Tonnen eines nicht gekennzeichneten Sprengstoffs, der von den Überwachungsdetektoren der Flughafenkontrollen nicht festzustellen ist, per öffentlicher Ausschreibung verkaufen. Dass es sich dabei tatsächlich um das berüchtigte Semtex handelt, dies bestätigt der Direktor des Forschungsinstituts für Industriechemie bei der staatlichen Gesellschaft Explosia, Ladislav Lehký:

"Es handelt sich um einen Plastiksprengstoff auf Semtex-Basis. Er hat eine etwas andere Zusammensetzung. Aber er ist ebenso auf Trommeln aufgewickelt, das bedeutet, es ist ein Sprengstoff, der biegsam und formbar ist."

Mit dieser Ausschreibung, die zum Glück so nicht zustande kam, hätte die Tschechische Republik beinahe für einen internationalen Skandal gesorgt. Denn wie von Experten mehrfach betont wurde, hätte man mit dieser Art und Weise des Verkaufs mit Sicherheit nicht ausschließen können, dass der Sextex-Sprengstoff in letzter Konsequenz in die Hände von Terroristen gelangt. Doch es besteht noch ein weiteres Problem, dessen sich die tschechischen Beamten bisher noch zu wenig bewusst geworden sind: Der Sprengstoff muss gekennzeichnet sein, um bei Sicherheitskontrollen auch als solcher erkannt zu werden. Tschechien hat dazu auch die internationale Vereinbarung zur Kennzeichnung von Plastiksprengstoff unterschrieben, die hierzulande seit Mitte des Jahres 1998 verbindlich ist. Aus dieser Vereinbarung geht hervor, jede Vertragsseite habe innerhalb von drei Jahren dafür Rechnung zu tragen, dass von deren Armee oder Polizei verwahrter Sprengstoff, zu kennzeichnen oder andernfalls zu vernichten ist. Dies ist in Tschechien bisher nicht erfolgt, weshalb auch der Verteidigungsminister des oppositionellen Schattenkabinetts, ODS-Politiker Petr Necas, die Vernichtung des nicht gekennzeichneten Sprengstoffs fordert:

"Ich würde es als einen großen Fehler ansehen, wenn das Verteidigungsministerium die Sprengstoffmenge, die auf dem freien Markt erhältlich ist, erhöhen würde. Vor allem dann, wenn es sich dabei um nicht gekennzeichneten Sprengstoff handeln würde, den man nur sehr schwer identifizieren kann. Denn dann könnte man kaum ausschließen, dass der Endverbraucher letztlich nicht aus kriminellen oder Mafia-Kreisen, oder sogar dem terroristischen Umfeld kommt."

Mittlerweile verhandelt die tschechische Seite mit einem konkreten Interessenten, der die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt und an den nur ein entsprechend gekennzeichneter Sprengstoff verkauft würde. Dennoch: Tschechien muss sich in diesen explosiven Zeiten ganz sicher hinterfragen, ob denn nicht weniger (Sprengstoff) letzten Endes mehr (an Sicherheit) bedeuten würde.