Von Palermo bis Wolfsburg: Prager Cinefest 2011 zeigt deutsch-italienische Filmkunst

´Eine Frau für alle´

Das Cinefest vom Nationalen Filmarchiv (NFA) in Prag ist schon lange eine Institution. Es beruht auf einer Zusammenarbeit mit dem Filmarchiv in Hamburg. Schon am Dienstag, dem 01. Februar geht es los. In den kommenden neun Tagen wird im Kino Ponrepo ein erlesener Querschnitt durch die italienisch-deutsche Filmgeschichte präsentiert. Christian Rühmkorf befragte dazu den Filmhistoriker Milan Klepikov.

Milan Klepikov
Milan Klepikov, das Nationale Filmarchiv in Prag hat schon im vergangenen Jahr eng mit dem Hamburger Filmarchiv zusammengearbeitet. Diese Zusammenarbeit geht weiter. Das Nationale Filmarchiv präsentiert im Kino Ponrepo deutsch-italienische Filmkost. Der älteste Film stammt von 1928. Was erwartet die Filmexperten und die Filmfans in Prag?

„In diesem Jahr können die Filmfachleute einen Eindruck gewinnen, wie die beiden Nationen, also die italienische und die deutsche, sich gegenseitig gesehen haben im Film, in verschiedenen Etappen der Filmgeschichte. Und gleichzeitig kann man die Themenwahl der italienischen und der deutschen Filmemacher begutachten. Zum Beispiel, warum ein italienischer Neorealist wie Rossellini 1945, gleich nach dem Ende des Krieges nach Deutschland fährt und dort einen Film über Deutschland macht.“

Was ist das für ein Film?

„Das ist ´Deutschland im Jahre null´, einer der berühmtesten Rosselini-Filme aus den 1940er Jahren.“

´Eine Frau für alle´
Ein weiterer Film trägt den Titel ´Eine Frau für alle´ - das klingt sehr aufreizend. Was ist das für ein Film.

„Das ist eigentlich ein typisches Melodram, deshalb auch der Titel. Ein Melodram über eine Frau, die in verschiedene amouröse Verwicklungen gerät, und am Ende geht alles tragisch aus – nicht nur für sie, sondern auch für ihre zahlreichen männlichen Partner. Also ein typisches Melodram der 1930er Jahre, allerdings mit einer ungeheuren filmischen Bravour umgesetzt. Allein deshalb schon ist der Film interessant als einer der besten, wenn nicht stilistisch der beste italienische Film aus dem mussolinischen Italien. Aber es ist noch zusätzlich interessant dadurch, weil der Film durch einen Deutschen gedreht wurde, und zwar von einem Deutschen, der zu diesem Zeitpunkt in Hitler-Deutschland keine Filme mehr machen konnte, durfte, weil er Jude war. Und seltsamerweise hat das die Italiener überhaupt nicht gehindert, ihn zu beschäftigen, weil der Antisemitismus zu diesem Zeitpunkt in Italien noch nicht verbreitet war. Der wurde eigentlich erst später sozusagen importiert aus Deutschland. Und deshalb konnte ein Filmemacher wie Max Ophüls diesen Film in Italien drehen. Und er musste gleich nach 1933 Deutschland verlassen. Seine Filme wurden noch in Deutschland gespielt, allerdings durfte im Vorspann nicht mehr sein Name erscheinen. Und umso seltsamer erscheint es auf den ersten Blick, dass gerade dieser Filmemacher dann in Italien Fuß fasste.“

Dann gibt es auch noch einen Film von Werner Schroeter aus dem Jahre 1979: „Palermo oder Wolfsburg“. Das klingt schon nicht mehr ganz so wie die Italienbegeisterung im Deutschland der 50er und 60er Jahre. Um was für einen Film handelt es sich dabei?

„Das ist eine Geschichte über einen italienischen Gastarbeiter im Deutschland der 70er Jahre, der in den VW-Werken arbeitet und ein Verbrechen aus Liebe begeht. Und hier werden praktisch die Idealisierungen der deutschen Filmemacher der früheren Ära zurechtgerückt. Es werden die ganzen Konflikte zwischen Deutschland und Italien auf der sozialen Ebene gezeigt.“

Hintergrundinformationen zu diesen Filmen finden die Kinofans wo?

„Einmal gibt es mehr Informationen natürlich auf unserer Webseite www.ponrepo.czwww.ponrepo.cz oder in unserer Programmbroschüre.“