Vor 30 Jahren: Havels Rede vor amerikanischem Kongress

Václav Havel (Foto: Radan Boček, Post Bellum)

Im Februar 1990 war Václav Havel erst kurz im Amt als tschechoslowakischer Präsident. Doch er brach zu seiner wohl berühmtesten Auslandsreise auf, sie führte den früheren Dissidenten in die USA. Höhepunkt des Besuchs wurde seine Rede vor dem amerikanischen Kongress. Havel sprach dort als Staatsmann nur wenige Monate, nachdem er aus der kommunistischen Haft freigekommen war.

Václav Havel  (Foto: Radan Boček,  Post Bellum)

Das Kapitol in Washington ist der Sitz des amerikanischen Kongresses  (Foto: Jan Kaliba,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Nur seine ersten und letzten Sätze waren englisch. Ansonsten sprach Václav Havel in seiner Muttersprache. Er behauptete damals, ihm sei dies geraten worden und vermutete, damit vielleicht die Senatoren den Klang des Tschechischen genießen könnten.

Viel Wichtiger war aber natürlich, was Havel zu sagen hatte. Im Mittelpunkt standen der politische Wandel im östlichen Teil Europas und die Sicherheit in der Welt. Robert Jan Mrazek saß damals für die Demokratische Partei im Repräsentantenhaus. Gegenüber den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks erinnerte sich der Sohn tschechischer Eltern in diesen Tagen an Havels Auftritt:

„Der amerikanische Kongress war in den vergangenen 150 Jahren vielleicht einer der besten Orte, um die Reden von großen Staatsmännern zu hören. Dies hat eine lange Tradition. Und ich würde sagen, dass Havels Rede so kurz nach seiner Wahl zum Präsidenten auf demselben Level lag, wie Churchills Ansprache während des Zweiten Weltkriegs, als sein Land belagert wurde. Diese beiden Reden gelten als die stärksten Auftritte eines ausländischen Politikers überhaupt, die im amerikanischen Parlament zu sehen und zu hören waren.“

Havels Rede vor amerikanischem Kongress  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
Der Dichter-Präsident wurde insgesamt 23 Mal durch den Applaus der Abgeordneten und Senatoren unterbrochen. Etwa auch für folgende Worte:

„Häufig höre ich die Frage, wie uns die USA heute helfen können. Meine Antwort ist genauso paradox wie mein ganzes Leben: ‚Am meisten helft Ihr uns, wenn Ihr der Sowjetunion helft auf ihrem zwar unumkehrbaren, aber sehr schwierigen Weg zur Demokratie‘.“

Doch das Besondere war, dass Havels Rede durchdrungen war von philosophischen Überlegungen. Robert Mrazek kann das bestätigen:

„Ich bin mir nicht sicher, was meine Kollegen damals erwartet haben. Letztlich war es ein Vortrag, in dem Havel die Würde des Menschen und individuelle Freiheit feierte. Er sprach als jemand, der deswegen lange Zeit im Gefängnis verbracht hatte, weil er so mutig gewesen war, für diese Freiheit einzutreten. Die Rede an sich führte zur Idee, dass wir alle eine Menschenfamilie sind, die zusammenhalten muss, um das zu bewahren, was uns die Erde gibt und was bedroht ist. Seine Ansprache hatte etwas sehr Inspirierendes.“

Robert Jan Mrazek  (Foto: Jan Kaliba,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
So warnte Havel davor, sich von der Idee abzuwenden, dass alle Menschen Teil einer Familie seien.

„Wir sind immer noch nicht fähig, die Moral über die Politik, die Wissenschaft und die Wirtschaft zu stellen. Wir sind auch immer noch nicht in der Lage zu verstehen, dass die einzige Essenz unseres Tuns, falls dieses moralisch sein soll, nur die Verantwortung sein kann. Das bedeutet die Verantwortung gegenüber etwas Höherem als der eigenen Familie, dem Land, der Firma oder dem eigenen Vorteil“, appellierte der tschechoslowakische Präsident.

Allerdings sei dies auch in den vergangenen 30 Jahren nicht gelungen, meint Robert Mrazek. Ganz im Gegenteil, wie er sagt:

„Ich denke, Václav Havel wäre furchtbar enttäuscht darüber, wie wir die Chance vertan haben, eine sicherere Welt zu bauen. Oder wie er sagte: eine Familie aus Menschen.“

Autoren: Till Janzer , Jan Kaliba
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