Zweck erfüllt? Überprüfung auf kommunistische Vergangenheit soll abgeschafft werden

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Der Wahlerfolg der Partei Ano hat in Tschechien ein altes Thema wieder auf die Tagesordnung gebracht: den Umgang mit der kommunistischen Vergangenheit. Bisher ist für ein Ministeramt eine Lustrationsbescheinigung Pflicht. Das ist eine Überprüfung, dass ein Kandidat nicht für die kommunistische Geheimpolizei gearbeitet hat. Nun wollen die Kommunisten die Überprüfung abschaffen, und die Sozialdemokraten unterstützen dies.

Andrej Babiš  (Foto: ČTK)
Fast 25 Jahre nach dem November 1989 lasse sich doch annehmen, dass das Lustrationsgesetz seinen Zweck erfüllt habe, sagt der Chef der tschechischen Sozialdemokraten (ČSSD), Bohuslav Sobotka.

Warum künftige Minister nicht mehr auf ihre kommunistische Vergangenheit überprüft werden sollen, liegt auf der Hand: Andrej Babiš, der Vorsitzende und Gründer der Partei Ano, möchte in einer Koalition mit den Sozialdemokraten Finanzminister werden. Babiš soll aber in den 1980er Jahren für die tschechoslowakische Staatssicherheit gearbeitet haben. Der 59-Jährige bestreitet diese Mitarbeit und bezeichnet die Unterlagen als Fälschungen. Entscheiden soll darüber eine Gerichtsverhandlung, die ist aber erst für Januar angesetzt. Vorher soll jedoch die ganze Überprüfung in Tschechien abgeschafft werden. Der sozialdemokratische Senator Jiří Dienstbier sprang seinem Parteichef Sobotka zur Seite:

Jiří Dienstbier  (Foto: ČTK)
„Ich würde sogar sagen, dass das Gesetz nicht verfassungskonform ist. Man sollte sich vor Augen führen, dass dieses Gesetz mit der Sicherheit des Staates gerechtfertigt wurde. Es beschneidet aber die Chancengleichheit für Menschen, die eine öffentliche Funktion einnehmen wollen. Wir müssen uns daher die Frage stellen, ob uns heute eigentlich noch eine reale Gefahr droht.“

Die Sozialdemokraten wollen daher eine Durchleuchtung von Personen nur noch dort verlangen, wo auch eine allgemeine Sicherheitsüberprüfung notwendig ist. Vertreter der konservativen Bürgerdemokratischen Partei (ODS) verweisen jedoch auf die moralische Orientierung, die die Überprüfung biete. Jiří Pospíšil ist ehemaliger Justizminister und stellvertretender Parteivorsitzender der ODS:

Jiří Pospíšil  (Foto: ČTK)
„Wir sind überzeugt, dass ein ganz konkretes Sicherheitsrisiko bis heute existiert. 20 Jahre seit der Samtenen Revolution ist keine lange Zeit, schauen wir doch nach Deutschland: Dort hat man mit der Nazi-Vergangenheit mehrere Jahrzehnte gerungen. Wir sehen hier noch keine Versöhnung mit der Geschichte der Kommunistischen Tschechoslowakei und wir wollen nicht, dass Angehörige des totalitären Staates in hohe staatliche Funktionen und Ämter vordringen.“

Nun soll das neu gewählte Parlament über eine Novelle des Lustrationsgesetzes entscheiden. Einen entsprechenden Antrag wollen die Kommunisten einbringen, gemeinsam mit den Stimmen der ČSSD und der Partei Ano könnte das Gesetz geändert werden. Vor einem solchen Schritt warnt allerdings der Verein Post Bellum. Die NGO betreibt eine Webseite, auf der Zeitzeugen über ihre Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus und dem Kommunismus berichten. Direktor ist der Journalist Mikuláš Kroupa:

Mikuláš Kroupa  (Foto: Alžběta Švarcová,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Eine simple Frage: Sollen in hohen staatlichen Funktionen, an den Universitäten, bei der Polizei und in der Armee Menschen beschäftigt werden, die bereitwillig ihre Mitbürger dem totalitären Regime ausgeliefert haben? Wenn wir mit Nein auf diese Frage antworten, dann ist dies die Begründung für das Gesetz.“

Es ist auch nicht das erste Mal, dass die Sozialdemokraten die staatliche Überprüfung beenden wollen. Im Jahr 2001 war eine Gruppe von 44 sozialdemokratischen Abgeordneten vor das Verfassungsgericht gezogen. Ihr Antrag auf Abschaffung des Lustrationsgesetzes scheiterte jedoch. Zu dieser Gruppe gehörte auch Sobotka. Und bereits damals begründete er seine Forderung damit, dass seit der Samtenen Revolution genügend Zeit vergangen sei und die Risiken für den Staat überschaubar seien.