Wiederauferstandene Stadt der Rose: Krumau

Český Krumlov (Foto: Ondřej Tomšů)

Die Krümmungen des Flusses Moldau haben der Stadt Český Krumlov / Krumau ihren Namen gegeben. Auf einem Felsen ragt das Schloss empor.

Hauptplatz von Krumau  (Foto: Ondřej Tomšů)
Vor dem Rathaus auf dem Hauptplatz von Krumau startet Radomír Markovič seine Stadtführung. Im Laubengang macht er auf eine Gedenktafel aufmerksam:

„Diese Tafel wurde hier 1992 angebracht, als die Stadt Český Krumlov in die Unesco-Liste des Weltkulturerbes eingetragen wurde. 1989 kam die Freiheit, und drei Jahre später war schon eine Kommission aus Paris hier. Sie hat sich angeschaut, was in den Ländern des ehemaligen Ostblocks schön ist und dabei Krumau entdeckt.“

Kaputt, aber authentisch

Foto: Ondřej Tomšů
Die Stadt sah damals allerdings anders aus als heute. Die Straßen waren schmutzig, die Häuser grau. Manche Gebäude drohten sogar einzustürzen und mussten mit Balken gestützt werden. Radomír Markovič:

„Diese Häuser und ihre Fassaden waren kaputt. Es gab hier keinen Tourismus. In den Seitengassen waren viele Hauseingänge mit Brettern verschlagen. Zwei Hotels bot die Stadt und vier Kneipen. Hier auf dem Marktplatz befand sich ein Busbahnhof.“

Doch eben dies sei auch ein Vorteil gewesen, sagt Bürgermeister Dalibor Carda (Sozialdemokraten):

„Weil das Geld für den Umbau der Häuser fehlte, waren an ihnen kaum Eingriffe gemacht worden. Die Bauten befanden sich zwar in einem schlechten, aber in einem authentischen Zustand. Das war für die Eintragung in die Liste des Unesco-Weltkulturerbes entscheidend. Das Stadtzentrum hatte keinen großen Umbau hinter sich. Obwohl geplant war, zum Beispiel die Häuser in der Obergasse abzureißen und dort Plattenbauten hinzusetzen, ist es dazu nicht gekommen.“

Dalibor Carda  (Foto: Ondřej Tomšů)
Nach der politischen Wende von 1989 änderte sich die Lage grundsätzlich. Nun sei auch der historische Wert der Gebäude entdeckt worden, sagt der Bürgermeister.

„Die wertvollsten Bauten wurden vom Staat in einen Entwicklungsfonds der Stadt überführt. Daraufhin wurde ihre Restaurierung gestartet.“

Was aber hat die Kommissare der Unesco bereits 1992 überzeugt, Krumau zum Weltkulturerbe zu erklären? Stadtführer Radomír Markovič:

„Das war das italienische Flair in der Stadt. Die Stadt ist komplett und original erhalten. Es gibt hier etwa 400 Häuser, deren Alter bei 400 bis 500 Jahren liegt. So etwas findet man nördlich der Alpen nur selten.“

Nach 1989 nahm sich zunächst die Stadt der historischen Häuser an. Später seien viele von ihnen an neue Besitzer verkauft worden, die die Restaurierung weiter vorangetrieben hätten, sagt Markovič.

„Sie sehen hier heute schöne Häuser und ähnliche Strukturen. In den unteren Etagen befinden sich meist Geschäfte und Museen. Es gibt hier zum Beispiel viele Juweliere. Und in oberen Etagen sind häufig Ferienzimmer und Pensionen. Heute werden 5000 Betten angeboten, und die Menschen strömen hierher. Krumau wird jährlich von 1,5 Millionen Touristen besucht.“

Zweitgrößtes Schloss Tschechiens

Burg und Schloss Český Krumlov  (Foto: Ondřej Tomšů)
Die Gassen der Altstadt führen entlang der Bögen, die die Moldau hier schlägt. Über der Stadt ragt auf einem länglichen Felsen die Burg- und Schlossanlage empor – mit ihrem typischen, buntbemalten runden Turm. Stanislav Carda:

„Krumau hat die zweitgrößte Burg- und Schlossanlage in der Tschechischen Republik. Der Größenunterschied zwischen dem Hradschin in Prag und unserer Burg- und Schlossanlage beträgt nur 45 Quadratmeter.“

Und wie Kastellan Pavel Slavko sagt, ist die Burg- und Schlossanlage etwa 2,5 Kilometer lang. Sie besteht aus über 40 Gebäuden und Palais, die um fünf Höfe gruppiert sind. Außerdem gehören 20 Hektar Gärten dazu.

„Mit dem Bau wurde an der Wende vom 11. zum 12. Jahrhundert begonnen. Zunächst wurde die Stelle befestigt, an der heute der Turm steht. Die Festung auf dem Felsen über der Moldau sollte eine Furt darunter schützen. Nach und nach wurden weitere Flächen bebaut.“

Pavel Slavko  (Foto: Ondřej Tomšů)
Dabei wurden unzugängliche Schluchten aufgeschüttet oder überdacht, wodurch vier Kelleretagen entstanden sind. Schließlich wurden die Außenwände der gesamten Anlage gebaut.

„Es ist ein großartiges Bauwerk, an dem 300 Jahre lang gearbeitet wurde. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts hatte Krumau dann seine heutige Gestalt – als monumentaler, repräsentativer Sitz eines der mächtigsten Adelshäuser im Königreich Böhmen, der Rosenberger.“

Die Rosenbergs, die die fünfblättrige Rose in ihrem Wappen trugen, waren das erste bedeutende Adelsgeschlecht in Krumau. Im Laufe der Jahrhunderte folgten ihnen die Eggenbergs und Schwarzenbergs. Mit der Geschichte aller drei Schlossinhaber wird man bei den Führungen durch das Schloss bekannt gemacht:

Mantelbrücke  (Foto: Helcapas,  CC BY-SA 4.0)
„Wir zeigen die tiefsten Keller, aber auch den höchsten Punkt auf dem Umgang des Schlossturms. Und dazwischen führen wir durch die repräsentativen Appartements und Säle der jeweiligen wichtigsten Bauepochen, also der Renaissance, des Barock und des 19. Jahrhunderts. Zudem zeigen wir solche Bauteile, die anderswo in der Welt nicht zu besuchen sind, wie etwa die mehrstöckige Mantelbrücke. Kurz gesagt, momentan bieten wir acht Führungen an.“

Historische Häuser und drei Klöster

Außerdem kann man eine Schmiedewerkstatt im Schlosshof, ein Gartenmuseum und Weiteres mehr besichtigen. Und auch die Stadt unter dem Schloss habe viel zu bieten, betont Bürgermeister Stanislav Carda.

Minoriten-Stift  (Foto: H2k4,  CC BY-SA 3.0)
„Jedes Haus ist hier interessant. Jedes Haus hat ein Maßhaus, ein Portal. Viele Giebel sind mit Jungfrau-Bildern geschmückt, man spricht von den sogenannten Jungfrauen von Krumau. Die Baudenkmäler haben einen großen historischen Wert. Nach dem Schloss haben wir vor drei Jahren auch die hiesigen Klöster zugänglich gemacht. Sie sind fast so ausgedehnt wie das Schlossareal und nehmen ein Viertel des historischen Stadtkerns ein. Vereint sind darin drei Klöster: das Klarissen-Stift, das Minoriten-Stift und der Beginenhof.“

Das Internationale Musikfestival Český Krumlov ist ein Höhepunkt unter den zahlreichen Kulturveranstaltungen der Stadt. Radomír Markovič macht wiederum auf das beliebteste Stadtfest aufmerksam:

„Das größte Fest des Jahres ist das ‚Fest der fünfblättrigen Rose‘. Es findet zur ersten Sonnenwende statt. Dabei kommen bis 30.000 Menschen nach Krumau. In kostümierten Umzügen wird an alle Adelsgeschlechter erinnert, die hier ansässig waren. Viele Einheimischen nehmen daran teil. Es ist ein großes Spektakel mit Musik und böhmischem Essen.“

Deutsche, Amerikaner, Asiaten

Foto: Ondřej Tomšů
Viele Tschechen, aber auch viele ausländische Besucher werden gezählt. Doch wie hat sich der Tourismus in Krumau in den letzten Jahrzehnten entwickelt? Dalibor Carda:

„Schon kurz nach der Wende kamen Menschen hierher, die nach 1945 aus Krumau ausgesiedelt worden waren. Viele Österreicher und Deutsche kamen, um sich die Stadt anzuschauen. ‚Hier bin ich geboren‘, hier bin ich zur Arbeit gegangen‘ und so weiter. Und sie machten hier auch Einkäufe, die für sie billig waren. Damals boomten Eisenwarengeschäfte und Konditoreien.“

Nach der ersten Besucherwelle aus der nahen Umgebung jenseits der Grenze erweiterte sich das Interesse auf ganz Deutschland und Österreich.

„Immer noch überwogen Touristen aus den deutschsprachigen Ländern. Später nahm die Entfernung zu. Interessant ist, dass viele Amerikaner hierher kamen – und auch viele Spanier und Italiener. Manche ließen sie sich sogar in Krumau nieder. Und seit etwa drei Jahren, als sich die Czech Airlines mit der Korean Air vereinigt haben, erleben wir einen Boom von Besuchern aus Ostasien.“

In der südböhmischen Stadt leben insgesamt 13.000 Menschen. Aber anderthalb Millionen Touristen kommen im Jahr zu Besuch, das ist mehr als das Hundertfache der Einwohnerzahl. Radomír Markovič:

„Jede Entwicklung hat zwei Seiten. Viele Einheimische haben die Innenstadt verlassen. Etwa 700 Bürger haben hier im Zentrum noch ihre Wohnungen. Die meiste Fläche dient hier aber vorrangig dem Tourismus.“

Der Tourismus bereitet der Stadt aber auch tägliche Sorgen. So muss zum Beispiel Müll wie in einer Stadt mit 50.000 Einwohnern entsorgt werden. Doch Krumau lebe eben vom Besucherverkehr und locke gerne auch weitere Neugierige an, betont der Bürgermeister:

„Krumau hat ein besonderes Privileg: Die meisten Botschafter, die ihr Amt in Prag antreten, besuchen gleich als Nächstes unsere Stadt. Wir empfangen sie im Rathaus. Und sie empfehlen weiter, dass Krumau einen Besuch lohnt.“

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