In den 20 Jahren ihres Bestehens haben sich in der Tschechischen Republik in nicht wenigen Bereichen gravierende Veränderungen vollzogen. Einer dieser Bereiche ist der Außenhandel. Früher war er defizitär, doch seit nunmehr acht Jahren wird ein Überschuss generiert.
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Die tschechische Wirtschaft hat sich nach den Zwängen der Planwirtschaft
zu kommunistischen Zeiten mittlerweile stark geöffnet. Spätestens seit
dem Beitritt des Landes zur Europäischen Union im Jahr 2004 haben der
Import und Export derart zugenommen, dass Tschechien zu den Staaten der
Union gehört, die einen vergleichsweise starken Handel betreiben. Das
drückt sich auch in diesen Zahlen aus: Im Jahr 2011 lag der Anteil der von
tschechischen Firmen exportierten Waren bei 24,3 Prozent, der Anteil der
für die eigene Produktion eingeführten Waren betrug 23,3 Prozent. Damit
rangierte Tschechien in beiden Richtungen auf dem jeweils neunten Platz
unter den 27 EU-Ländern, was die Offenheit der Wirtschaft anbelangt. Dies
sagte der Analyst des Tschechischen Statistikamtes (ČSÚ), Lukáš Kučera, bei einer Pressekonferenz in Prag. Insgesamt aber ist
der Anteil von Import und Export am tschechischen Bruttoinlandsprodukt noch
weitaus höher, da inzwischen auch unzählige ausländische Tochterfirmen
auf dem hiesigen Markt operieren, ergänzt Kučera:
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„Im Vergleich zum Jahr 1999 hat sich unsere Wirtschaft bedeutend
geöffnet. Im Jahr 2012 lag sie in diesem Punkt im EU-Vergleich bereits auf
Platz fünf beim Export und auf Platz sechs beim Import. Das heißt, sie
war überdurchschnittlich offen.“
Der beträchtlich gestiegene Warenhandel ist letztlich auf die Hauptausrichtung der tschechischen Wirtschaft zurückzuführen, diese hat sich seit der Staatsgründung 1993 grundlegend geändert. Dazu Kučera:
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„Was hat sich geändert? In erster Linie hat sich die tschechische
Wirtschaft auf die Produktion von Waren mit einer hohen Wertschöpfung
umgestellt. Bei der Produktion von Maschinen und Verkehrsmitteln gelingt es
Tschechien jetzt zum Beispiel, einen beträchtlichen Exportüberschuss zu
schaffen. Auf der anderen Seite ist in der Bilanz ein Defizit beim Handel
mit Eisen und Stahl, aber auch mit Kautschuk und Plastik entstanden. Das
sind Erzeugnisse, die gerade in der Autoindustrie benötigt werden. Bei
diesen Erzeugnissen kann die Tschechische Republik ihren Bedarf nämlich
nicht decken.“
Foto: Archiv Radio Prag
Auch hier sprechen die Zahlen eine deutliche Sprache. Beim Handel mit
Maschinen und Verkehrsmitteln gab es im Zeitraum von 1999 bis 2012 stets
einen Exportüberschuss. Den größten Anteil daran hatte der Handel mit
Fahrzeugen und Fahrzeugteilen. Die Branchen Maschinen- und Fahrzeugbau
sorgten letztlich auch dafür, dass die tschechische Außenhandelsbilanz
seit 2005 positiv ist. Das heißt, es werden seitdem wertmäßig mehr Waren
ausgeführt als eingeführt. Der Autohandel hat dabei die größten
Steigerungsraten vorzuweisen. Im Jahr 2004 erreichte er erstmals einen
Exportüberschuss von über 100 Milliarden Kronen (über 3,7 Milliarden
Euro), im Jahr 2007 waren es bereits über 200 Milliarden Kronen und im
Jahr 2012 erstmals mehr als 300 Milliarden Kronen (ca. 11 Milliarden Euro).
Diese Entwicklung kam jedoch nicht von ungefähr, bedeutet Kučera:
Foto: Vodnik, Wikimedia CC BY-SA 3.0
„Sie ist vor allem darauf zurückzuführen, dass wir in den Jahren 1998
bis 2002 einen erheblichen Anstieg an ausländischen Investitionen in
Tschechien verzeichnet haben. Die ausländischen Investoren kauften hier
Unternehmen oder gründeten neue Firmen, die eben gerade im Maschinen- und
Fahrzeugbau für die hohe Wertschöpfung sorgen. Und diese Produkte werden
dann auch verstärkt ins Ausland exportiert.“
Auf der anderen Seite aber registriert die Tschechische Republik in ihrem Außenhandel jetzt auch verstärkt defizitäre Branchen. Zu ihnen gehören neben den schon erwähnten Rohstoffen und Energieträgern wie Öl und Gas insbesondere die Lebensmittel. Dazu sagt Kučera:
Foto: Europäische Kommission
„Der Umstand, dass der tschechische Lebensmittelmarkt immer mehr fremd
versorgt wird, hat sich weiter vertieft. Das ist besonders bei Fleisch und
Fleischprodukten der Fall. Der Trend, dass immer mehr Fleisch importiert
wird, hat sich besonders seit dem EU-Beitritt im Jahr 2004 verstärkt.“
Aber auch Obst und Gemüse wird immer häufiger eingeführt:
„Der Grund liegt darin, dass wir nicht in der Lage sind, bestimmte Obst- und Gemüsesorten im Land zu züchten. Oder aber der Anbau dieser Sorten ist derart kostenintensiv, dass er sich nicht lohnt. Deswegen importieren wir Obst und Gemüse in größeren Mengen.“
Foto: Filip Jandourek, Archiv des Tschechischen Rundfunks
Auch hierzu führt Kučera entsprechende Zahlen an. So ist der Import von
Fleisch und Fleischprodukten in den zurückliegenden 14 Jahren erheblich
gestiegen – im Jahr 1999 lag der importierte Wert noch bei 2,2 Milliarden
Kronen, im Jahr 2012 waren es bereits 25,8 Milliarden Kronen. Allein im
vergangenen Jahr betrug der Importüberschuss bei diesen Waren 16
Milliarden Kronen, das sind zirka 600 Millionen Euro. Wird die
Lebensmittelversorgung in Tschechien also immer abhängiger von Einfuhren
aus dem Ausland? Auf eine Antwort wollte sich Kučera nicht festlegen:
„Auf die Frage, was die Zukunft bringen wird, kann leider niemand antworten. Leider ist der Trend so, wie er ist: Die Fremdversorgung Tschechiens mit Lebensmitteln aus dem Ausland hat sich vertieft. Die Frage bleibt offen, ob die ausländischen Importe besonders bei Fleisch und Fleischprodukten weiterhin so stark bleiben, oder ob man sie begrenzen wird. Daraus ergibt sich aber schon die nächste Frage, nämlich die, was dazu führen müsste, um diese Importe überhaupt einschränken zu können.“
Foto: František Tichý, Archiv des Tschechischen Rundfunks
Trotz dieser Defizite in einzelnen Branchen sowie der Tatsache, dass der
tschechische Export ziemlich stark auf Produkte aus Industrie und
Fahrzeugbau ausgerichtet ist, glaubt Kučera, dass der tschechische
Außenhandel in absehbarer Zeit weiter schwarze Zahlen schreiben wird:
„Es ist wahr, dass der tschechische Export hauptsächlich auf den Branchen Maschinen- und Fahrzeugbau basiert. Doch wenn man den langfristigen Trend anschaut, dann lässt sich feststellen: Bis zum Jahr 2004 waren wir im Defizit, im Jahr 2005 haben wir erstmals einen Außenhandelsüberschuss verzeichnet und im Jahr 2012 hat dieser Überschuss einen Rekordwert erreicht. Daraus lässt sich ableiten, dass der Außenhandel auch in Zukunft einer der Motoren der tschechischen Ökonomie sein wird. Er wird weiter Überschüsse generieren und damit das Bruttoinlandsprodukt als Ausdruck der Wirtschaftskraft des Landes erhöhen.“
Dieser Beitrag wurde am 20. November 2013 gesendet. Heute konnten Sie seine Wiederholung hören.