Braun: Mangelnde Auslandserfahrung hat tschechische Firmen häufig in Bedrängnis gebracht

Der stürmische Herbst 1989 hat es ermöglicht: Seit dem Fall der Berliner Mauer und der Samtenen Revolution in der damaligen Tschechoslowakei können Deutsche und Tschechen auch wirtschaftlich wieder eng miteinander kooperieren. Als gleichberechtigte Partner nach geltendem Wirtschaftsrecht. Die Zusammenarbeit fiel jedoch nicht immer leicht, besonders nicht am Anfang in den 90er Jahren – zu unterschiedlich waren da die deutsche und die tschechische Gesetzgebung. Welche Hürden es dabei zu überspringen galt und gilt, darüber hat Radio Prag mit dem Prager Rechtsanwalt Arthur Braun gesprochen, der die Entwicklung von Grund auf kennt.

Ein Prag-Besuch 1988 hatte Arthur Braun nicht mehr losgelassen. Nur kurze Zeit später begann er an der Universität in Passau Tschechisch zu lernen. Als er dann im September 1990 erfuhr, dass man auch in Prag studieren könne, war er seinen eigenen Worten nach der erste westliche Jurastudent nach der Wende in der Moldaustadt. Vier Jahre später traf er eine weitere wichtige Entscheidung:

„Anfang 1995 stand ich vor der Frage: Wo fange ich an? Gehe ich zu einer großen deutschen Firma, wo ich ein Angebot hatte, oder nach Düsseldorf in eine Großkanzlei? Ich habe mich damals aber für das Abenteuer entschieden und bin nach Prag gegangen. Seitdem bin ich hier als Anwalt tätig.“

Eine Entscheidung, die er bis heute nicht bereut hat. Elf Jahre arbeitete er seitdem in mehreren Großkanzleien, davon sieben Jahre als Partner. Seit 2006 ist der Jurist als Mitinhaber für die Kanzlei bpv Braun Haškovcová tätig, die im Rahmen eines internationalen Verbundes vorwiegend grenzüberschreitende Beratung in allen Bereichen des Wirtschaftsrechts führt. Und bei so viel Erfahrung lässt es sich natürlich auch sehr schön aus dem Nähkästchen plaudern. Zum Beispiel über eine Form der Wirtschaftskooperation von Tschechen und Deutschen:

„Die Zusammenarbeit von Tschechen und Deutschen in Deutschland lief meistens auf der Basis von Vertriebsstrukturen. Dagegen kaufen oder betreiben sehr wenige tschechische Firmen einen Produktionsbetrieb in Deutschland. Häufig wurde diese Zusammenarbeit als Joint Venture geführt, also als eine Gesellschaft, in der sowohl Tschechen als auch Deutsche sind. Joint Venture aber ist immer nur eine Ehe auf Zeit.“

Ansonsten hätten tschechische Gesellschaften häufig eine GmbH gegründet, um einen Vertrieb aufzubauen, so Braun. Allerdings sehr oft mit Fehlern:

„Wenn es sich um kein Joint-Venture-Projekt handelte, dann haben wir gesehen: Die tschechischen Gesellschaften waren häufig im arbeitsrechtlichen Bereich sehr, sehr fehlerträchtig. Beispiel Kündigungsschutz: Kleinbetriebe in Deutschland fallen nicht unter das Kündigungsschutzgesetz. Das heißt, ich kann letztlich mit den normalen gesetzlichen Fristen bei einer Kündigung auf bis zu vier Wochen heruntergehen. Das haben viele tschechische Unternehmen vergessen und dadurch riesige Abfindungen gezahlt. Umgekehrt kann ich in Deutschland Probezeiten für sechs Monate vereinbaren. Im Gegensatz dazu liegen sie in Tschechien bei nur drei Monaten. Das heißt, ich sollte diese sechs Monate auch ausnutzen.“

Tschechische Firmen haben ihren Mangel an internationaler Erfahrung häufig auch mit einem bösen Erwachen vor Gericht bezahlt. Bei Streitfällen haben mehrere von ihnen sehr oft unterschätzt, dass in Deutschland gefällte Urteile seit 2001 auch in Tschechien vollstreckt werden können. Sie waren dann mehr als verblüfft, als auf einmal der Gerichtsvollzieher vor ihrer Türe stand. Aber auch von den deutschen und österreichischen Unternehmen, die nach Tschechien kamen, sind nicht alle fehlerlos geblieben:

„Aus meiner Sicht gesehen, haben sich die meisten Deutschen sehr korrekt bis überkorrekt verhalten. In den 90er Jahren gab es vielleicht welche, die gemeint haben, dass hier der wilde Osten ist und dass man daher mit sehr groben Maßstäben herangehen kann. Bei Hunderten von Gesellschaftern, die aus Österreich, Deutschland oder den USA ins Land kamen, habe ich jedoch gesehen, dass immer wieder die gleichen Fehler gemacht wurden. Wir müssen allerdings unterscheiden zwischen großen und mittelständischen Unternehmen. Für die Mittelständler war es oft die erste Auslandserfahrung. Das heißt, sie waren sich meist gar nicht bewusst, dass man auch die fremde Sprache sprechen muss. Das Management meinte, allein mit Deutsch oder Englisch kommt man mit jedem Bürgermeister weiter. Also, letztendlich jemanden herzuschicken aus Deutschland, der nicht Tschechisch spricht oder wenigstens versteht, das ist ein Riesenfehler gewesen.“

Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag
Ein weiteres Problem sei das deutsche Verständnis für einen Immobilienerwerb in Tschechien. Auch hier waren Gastfirmen vor unliebsamen Überraschungen nicht gefeit, so Braun:

„In Deutschland ist es so: Was im Grundbuch steht, gilt! Selbst wenn ich bei dem eingetragenen Kauf, der im Grundbuch steht, nicht als Eigentümer ausgewiesen bin, so werde ich dennoch Eigentümer. In Tschechien gibt es dafür eine Sitzungsfrist. Es gibt ein tolles Kataster, was inzwischen weitgehend digitalisiert ist, so dass man dorthin auch per Internet Zugang hat. Das ist weit besser geregelt als in Deutschland. Aber: Selbst wenn ich von dem im Grundbuch Eingetragenen kaufe, und die dort angegebene Person ist nicht der Eigentümer, so kann es sein, dass ich das Eigentum wieder verliere. Einfach deshalb, weil es in Tschechien eine zehnjährige Sitzungsfrist gibt.“

Es gab jedoch auch objektive Schwierigkeiten, mit denen ausländische Niederlassungen in Tschechien zu kämpfen hatten und teilweise auch noch zu kämpfen haben:

„Auch dieser Fehler passiert sehr häufig: Deutsche Unternehmer verlassen sich zu oft darauf, dass tschechische Gerichte schnell urteilen. Ich muss sagen, es hat hier große Fortschritte gegeben. Man ist hierzulande inzwischen viel schneller als im EU-Gründungsland Italien, was die Urteile angeht. Bezüglich der Qualität aber ist es noch immer nicht das, was man erwarten könnte. Und dann das Tempo: Es ist einfach nicht hinnehmbar, dass ein normaler handelsrechtlicher Prozess drei bis vier Jahre dauert, bis er rechtskräftig wird. Wir haben jetzt gerade ein Urteil aus Ostrava / Ostrau bekommen. Trotz aller Interventionen hat es acht lange Jahre gedauert, bis der Mandat ein bisschen was erhalten hat.“

Dennoch, die Fortschritte, die Tschechien gerade in den letzten Jahren in einzelnen Bereichen des Wirtschaftsrechts gemacht hat, sind unübersehbar:

„Umgekehrt aber muss man hier auch sehr viel loben. Was zum Beispiel mit dem Handelsregister passiert ist, ist wirklich toll. Es gibt ein elektronisches Handelsregister und die hier üblichen Fristen sind inzwischen weit kürzer als im deutschen Recht. Oder zum Beispiel Katastertransparenz: Dadurch, dass die Anträge jetzt verfolgbar sind, ist auch die Häufigkeit der Korruptionsfälle enorm gefallen. Ich entsinne mich, wie Bestechungen am Kataster noch in den 90er Jahren gelaufen sind, wo in den Zeitungen so die üblichen Bestechungsgelder für Handelsregister-Eintragungen waren. Das ist ganz einfach verschwunden, denn der Gesetzgeber hat in diesem Bereich sehr viel getan.“

Eine sicher sehr löbliche Entwicklung. Andererseits aber noch kein Grund, um die Hände jetzt in den Schoß zu legen. Kein Land der Welt ist frei von Korruption, behauptet Braun und nennt auch sofort den Bereich, in dem weiterhin das üppigste Schmiergeld fließt: das Vergaberecht. Das kommt nicht von ungefähr, denn die Vergabe von öffentlichen Aufträgen ist nach wie vor ein sehr lukratives Geschäft:

„Mehr als ein Sechstel des Bruttoinlandproduktes wird über das Vergaberecht vergeben. Hier gibt es Bereiche, wo auch wir als Anwaltskanzlei sagen: Wir beteiligen uns nicht daran, weil wir niemanden schmieren wollen in der Regierung, im Ministerium oder wen auch immer. Damit sich dieser Jemand nicht bereichert. Die Korruption bleibt also ein Thema für uns wie auch für viele in der Wirtschaft.“