Dem tschechischen Ökolandbau fehlt der Markt

Foto: Štěpánka Budková

Tschechien hat unter den ostmitteleuropäischen Staaten einen relativ hohen Anteil an ökologischer Landwirtschaft. Und tatsächlich boomen hierzulande sogar Bioläden, Bauernmärkte und Geschäfte für qualitativ hochwertige Lebensmittel. Doch das reicht nicht: Weiter bleiben die Absatzmöglichkeiten das limitierende Hauptproblem für die tschechischen Ökobauern.

Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag
Eier von freilaufenden Hühnern oder Bio-Milch – das sind die Öko-Produkte, die am ehesten in den tschechischen Supermärkten zu finden ist. Auch Rindfleisch ist hie und da zu bekommen. Doch ansonsten muss man meist in den Bioladen gehen. Äpfel oder Mohrrüben aus ökologischem Landbau zum Beispiel sind im konventionellen Verkauf nicht zu bekommen. Zumindest sieht es so aus – aber dazu später.

Dabei gibt es den offiziellen Zahlen nach über 4200 Bio-Landwirte in Tschechien. Allerdings überwiegen die Fleischproduzenten. Ihnen gehören über 80 Prozent der ökologisch bewirtschafteten landwirtschaftlichen Fläche. Es handelt sich meist um Farmen in oder am Rand der tschechischen Mittelgebirge, vom Böhmerwald, über das Erzgebirge, die Böhmisch-Mährische Höhe bis in die Beskiden. Kateřina Urbánková ist Managerin von Pro-Bio, dem einzigen tschechischen Verband für Bio-Lebensmittel:

Foto: Štěpánka Budková
„Für diese Ausrichtung gibt es zwei Gründe. Zum einen wurden in den Berggegenden in den ehemaligen Sudeten immer schon Rinder gezüchtet. Und zum anderen ist auf den Grasflächen ein Übergang zum Ökolandbau am einfachsten zu bewerkstelligen, was auch vom Staat unterstützt wurde. In den fruchtbaren Gegenden wie zum Beispiel im Elbtal ist hingegen der Übergang extrem schwer. Wenn der Nachbar rechts und der Nachbar links von oben und von unten seine Felder und Beete besprüht, grenzt es an Selbstmord, Ökolandbau zu betreiben. Nicht nur, weil vielleicht herübergesprüht wird, sondern auch weil im eigenen Boden Rückstände von Pestiziden und weiteren Giftstoffen sind.“

Schwerer Stand in fruchtbaren Regionen

Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag
Mittlerweile werden 17 Prozent der tschechischen Rinder auf Ökofarmen gehalten, bei Ziegen und Schafen liegt der Anteil aber noch viel höher: Es sind 36 beziehungsweise 44 Prozent. Auf der anderen Seite werden nur zwei Prozent der Getreideanbauflächen ökologisch bewirtschaftet.

„In den fruchtbaren Regionen, in denen das Dreigestirn Weizen, Raps und Mais überwiegt, ist es schwer, einen Ökolandbetrieb aufzubauen. Schon an die geeigneten Flächen kommt man kaum heran, weil dort große Genossenschaften mit bis zu 1000 Hektar Land wirtschaften. In den dünn besiedelten Berggegenden ließ sich eher Grund und Boden erwerben. Zwar ändert sich dies so langsam. Aber wir hinken einfach auch 20 bis 30 Jahre hinter Österreich und Deutschland zurück. Und dieser Rückstand lässt sich nicht überspringen. Wir müssen hier in Tschechien einfach maximal den Biolandbau unterstützen“, so Urbánková.

Jan Gallas  (Foto: Archiv des tschechischen Landwirtschaftsministeriums)
Mittlerweile ist diese Erkenntnis auch beim Landwirtschaftsministerium in Prag angekommen. Zwölf Prozent Bio an der gesamten landwirtschaftlichen Fläche sind auch nicht schlecht im Vergleich zu Polen oder Ungarn. Doch ist die einseitige Ausrichtung auf die Fleischproduktion kein Problem aus Sicht der Ministeriellen? Jan Gallas ist im Ressort für den Ökolandbau verantwortlich:

„Ich halte das entschieden nicht für ein Problem. Dies ist einfach ein Umstand, mit dem wir irgendwie zurechtkommen müssen. Aus ökologischer Sicht ergibt sich daraus ein klarer Vorteil. Denn aus den Bergregionen kommt der meiste Teil des Trinkwassers für Tschechien, sowohl ober- als auch unterirdisch. Und von dort werden auch die europäischen Flusssysteme gespeist. Wenn in den Berggegenden also ökologisch gewirtschaftet wird, ist das nur allzu gut für die Wasserqualität und die Umwelt. Aber wir müssen den Ökobauern auch entgegenkommen, damit sie einen Absatzmarkt finden.“

Kateřina Urbánková  (Foto: Archiv des Verbandes der Privatlandwirtschaft Tschechiens)
Und genau da liegt bisher das Problem, findet Kateřina Urbánková von Pro-Bio:

„Die größten Hindernisse liegen beim Absatz. Eine Sache ist, ökologisch herzustellen – wenn man dann die handwerkliche Seite im Griff hat, ausreichend beraten wird, muss man aber auch in der Lage sein, die Waren zu verkaufen. Sonst kann sich der Betrieb nicht behaupten.“

Bio-Äpfel als konventionelles Obst verscherbelt

Dabei ist in Tschechien die Lage schon fast absurd. So wird Gemüse und Obst in Bioqualität in Supermärkten als konventionelle Ware verscherbelt. Oder angeblich normales Fleisch liegt neben Biofleisch im Regal – und stammt aber von einem Ökobauernhof. Tatsächlich geht nämlich nur ein Drittel der Bioprodukte auch als solche in den Handel, den Rest konsumiert der Verbraucher nichts ahnend als Standardprodukt. Beim Hauptartikel – dem Fleisch – hat das laut Jan Gallas vom Landwirtschaftsministerium mehrere Gründe.

Foto: USDA,  Public Domain
„In Tschechien besteht allgemein eine Überproduktion an Rindfleisch, der Markt ist relativ stark gesättigt. Außerdem fehlt es hierzulande an Kapazitäten bei den Bio-Schlachthöfen, um das Fleisch für den Handel weiterzuverarbeiten. Und nicht zuletzt ist die Nachfrage nicht genügend hoch, weil das Fleisch deutlich teurer ist als das aus konventioneller Tierhaltung. Wir suchen derzeit nach Lösungsmöglichkeiten. Vergleichsweise einfach lassen sich natürlich die Schlachthöfe überzeugen, auch auf Bio umzustellen. Für das Problem des Endpreises für die Verbraucher fahnden wir noch nach dem Schlüssel“, so Gallas.

Foto: Karen Arnold,  PublicDomainPictures.net
Tatsächlich geben die Tschechen pro Kopf im Jahr unter 200 Kronen (7,40 Euro) für Bio-Lebensmittel aus. Zum Vergleich: In Deutschland sind es 97 Euro, also rund 13 Mal mehr.

Deswegen lohnt es sich für die Biobauern, nach Absatzmärkten im Ausland zu suchen. Schon jetzt wird 37 Prozent der Ware exportiert. Kateřina Urbánková:

„Wir exportieren vor allem Biomilch nach Deutschland, das klappt auch recht gut. Was die Biobauern in Tschechien absetzen können, verkaufen sie hier. Der Rest geht eben nach Deutschland, Österreich oder in weitere Länder. Damit konsolidieren sich die Betriebe. Und das Landwirtschaftsministerium und andere politische Entscheidungsträger erkennen, dass die Bio-Landbauern nicht in der Warteschlange stehen wie die Landwirte mit konventioneller Tierhaltung, sondern konkurrenzfähig sind. Das dürfte auch dem Staat die Augen öffnen, dass dies die richtige Richtung ist – das richtige ökonomische und ökologische Modell.“

Erstmals propagiert der Staat auch Bio

Tschechien legt nun auch erstmals ein Programm auf, um Bio-Lebensmittel zu bewerben. 30 Millionen Kronen (1,1 Millionen Kronen) sind dafür vorgesehen. Das ist zwar nur ein Zehntel der Summe, mit der das Landwirtschaftsministerium seine Schutzmarke „Klasa“ bewirbt. Aber beim Verband Pro-Bio ist man schon froh, dass der Staat überhaupt in diese Richtung aktiv wird.

Auf europäischer Ebene sehen die Ziele aber ganz anders aus. Die Idee der Bio-Landwirte lautet: bis 2030 mehr als die Hälfte der Anbauflächen ökologisch zu bewirtschaften. Zu verstehen ist diese Forderung wohl am ehesten als Impuls für Reformen in der EU. Denn in immer mehr Gegenden ist der Boden durch Stickstoffe, Phosphor, Pflanzenschutzmittel und Schwermetalle belastet, außerdem erodieren die Böden. Ab kommendem Jahr steht daher die sogenannte „Gemeinsame Agrarpolitik“ in der EU auf dem Prüfstand.

Jan Plagge  (Foto: Archiv CDU/CSU)
Bioland-Chef Jan Plagge, der auch Vizepräsident des europäischen Dachverbandes ist, hat die EU-weite Vision am Montag beim „Biosummit“ in Prag vorgestellt. 50 Prozent nachhaltig bewirtschaftete landwirtschaftliche Fläche? Kateřina Urbánková von Pro-Bio würde dies sofort unterschreiben:

„Das ambitionierte Ziel, das Herr Plagge genannt hat, lässt sich auch in Tschechien erreichen. Es würde aber ein riesiges Stück politischen Mutes voraussetzen. Dann müsste jemand nicht nur an der Spitze des Landwirtschaftsministeriums, sondern auch der Regierung sich dafür kämpfen wollen. Und ich kann mir die Argumente der Gegner schon ausmalen.“

Autor: Till Janzer
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