Ende der tschechischen Bankenprivatisierung

Herzlich willkommen bei einer weiteren Ausgabe unserer Magazinsendung mit Themen aus Wirtschaft und Wissenschaft, am Mikrofon begrüssen Sie .. und RH. Die Privatisierung der halbstaatlichen Grossbanken in Tschechien ist zu Ende. Vor knapp zwei Wochen ist mit dem Verkauf des staatlichen Mehrheitsanteils der Komercni Banka an die französische Societe Generale die Entstaatlichung der grossen Finanzinstitute abgeschlossen worden. Für die tschehchische Wirtschaft beginnt damit eine neue Epoche. Denn jetzt wird es niemanden mehr geben, der überschuldeten Firmenkolossen immer wieder neue Kredite ohne die Perspektive einer Rückzahlung gewährt, nur weil dies politisch opportun ist. Mit starken ausländischen Partnern werden die Banken jetzt das tun, was ihrem Wesen entspricht - nämlich ihren Gewinn zu maximieren. Die Privatisierung der Komercni banka und das Ende des sogenannten Bankensozialismus in Tschechien sind die Themen für die heutige Sendung, zu der wir guten Empfang wünschen. Von R. Hermann.

Für 40 Milliarden Kronen, rund eine Milliarde Dollar, hat der tschechische Staat seinen 60-%igen Anteil an der Komercni banka verkauft, und zwar an die französische Bank Societe Generale, die im Auswahlverfahren einen höheren Preis anbot als ihre Konkurrenten aus Italien und Deutschland. Im Verlauf dieses Verfahrens erhöhte die Societe Generale ihr Angebot von ursprünglich 31 auf 33 und schliesslich 40 Milliarden, während die italienische UniCredito bei 30 Milliarden eingestiegen war, später eine Preisspanne von 33 bis 33 Miliarden anbot und schliesslich bei 38 Milliarden landete. Die Offerte der deutschen Hypo-Vereinsbank blieb dahinter deutlich zurück und lag anfangs bei 17, zum Schluss bei 20.3 Milliarden.

Wer ist die neue Besitzerin einer der wichtigsten tschechischen Banken, die wegen ihrer Bedeutung für die hiesige Wirtschaft auch schon als deren Rückgrat bezeichnet wurde? Die Societe Generale ist die zweitgrösste Bank Frankreichs mit einer Bilanzsumme, die in tschechische Kronen umgerechnet die staatliche Zahl von 15.5 Billionen erreicht. Im Vergleich dieser Indikatoren erreicht die Komercni banka gerade 2.6 % des Werts der Societe Generale. Diese spezialisiert sich auf Finanzdienstleistungen für den Unternehmenssektor, Investitionsbanking, Bankberatung, aber auch Dienstleistungen für Kleinkunden. In den 90er Jahren expandierte die Societe Generale bereits in andere Länder Ostmitteleuropas und erwarb Finanzinstitute in Bulgarien, Rumänien und Slowenien. Mit der Komercni Banka als bedeutender Akquisition in Tschechien hat sie nach Aussage ihres Chefs für das Kleinkundensegment im Ausland, Jean-Louise Mattel, vor, die starke Position der Komercni banka im tschechischen Firmensektor auszunützen, aber nicht weiter auszubauen, da die Bank schon jetzt in diesem Segment tschechischer Marktleader sei. Hingegen möchte Mattel die Breite des Angebot ausbauen und auch die Einlegerzahl im Kleinkundengeschäft erhöhen. Mattel wies darauf hin, dass ein typischer Klient in Frankreich im Durchschnitt fast 7 verschiedene Bankprodukte nütze, während es in Tschechien nur 1.4 seien.

Die sozialdemokratische Regierung, in deren Amtszeit etwas paradox alle 3 erfolgreichen Privatisierungen halbstaatlicher Banken gefallen sind, nämlich der tschechoslowakischen Handelsbank CSOB, der tschechischen Sparkasse Ceska Sporitelna und der Komercni banka, zeigte sich mit dem erzielten Verkaufspreis sehr zufrieden. Finanzminister Jiri Rusnok hob hervor, dass der Preis das 3.2-fache des Eigenkapitals der Bank betrage, was ein ausserordentlich gutes Resultat sei. Üblich seien nämlich das 2.2 bis 2.4-fache. Damit könne vom besten Verkauf einer Bank in Mittel- und Osteuropa gesprochen werden. Auch unabhängige Analytiker hielten fest, dass der erzielte Preis am oberen Rand sogar der optimistischen Prognosen sei. Dies wurde auf die Tatsache zurückgeführt, dass die Komercni Banka auf dem tschechischen Markt eine strategische Position einnehme und dass die Societe Generale ein grosses Interesse gehabt habe, im mitteleuropäischen Raum ein grosses Finanzinstitut zu erwerben. Einige Vertreter der Opposition hingegen mäkelten, der Verkauf der Komercni banka sei ein weiteres Verlustgeschäft der Regierung Zeman, denn der Staat habe in mehreren Sanierungsversuchen rund 65 Milliarden in die Bank investiert und müsse sehe sich in der Zukunft möglicherweise mit weiteren Auslagen im Rahmen der Realisierung von Staatsgarantien über maximal 20 Milliarden konfrontiert. Die Wirtschaftszeitung Hospodarske noviny kommentierte diese sehr divergierenden Interpretationen mit den Worten, hier reflektiere sich die reine Demagogie, die in der tschechischen Politik leider allzu oft anzutreffen sei. Der Verkauf eines so ausserordentlichen Unternehmens, wie es die Komercni Banka für Tschechien sei, dürfe nicht nur in reinen Zahlen unter dem Strich angesehen werden, sondern müsse auch in einen weiteren Zusammenhang gesetzt werden. Die Zeitung schrieb zu der Transaktion:

Gegen einen höheren Preis spielten drei Faktoren: Erstens hat die Bank in der Vergangenheit einen Teil ihres Renommees verloren, zweitens fiel der Entscheid zur Privatisierung in einer Zeit, in der verschiedene ostmitteleuropäische Finanzinstitute zum Verkauf standen, und drittens wussten die ausländischen Investoren, wie verzweifelt die Regierung Zeman Geld benötigt. Vor diesen Hintergrund sind 40 Milliarden Kronen für den 60%igen Anteil an der Komercni Banka ein gutes Ergebnis. Ausserdem geht es nicht nur um den Kaufpreis. Die Bank erhält einen seriösen Investor. Damit verschwinden die Befürchtungen, dass sich Betrüger der Bank bemächtigen und der Staat deren Eskapaden teuer bezahlen müssen wird. Die Societe Generale bringt im Gegensatz die Hoffnung, dass sich die Ergebnisse der Bank verbessern und damit dem Staat höhere Steuereinnahmen bescheren. Wenn wir nur rechnen würden, könnten aber die 40 Milliarden als kleine Summe erscheinen, denn der Staat musste in den vergangenen Jahren nicht unerhebliche Mittel in die Bank stecken. Die staatliche Konsolidierungsbank musste schrittweise faule Kredite in der Höhe von Dutzenden Milliarden übernehmen. Die Verluste dürften höher sein als die Summe des Kaufpreises, der Dividenden und Aktien im Besitz des Staates und der Mittel, die aus den ausgegliederten Krediten allenfalls zurückfliessen. Darauf stützen sich die Kritiker der Transaktion. Einige dieser Stimmen klingen allerdings überaus scheinheilig, denn sie stammen aus den Reihen von Parteien, die, als sie selbst an der Macht waren, die Bankenprivatisierung nicht zu Ende führten, obwohl sie dauernd davon sprachen. Und wie die Zeit verstrich, verspielte die Komercni banka ihren Kredit als bestes Finanzinstitut der Region und tätigte zweifelhafte Geschäfte. Heute können wir nur darüber spekulieren, inwieweit die Verzögerung der Bankenprivatisierung in der Mitte der 90er Jahre vorsätzlich war. War es nur ein falsch eingeschlagener Weg der Privatisierung, der sogenannte tschechische Weg? Oder passte die Situation den Freunden und Kameraden derjenigen, die an den entscheidenden Stellen sassen?

Diese Frage im Kommentar der Zeitung Hospodarske noviny bringt uns zum Schlagwort des Bankensozialismus, der in Tschechien jetzt zu Ende geht. Der Terminus Bankensozialismus bezeichnet den Zustand, in dem staatliche oder halbstaatliche Banken nicht nur nach ökonomischen, sondern teilweise auch politischen Vorgaben arbeiten. Mit anderen Worten: Staatsunternehmen oder andere Grosskunden ohne Perspektive mit weiteren Krediten stützen, weil deren Zusammenbruch die regierende Elite gefährden könnte. Viel wird heutzutage darüber spekuliert, dass die konservativen Regierungen unter Vaclav Klaus zwischen 1992 und 1997 von der Bankenprivatisierung nur sprachen, sie aber gerade aus diesem Grund nicht eingentlich vorantreiben wollten.

Und damit sind wir am Ende der heutigen Ausgabe von Wirtschaft und Wissenschaft, vom Mikrofon verabschieden sich . und RH.osZZeitung

Autor: Rudi Hermann
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