Kleine Brauereien in Tschechien entpuppen sich immer mehr als regionale Attraktionen

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Spätestens seit den letzten Maitagen hat auch in Tschechien die touristische, weil heiße Sommersaison begonnen. Bei welchen Gelegenheiten Sie dabei als Besucher des Moldaulandes ihren womöglich ziemlich großen Bierdurst löschen können, darüber informieren wir Sie u. a. im nun folgenden Wirtschaftsmagazin von und mit Lothar Martin. Mit im Studio ist zudem Chris Schmelzer.

Wenn Sie in Europa, ja mitunter weltweit einen Wirtschaftszweig benennen sollen, mit dem sich die Tschechische Republik international einen Namen gemacht hat, dann ist es die Bierproduktion. Marken wie Pilsener Urquell, Budweiser oder Staropramen sind im Ausland buchstäblich in aller Munde. Diese Hersteller des beliebten Gerstensafts sind jedoch nur die Spitzen- und Vorzeigefirmen einer Branche, die im Land zwischen Eger und Oder auf eine jahrhundertealte Tradition verweisen kann. An der jährlichen Bierproduktion des Landes, die im vergangenen Jahr bei 18,75 Millionen Hektoliter lag, sind nämlich auch 34 kleinere Brauereien mit einem durchschnittlichen Anteil von acht bis zwölf Prozent beteiligt. Als kleine Brauereien bezeichnet man Produktionsstätten, die jährlich eine Biermenge von bis zu 200.000 Hektoliter ausstoßen. Von ihnen sind 22 Mitglied im Tschechischen Verband der kleinen unabhängigen Brauereien, der nach der Wende mit dem Ziel gegründet wurde, diesen Herstellern im immer härter werdenden Konkurrenzkampf mehr Gewicht und vor allem eine unabdingbare Aufmerksamkeit zu verleihen. Um im Geschäft zu bleiben und nicht von der Bildfläche zu verschwinden, dazu führen diese Brauereien in der nunmehr wieder begonnenen touristischen Hauptsaison mehr als 100 kulturell-gesellschaftliche Veranstaltungen durch, deren Popularität in den jeweiligen Regionen von Jahr zu Jahr zunimmt. Daher wollten wir vom Präsidenten des Tschechischen Verbandes der kleinen unabhängigen Brauereien, Jiri Fusek, zunächst auch wissen, welche Erfahrungen sie bisher mit diesen Veranstaltungen gesammelt haben:

"Sie sind ein Grundbaustein der neben der Produktion ablaufenden Programme, und zwar deshalb, weil sie einen Zusammenhang herstellen zwischen der Werbung für unsere Biere und deren Sichtbarmachung in den Regionen. Heutzutage spüren wir sehr genau den sich ständig erhöhenden Druck in punkto Werbung, und das nicht nur bei den großen, auch international agierenden Produzenten. Nein, auch die kleinen Brauereien brauchen ihre Reklame, und ihre billigste Form ist die, sich selbst zu präsentieren. Das kann man über kulturelle und sportliche Aktionen erreichen oder aber mit Veranstaltungen, die das Leben in der jeweiligen Region derart repräsentieren, dass auch der hiesige Bierhersteller in bedeutender Form Erwähnung findet. Deshalb finden vom Frühjahr bis zum Herbst zahlreiche solcher Veranstaltungen wie die Tage der offenen Tür, Exkursionen bis hin zu den beliebten Bierfesten statt. Letztere werden an den jeweiligen Wochenenden nicht selten von bis zu 20.000 Gästen besucht. All das bildet quasi einen ganzen Block an Werbung für eine Brauerei in deren jeweiligem Umfeld."

Jiri Fusek ist aber nicht nur der Präsident des Tschechischen Verbandes der kleinen unabhängigen Brauereien, sondern gleichzeitig der Direktor einer von ihnen, nämlich der im schönen mährischen Karst ansässigen Brauerei Cerna Hora. Und als solcher kann er mit Genugtuung bereits auf eine kleine Erfolgsgeschichte seines Betriebes verweisen, als ich ihn darauf anspreche, ob denn die eben beschriebenen Veranstaltungen schon konkrete Ergebnisse gebracht hätten:

"Bei den Aktionen machen wir nicht die großen Geschäfte, aber sie stellen oft eben jenen Ort der Begegnung dar, an dem man erste Kontakte mit Geschäftsleuten macht und zu dem auch viele ausländische Touristen kommen. Und wenn ihnen dann unser Bier schmeckt, dann erwachsen daraus zumeist neue Geschäftspartner bzw. potentielle Käufer unserer Biere. Seit dem Beitritt Tschechiens in die Europäische Union kann unsere Brauerei in Cerna Hora bereits einen Zuwachs von rund 10.000 Hektoliter Bier verzeichnen, indem wir mit dem Export in die Slowakei, nach Grusinien, Kroatien, die Schweiz, nach Frankreich, Großbritannien und Italien begonnen haben. Des weiteren bereiten wir uns auf Lieferungen nach Deutschland vor, Interesse besteht außerdem in Afrika und in Kanada. Unser Bier, das bisher im Schoße der Tschechischen Republik verborgen war, hat also nun auch die Möglichkeit, sich in Europa zu zeigen. Und eine solch kleine Brauerei, wie wir es sind, hat auf diesem Markt auch gute Chancen, nämlich dann wenn festgestellt wird, dass deren Bier eine hohe Qualität und einen spezifischen Geschmack aufzuweisen hat."

Und Jiri Fusek weiß, wovon er spricht. Denn nicht nur des guten Rufes wegen, den sich das tschechische Bier dank seiner international anerkannten Marken wie Pilsener Urquell, Budweiser und Staropramen bereits vor der Wende erworben hat, sondern auch aus anderen Gründen, greifen Bierliebhaber immer öfter auf böhmisch-mährische Produkte zurück:

"Am meisten schätzt man an unseren Bieren natürlich die riesige Palette an Sorten, die wir herstellen. Selbstverständlich auch die dazugehörige tschechische Küche und die kulturellen Programme, die die Verkostung unserer Biere erst recht zu einem echten Erlebnis werden lassen. Und nicht zuletzt schätzen die internationalen Gäste eine Tatsache ganz besonders: Nämlich die, dass sie unsere Biere für nur 20 Prozent des Preises, den sie für ein Bier zu Hause zahlen müssten, konsumieren können."

Noch vor einigen Monaten und Jahren allerdings, wo viele kleine böhmische und mährische Brauereien um ihre Existenz fürchteten, war diese Entwicklung so nicht vorauszusehen. Bei aller Zufriedenheit darüber hat jedoch Jiri Fusek noch einen ganz besonderen Wunsch offen: die Ausrichtung eines jährlichen großen nationalen Bierfestes in Prag oder aber dem unmittelbaren Einzugsgebiet der Hauptstadt. Ein nationales Bierfest, bei dem sich auch die kleinen Brauereien in ihrer ganzen Vielfalt präsentieren könnten:

"Das ist und bleibt unser Traum. Wir haben schon mehrmals versucht, eine solche Veranstaltung ins Leben zu rufen. Aber bisher haben wir noch nicht das richtige Modell dafür gefunden, so dass wir weiterhin gemeinsam daran arbeiten werden. Ich muss zugeben, dass ich die Deutschen in dieser Hinsicht sehr beneide, weil sie nämlich immer wieder ihre Fähigkeit unter Beweis stellen, ein solch großes Bierfest mit dem nötigen Zusammenhalt zu organisieren. Und das nicht nur wie bei uns über den Zeitraum eines einzigen Wochenendes, sondern gleich eine Woche oder gar 14 Tage lang. Wir müssen also weiterhin viele kleinere Aktionen durchführen, bis daraus eines Tages vielleicht auch ein nationales Bierfest erwächst. Wenn ein solches dann erst einmal angelaufen ist, dann wird es bestimmt zu einer guten Tradition."

Bis dahin müssten Sie sich, liebe Hörerinnen und Hörer, wenn Sie auch zu den Biertouristen zählen, die in Tschechien gern ein kühles Blondes, ein würziges Schwarzbier oder ein als so genanntes "Geschnittenes" verabreichtes Halbhell-halbdunkel-Bier verköstigen, immer wieder informieren, wann und wo denn hierzulande die vielen regionalen und lokalen Bierfeste ausgetragen werden. Das können Sie zum Beispiel über die Internetseite des Tschechischen Verbandes der kleinen unabhängigen Brauereien, die lautet: www.csmnp.cz Da auf dieser sowohl die deutsche als auch die englische Sprachversion offensichtlich noch nicht installiert sind, geben wir Ihnen zum Abschluss unserer heutigen Sendung zumindest noch einige interessante Veranstaltungstipps. So führt die bereits erwähnte Brauerei in Cerna Hora in dieser Saison nicht weniger als 32 kulturelle, gesellschaftliche und sportliche Aktionen durch, die ihren Höhepunkt am 24. September erreichen, wenn in dieser nördlich von Brno/Brünn gelegenen Ortschaft die bereits IX. Bierkirmes stattfinden wird. Schon in diesem Monat kommen Sie auf Ihre Kosten, wenn Sie am 18. Juni in der Brauerei im mittelböhmischen Nymburk das große lokale Bierfest "Den Postrizinskeho piva" besuchen oder nur eine Woche später im ostböhmischen Policka weilen, um hier gemeinsam mit anderen Bierfreunden den von Samstag (13 Uhr) bis in die Morgenstunden des Sonntags andauernden "Tag der offenen Bierkeller" zu verbringen. Sind Sie jedoch ein treuer Anhänger der großen tschechischen Biermarken, dann können wir Ihnen bereits an diesem Samstag den "13. Geißbocktag" im südöstlich von Prag gelegenen Velke Popovice oder aber das große Staropramen-Bierfest am 18. Juni in der Hauptstadt selbst empfehlen. Also, da dürfte doch für jeden Geschmack zumindest eine Veranstaltung dabei gewesen sein. Und dass man mit dem Konsum eines tschechischen Bieres durchaus einen sehr guten Griff macht, das bestätigte mir auf dem unlängst in Prag stattgefundenen 30. EBC-Kongress sogar ein Wissenschaftler - nämlich Prof. Frank-Jürgen Methner von der Versuchs- und Lehranstalt für Brauerei in Berlin:

"Was ich über die tschechischen Biere, von denen ich schon einige getrunken habe, sagen kann, ist dies: Sie sind von hervorragender Qualität und können mit guten Bieren anderer Länder locker mithalten."