Marode Leitungen und hohe Preise: Probleme der privatisierten Wasserversorgung

Foto: Jan Rosenauer, Archiv des Tschechischen Rundfunks

Vergangenes Jahr plante die EU eine Liberalisierung des Wassermarktes. Private Konzerne hätten somit verstärkt Hand an den kommunalen Wasserhähnen in Europa gehabt. Nach Protesten und Petitionen knickte das EU-Parlament jedoch ein und alles blieb beim Alten. In Tschechien ist jedoch die Privatisierung des Wassers bereits seit einigen Jahren Realität. Die Folgen für die Bürger und vor allem auch die Preisentwicklung beobachtet zum Beispiel Radek Novotný. Seine Ergebnisse nennt er dabei alarmierend, vor allem im Hinblick auf die klimatischen Veränderungen. Deswegen hat er die Initiative „Pravda o vodě“ / „Die Wahrheit über das Wasser“ ins Leben gerufen. Ein Gespräch über Privatisierungen im kommunalen Sektor, die Arbeit internationaler Konzerne und den Stand der Wasserversorgung in Tschechien.

Radek Novotný  (Foto: YouTube)
Herr Novotny, vor allem vergangenes Jahr regte sich EU-weit Widerstand gegen eine stärkere Privatisierung der Wasserversorgung. In Tschechien ist dies jedoch bereits seit einigen Jahren Realität. Warum war Tschechien demgegenüber so offen?

„Das ist im Grunde genommen das Ergebnis eines langfristigen Prozesses, der um das Jahr 2000 begonnen hat. In erster Linie hängt alles aber mit der Transformation vom Kommunismus zur Marktwirtschaft zusammen sowie mit der Privatisierung zahlreicher Betriebe. Die Wasserversorgung ist dabei zunächst zu den Städten und Gemeinden gekommen. Dabei wurden aus ehemals elf Anbietern rund 56 kommunale Versorger. Dabei ist es aber schnell zu Problemen gekommen: Die Städte und Gemeinden sind bald auf die Versprechen von ausländischen Anbietern hereingefallen – natürlich geht es dabei auch um Korruption, oft aber um Naivität und Gutgläubigkeit. Viele kommunale Vertreter haben so die Wasserversorgung in die Hände vor allem ausländischer Anbieter gegeben. Oft in dem Glauben, einen strategischen Investor in diesem Bereich zu gewinnen. Daraus erfolgt aber eine schwierige Lage: Das Wasser bleibt beim Staat und das Leitungssystem bei den Gemeinden, die dahingehend auch investieren müssen. Der Vertrieb des Wassers, und damit auch die Gewinnschöpfung, liegt aber vollkommen bei den Konzernen.“

„Aus einer öffentlichen Dienstleistung ist ein zweifelhaftes Geschäft geworden“

Die Wasserversorgung ist ein Grundbedürfnis und demnach als Geschäftsfeld sehr attraktiv. Wie viele Unternehmen sind in diesem Bereich aktiv in Tschechien und in welcher Größenordnung bewegen sich dabei die Umsätze?

„Während der sogenannten wilden Privatisierung ist es zu einer beispiellosen Fragmentierung der Wasserversorgung und der Verwaltung der Versorgungssysteme gekommen. Waren es zunächst 12 bis 14, dann später 56 kommunale Anbieter, so sind es jetzt in ganz Tschechien über 2500 Eigentümer der Wasser-Infrastruktur. Und damit gibt es genauso viele Dienstleister, die den Bürgern das Wasser liefern. Diese sind jedoch nicht dazu verpflichtet, in die Infrastruktur zu re-investieren mit den Gewinnen, die sie abschöpfen. Somit ist aus einer Dienstleistung der Gemeinden ein zweifelhaftes Geschäft geworden. Die Zeche zahlen dann die Verbraucher durch teures Wasser. Aber auch die Gemeinden, denen die Mittel für Investitionen in die Infrastruktur fehlen. Das Geld der Bürger fließt dementsprechend hauptsächlich ins Ausland. Was die Geldmengen betrifft: Nur aus den Dividenden wurden von den Unternehmen im vergangenen Jahr 2,1 Milliarden Kronen (78 Millionen Euro Anm. d. Red.) erwirtschaftet. Dazu kommen die Auszahlungen über verschiedene öffentliche Fonds, was ungefähr zwei bis drei Milliarden Kronen ausmacht (74 bis 111 Millionen Euro Anm. d. Red.). Insgesamt kommen wir, sofern die Zahlen der Unternehmen zuverlässig sind, auf mindestens fünf Milliarden Kronen (185 Millionen Euro Anm. d. Red.) Gewinn im Jahr.“

Foto: Jan Rosenauer,  Archiv des Tschechischen Rundfunks
Ist es nicht ein Vorteil für den Verbraucher, wenn die Wasserversorgung in privater Hand ist? Sinken die Preise da nicht durch den Konkurrenzdruck?

„Das ist zwar sehr interessant gedacht, aber die Wasserversorgung funktioniert etwas anders als jedes andere Konkurrenzmilieu. In den jeweiligen Regionen existieren lediglich Monopole. Das bedeutet, wo immer man auch wohnt, ist man keinerlei Konkurrenzdruck ausgesetzt. Das ist dadurch bedingt, dass die Leitungen nicht mehrere Anbieter gleichzeitig betreiben können. Wer einen entsprechenden Vertrag hat, kassiert also. Wenn das System konkurrenzabhängig funktionieren würde, wären die Preise durch das Angebot vor allem der ausländischen Anbieter niedriger. Das vor allem unter der Bedingung, dass auch investiert wird. Dadurch, dass die Gewinne aber größtenteils dadurch lediglich ins Ausland umgeleitet werden, hat der Verbraucher im Endeffekt jedoch nichts davon.“

„Die öffentliche Hand kann sich durch die Einnahmen ganz auf die Investitionen konzentrieren“

Viele Verträge der Gemeinden mit den privaten Wasserversorgern laufen langsam aus. Welche Auswirkungen hat das auf die Preisentwicklung.

„Tatsächlich gewinnt diese Frage mehr und mehr an Bedeutung. Es ist nämlich eine der Möglichkeiten, diesen öffentlichen Dienst wieder in die öffentliche Hand zu bringen. Die Vergangenheit hat gezeigt, wie leicht es ist, die Eigentumsverhältnisse im Bereich der Wasserversorgung von den Kommunen auf private Unternehmen zu übertragen. Umgekehrt, also von der Privatwirtschaft zu den Gemeinden, funktioniert das genauso. Auch von der Legislative her steht der Rückführung der Wasserversorgung zu den Bürgern nichts im Wege. Vor allem, wenn die Verträge regelkonform auslaufen. Ich möchte hier Pilsen als konkretes Beispiel nennen. Die Stadt hat sich ihre Wasserversorgung von dem bisherigen privaten Anbieter zurückgekauft. Man hat dabei schnell gemerkt, dass genug Raum für Preissenkungen da ist. Für die Bürger hat sich das nun so bemerkbar gemacht, dass sie ab 1. September dieses Jahres rund drei Kronen (11 Euro-Cent Anm. d. Red.) pro Kubikmeter weniger für ihr Wasser zahlen. Es ist das erste Mal seit der Privatisierung, dass die Wasserpreise in Pilsen gesunken sind statt gestiegen. Und das hat auch einen guten Grund: Die Gemeinde muss ihre Gewinne aus der Wasserversorgung nicht an die Konzernleitung und auch nicht ins Ausland abführen. Die öffentliche Hand kann sich durch die Einnahmen ganz auf die Investitionen konzentrieren. Falls diese nicht nötig sind, wie zum Beispiel durch Fördergelder aus der EU, können dem Bürger eben höhere Gebühren erspart werden.“

Foto: ČT24
Wie sehen Sie die Zukunft der Wasserversorgung in Tschechien?

„In Tschechien brauchen wir eine landesweite Debatte zu dem Thema. Und daraus muss sich schlussendlich ein richtiges Konzept zur Wasserversorgung entwickeln. Besonders drei Punkte sollten aber darin auf jeden Fall enthalten sein: Erstens müssen wir richtig auf die klimatischen Bedingungen und Veränderungen reagieren, also einen Mangel oder eben einen Überschuss an Wasser. Das bedeutet konkret ein kluges Management der Wasserversorgung und einen klugen Hochwasserschutz. Leider fallen dadurch natürlich hohe Kosten an. Doch müssen wir insgesamt auf alle Eventualitäten vorbereitet sein. Sonst kann das auch schlecht enden im Ernstfall. An zweiter Stelle steht die Wirtschaftlichkeit. Uns muss klar werden, dass gerade wir zehn Millionen Bürger Tschechiens, eine gewisse Geldmenge generieren, die wir dann auch für die Wasserversorgung aufwenden können. Wenn aber 30 bis 40 Prozent der Einnahmen ins Ausland fließen, wie es in Mähren der Fall ist, dann dürfen wir uns auch nicht über den schlechten Zustand der Leitungssysteme wundern. Und auch nicht über die gesundheitlichen Gefahren, die uns dadurch drohen. Drittens muss die Zuständigkeit für das Wasser unter einem Dach vereint werden. Heute teilen sich diese Aufgabe fünf Ministerien in Tschechien. Das Ergebnis: Alle machen etwas und kommen jedoch zu nichts. Das schlimmste ist aber, dass dann am Ende niemand für einen Missstand verantwortlich gemacht werden kann.“