Projekt "Pospolu" soll Berufsausbildung näher an die Praxis führen

Rudolf Fischer (Foto: Archiv DTIHK)

Eines der vielen kleinen Erfolgsgeheimnisse der deutschen Wirtschaft ist das duale System. Durch dieses System werden Berufsschüler sehr praxisnah ausgebildet und können sich oft schneller und besser in ihr späteres Berufsleben integrieren. In Tschechien soll nun ein ähnliches Ausbildungssystem auf die Beine gestellt werden, das Projekt „Pospolu“. Es wird vom Ministerium für Schulwesen, Jugend und Sport (MŠMT) und dem Nationalinstitut für Ausbildung (NÚV) umgesetzt. Die Deutsch-Tschechische Industrie- und Handelskammer (DTIHK) und der Verband für Industrie und Verkehr (SP) vertreten im Rahmen der Sozialpartnerkommission beim Projekt die Arbeitgeberseite. Der Präsident der DTIHK, Rudolf Fischer, stand Radio Prag zu dem neuen Projekt Rede und Antwort.

Rudolf Fischer  (Foto: Archiv DTIHK)
Herr Fischer, in der Vergangenheit hat die Wirtschaft und vor allem die Industrie hier in Tschechien wiederholt beklagt, dass die Schul- und Berufsausbildung im Land viel zu theoretisch, also zu wenig praxisbezogen sei, und dass die Schulabgänger daher viel zu wenig Erkenntnisse und Erfahrungen einbringen, wenn sie sich für einen technischen Beruf bewerben. Dieses Manko soll nun mit dem neuen Projekt „Pospolu“ behoben werden. Können Sie kurz erklären, was es mit diesem Projekt auf sich hat? Welche Erwartungen knüpfen gerade Sie als Vertreter der Arbeitgeberseite an dieses Projekt?

„Pospolu ist ein Projekt des Ministeriums für Jugend und Bildung sowie des Nationalinstitutes für Ausbildung. Es wurde von der tschechischen Regierung im Jahr 2012 initiiert. Die wesentlichen Ziele umfassen die praktische Berufsausbildung, besonders die Stärkung der Praxis innerhalb der Unternehmen. Zudem sollen die Berufsschüler besser auf ihre künftigen technischen Berufe vorbereitet werden. Die Verbesserung der Kooperation zwischen Wirtschaft und Berufsschulen stellt ein weiteres wichtiges Ziel dar. Die Erwartungen der DTIHK und deren Mitglieder sind vielseitig. Zum einen erhofft sich die DTIHK, dass sich die Berufsausbildung in Tschechien wieder stärker an der Praxis orientiert und direkt in den Unternehmen stattfindet. Zum anderen wird eine aktive Mitgestaltung der Ausbildung seitens der Unternehmen erwartet. Im Einzelnen umfasst das Aufgaben wie die Definition von Berufsprofilen, die Definition von Ausbildungsinhalten, aber auch die Vertragsgestaltung der Auszubildenden, die sich dem Modell der deutschen dualen Ausbildung annähert.“

Foto: Stoonn,  FreeDigitalPhotos.net
Es war zu hören und zu lesen, dass ab September die Pilotphase des Projekts anlaufen soll. Wie soll diese Pilotphase gestaltet werden? Was ist das Ziel?

„Die Pilotphase beginnt im September 2013 und endet voraussichtlich im Januar 2015. Sie soll in allen Regionen der Tschechischen Republik anlaufen. Doch bezieht sich diese Pilotphase momentan nur auf technische Berufsbilder. Im Rahmen einer sogenannten Vorbereitungsphase für dieses Pilotprojekt hat man verschiedene Ausbildungsgruppen wie Maschinenbauer, Elektrotechniker oder Mechatroniker anhand verschiedener Modelle der Zusammenarbeit definiert. Im Anschluss daran wurde festgelegt, wie und in welcher Form die theoretische und die praktische Ausbildung zukünftig stattfinden soll. Das übergeordnete Ziel ist es, die Modelle auf ihre Praxistauglichkeit zu überprüfen. Für ´Pospolu´ können sich Berufsschulen, Fachmittelschulen und entsprechende Firmen bewerben. Die Bewerbungsphase endet nach der ersten Augustwoche. Danach werden 25 Partnerschaften, sprich: Kooperationen zwischen Schulen und Unternehmen festgelegt, die in der Pilotphase umgesetzt werden sollen.“

Foto: Archiv des Nationalinstitutes für Ausbildung
Wird es schon nach Ablauf der Pilotphase eine erste Auswertung darüber geben, ob die Vorgaben erreicht wurden? Wann wäre für Sie diese Phase als erfolgreich einzustufen und wann nicht?

„Es ist vorgesehen, dass nach Ablauf der Pilotphase die Erfahrungen und Ergebnisse beider Seiten ausgewertet werden. Daraus würden sich eventuelle notwendige Änderungen ergeben und in die Modelle einfließen, gegebenenfalls würde das Modell überarbeitet werden. Aus diesen Modellen entstehen die sogenannten künftigen Kooperationsmodelle, die der Regierung zunächst vorgestellt und im Idealfall von dieser verabschiedet werden. Ein erster großer Erfolg wären zahlreiche Bewerbungen für die Pilotphase. Besonders wünschenswert wären die Etablierung dieses Ausbildungsmodells in den Unternehmen und die aktive Mitwirkung der Firmen bei der Umsetzung der Ziele des Projekts. Im besten Falle würden sich diese Elemente in einem dualen Ausbildungsmodell etablieren. Ein Zeichen des Erfolges wäre die Einführung eines round table, einem runden Tisch, bestehend aus Vertretern der Regierung, der Unternehmen, der Verbände, der Gewerkschaften und der Berufsschulen, um eine Art Verpflichtung zu dem Projekt zu symbolisieren und es langfristig zum Erfolg zu führen.“

Pavel Roman  (Foto: Archiv Bosch)
Wie wollen Sie als Deutsch-Tschechische Industrie- und Handelskammer, der ja über 500 freiwillige Mitglieder angehören, dazu beitragen, dass die Pilotphase und so auch das gesamte Projekt ein Erfolg wird?

„Wir haben in der Vergangenheit das Thema der praxisbezogenen Ausbildung sehr konsequent und vehement voran getrieben. Ich möchte hier die aktive Rolle meiner Vorgänger hervorheben. In zahlreichen Diskussionen mit Vertretern aus Wirtschaft und Politik wurde diese Angelegenheit oft thematisiert. Es wurde versucht, Koalitionen mit anderen tschechischen Verbänden einzugehen, um ein stärkeres Gehör bei der Regierung zu erlangen. Dabei nutzte die DTIHK ihre guten Kontakte zu Vertretern aus der Schweiz, aus Österreich als auch direkt zum tschechischen Industrieverband. Direkt auf ´Pospolu´ bezogen hat der Vizepräsident des DTIHK, Pavel Roman, sehr aktiv im letzten Jahr an den Workshops mitgewirkt. Im April 2013 wurden die Mitglieder des Arbeitskreises ´Pospolu´ nach Regensburg zur dortigen IHK eingeladen. Zudem besichtigten sie dort zwei Firmen, in denen das duale Ausbildungsprinzip angewendet wird. Der Bewerbungsphase ging ein Anschreiben an unsere Mitglieder voraus, verbunden mit der Bitte, sich aktiv in dieser Phase zu engagieren. Wir baten die Kollegen aus Verbänden und Kammern in Tschechien, auch deren Mitglieder zu motivieren und am Projekt teilzunehmen. Abschließend ging eine Pressemitteilung heraus, um das Projekt öffentlich zu verbreiten.“

Foto: Barbora Němcová,  Radio Prague International
Aus welchen Quellen wird das Projekt finanziert? Nach welchen Kriterien wird das Geld aufgeteilt?

„Das Projekt ´Pospolu´ wird aus dem europäischen Sozialfond mit einer Summe in Höhe von 106 Millionen Kronen finanziert. Für die Bewerbungsphase sind 45 Millionen Kronen vorgesehen und für jede der 25 beabsichtigten Partnerschaften je 1,75 Millionen Kronen. Zudem gab es Zugeständnisse der vorherigen Regierung in Bezug auf Steuererleichterungen für die am Projekt beteiligten Unternehmen. Wir hoffen deswegen auch auf die Unterstützung der jetzigen Regierung und auf eine positive Zukunft für ´Pospolu´.“

Was bedeutet das Wort „Pospolu“ eigentlich?

„Es ist eine Kombination der tschechischen Wörter ´podpora´ und ´spolupráce´, also die Unterstützung und die Zusammenarbeit. ´Pospolu´ soll letztendlich die Zusammenarbeit zwischen Schulen und Unternehmen fördern.“