Renaissance der Kohleheizungen in Tschechien?

Herzlich willkommen bei einer weiteren Ausgabe unserer Magazinsendung mit Themen aus Wirtschaft und Wissenschaft, am Mikrofon begrüssen Sie Martina Schneibergova und Rudi Hermann. Steht die tschechische Kohleförderung vor einer Renaissance, nachdem es seit der Wende mit diesem Industriezweig vor allem abwärts gegangen war? Die Frage ist keineswegs verfehlt, denn mit teilweise massiven Preisanstiegen bei Elektrizität und Erdgas erinnert sich ein bedeutender Teil der Bevölkerung der früheren Methoden, wie man im Winter seine Behausung heizte. Zwar ist es umständlicher und mühsamer, Kohle oder Holz zu schleppen und einen Ofen einzuheizen statt nur am Rädchen des Thermostaten zu drehen aber - es ist billiger. Ein Blick auf diese Thematik ist Gegenstand der folgenden Minuten, zu denen wir guten Empfang wünschen.

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache. Laut einer in der Tageszeitung Mlada Fronta dnes veröffentlichten Übersicht über die Heizkosten für ein Einfamilienhaus, basierend auf einem Jahreskonsum von 80 Gigajoule und den Preisen für das Jahr 2001, kostet die Beheizung mit Holz 8500 Kronen, mit Steinkohle knapp 12 000 Kronen, mit Braunkohle 13 500, mit Holzbriketten 17 000, mit Erdgas 22 500 und mit Elektrizität 30 500 Kronen. Bei der letzten Zahl ist allerdings anzumerken, dass es sich um eine Elektroheizung mit sogenannten Direktheizkörpern handelt, also Heizkörpern, die direkt ans Netz angeschlossen werden und den Strom zur Zeit des Heizens beziehen. Damit wird zur grossen Mehrheit in den Hochtarifphasen geheizt, was sich entsprechend auf die Kosten niederschlägt. Hingegen gibt es auch Elektroheizungen, die bedeutend günstiger arbeiten, indem, wie etwa beim Wasserboiler, der billigere Nachtstrom zur Aufheizung des Heisswasserreservoirs benützt wird. Diese Art der Heizung und ihre Kosten sind in der Tabelle jedoch ohne Berücksichtigung geblieben.

Wesentlich allerdings ist, dass Holz und Kohle mit deutlichem Abstand zu den günstigsten Heizenergieträgern gehören. Hintergangen können sich im Gegenteil die Benützer der elektischen Direktheizkörper fühlen. Denn in den früheren neunziger Jahren wurde die Bevölkerung dazu angehalten, auf sogenannt ökologische Heizmethoden zu wechseln. Die Installation von elektischen Direktheizungen wurde gar subventioniert, und billiger, de facto vom Staat noch subventionierter Strom liess dies als vorteilhafte Heizmethode erscheinen. Mit der allmählichen Deregulierung der Strompreise allerdings sind die Direktheizungen vom Subventions- zum Danaergeschenk des Staats geworden, und in letzter Zeit gab es gar Bemühungen, die Demontage dieser Heizungen ebenfalls wieder zu subventionieren.

Die Trendumkehr lässt sich an Zahlen ablesen. So meinte ein Vertreter der Energiefirma Zapadoceska energetika, in Westböhmen habe im Jahr 1997 die installierte Leistung von Direktheizungen noch um 4.8 Megawatt zugenommen, im letzten Jahr hingegen sei ein Rückgang von 7.2 Megawatt verzeichnet worden.

Vor diesem Hintergrund erwarten die Produzenten und Händler von Festbrennstoffen einen Anstieg der Nachfrage. Für sie sei der Preisanstieg bei Elektrizität und Erdgas, der vergangenes Jahr 14 respektive sogar 24 Prozent ausmachte, eine gute Nachricht. Beginnt der Staat, wie beispielsweise von Produzenten von Holzbriketts gehofft wird, erneuerbare Energien zu subventionieren, so könnte dieser Brennstoff preislich noch attraktiver werden. Diesen Enthusiasmus könnte allerdings der Umstand bremsen, dass vielerorts die alten Heizkessel, die mit Festbrennstoffen funktionierten, bereits aus dem Verkehr gezogen sind. Die Anschaffung eines neuen Kessels hingegen lässt die Rechnung in einem etwas weniger günstigen Licht erscheinen. Noch höher sind die Anfangsinvestitionen in ökologische Heizsysteme, etwa mit Biomasse, Wärmepumpen oder Solaranlagen. Diese Technologien werden zwar vom Staat schon jetzt finanziell unterstützt, dennoch hat sich bisher erst ein kleiner Teil von Hausbesitzern dazu entschlossen. Ein Vertreter des Staatlichen Umweltfonds erklärte gegenüber der Zeitung Mlada Fronta dnes, im Jahr 1999 seien rund 50 Gesuche um staatliche Finanzunterstützung bearbeitet worden, im vergangenen Jahr etwa 100, und dabei reiche die Unterstützung von 30 bis 50 % der Investitionskosten, je nach dem geplanten Projekt.

Während ökologische Heizsysteme für Individualverbraucher noch zu teuer scheinen, kommen aber offensichtlich Gemeinden alternativen Energien langsam auf den Geschmack. In der südmährischen Ortschaft Rostin wird die Errichtung einer lokalen Heizzentrale auf der Basis von Strohverbrennung geplant. Der Gemeindepräsident von Rostin meint, schon vor fünf Jahren habe man das Projekt in Angriff genommen, denn schon damals habe sich die Verteuerung von Strom und Gas abgezeichnet. Die Investitionskosten seien zwar beträchtlich, aber dafür gebe es auch einen Nutzen. Stroh-Heizzentralen könnten überhaupt in Landgemeinden, wo diese Art des Brennstoffs ausreichend zur Verfügung steht, eine gute Zukunft haben; Experimente damit gibt es beispielsweise auch in Polen.

Trotz all diesen Faktoren ist die Kohle als Heizbrennstoff wieder im Vormarsch. Dies belegen die Produktionszahlen der grössten tschechischen Kohleförderungsgesellschaften, der Kohlegruben Ostrava-Karvina und der böhmisch-mährischen Kohlegruben, die beide unter dem Dach der Kohlegesellschaft Carbon Invest sind. Neben erhöhter Fördertätigkeit in diesen beiden Revieren möchte Carbon Invest neuerdings auch nach Polen expandieren. Der Sprecher der Kohlegruben Ostrava-Karvina, Radek Chalupa, erklärte gegenüber den Medien, nicht nur in der Tschechischen Republik, sondern in Mitteleuropa allgemein sei eine Belebung der Nachfrage festzustellen. Man rechne damit, dass dieser Trend während drei bis fünf Jahren anhalten werde. Zusammen mit dem gestiegenen Interesse tschechischer Kleinbezüber im Zuge der Preiserhöhungen für Strom und Gas ist eine Situation entstanden, in der laut dem Chef von Karbon Invest, Viktor Kolacek, seine Gesellschaft nicht in der Lage sein wird, die gestiegene Nachfrage zu decken.

Die Erhöhung der Fördertätigkeit wird zumindest vorübergehend 1500 bis 2000 neue Arbeitsplätze schaffen respektive früher abgebaute Arbeitsplätze wieder herstellen. Dies betrifft vor allem die Situation in der Region Ostrava und Karvina. Stellte früher der Arbeitsplatzabbau in der Kohlebranche die Arbeitsämter vor Probleme, so ist es jetzt die Wiederbelebung der Konjunktur. Denn, wie der Direktor des Arbeitsamts in Karvina ausführt, Bergleute zu finden sei nicht so einfach, weil zur Ausübung dieser Tätigkeit besondere Qualifikationen erfüllt werden müssten und ein guter Gesundheitszustand nötig sei. Ausserdem müsse den Interessenten erklärt werden, dass es sich trotz allem wohl nicht um einen Berufszweig mit sehr grosser Perspektive handle. Da Ostrava allerdings direkt an der Grenze zum oberschlesischen Industrierevier in Polen liegt und in Polen gerade eine deutliche Redimensionierung der Bergbauindustrie im Gange ist, kann die tschechische Kohleförderung vorübergehend auf polnische Arbeitskräfte abstellen. Schon jetzt arbeiten in den Kohlegruben Ostrava-Karvina und angegliederten Betrieben rund 800 polnische Bergleute.

Auch aussenstehende Beobachter und Analytiker rechnen damit, dass es sich bei der Konjunkturbelebung im Bergbau nur um ein Zwischenhoch, nicht um eine längerfristige Trendwende handelt. Begründet wird dies beispielsweise mit der bevorstehenden Aufnahme des kommerziellen Betriebs durch das Kernkraftwerk Temelin, aber auch mit der abzusehenden Entwicklung in der Stahlindustrie. Dort dürfte es in nächster Zeit zu einer Marktsättigung kommen, und die steigenden Energiepreise könnten auch umfangreichen Sparmassnahmen in den Stahlwerken bewirken.

Autoren: Martina Schneibergová , Rudi Hermann
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